Diese Kühe kratzt die Zeitumstellung nicht: Sie fressen, schlafen und lassen sich melken, wann sie wollen
jd. Ahlerstedt. "Zeitumstellung - das ist uns doch egal". So dürften die Kühe auf dem Bauernhof der Familie Vogt in Ahlerstedt denken. Dass ab jetzt die Sommerzeit gilt und die Uhren vorgestellt worden sind, kratzt die Rindviecher nicht im geringsten. Anders als ihre Artgenossen in anderen Ställen geraten sie nicht aus dem gewohnten Trott, weil die Milch eine Stunde früher abgezapft wird. Die Vogtschen Kühe kennen diesen Stress nicht. Sie entscheiden frei nach Lust und Laune, wann sie gemolken werden. Dieser Kuh-Komfort ohne jeglichen Zeitdruck ist möglich dank eines vollautomatischen Melkroboters. Ein per Halsband befestigter Mikrochip registriert dabei wichtige Daten wie die Milchmenge oder eine mögliche Keimbelastung.
Bislang mussten gerade die Milchkühe bei den halbjährlich wiederkehrenden Debatten über die Zeitumstellung stets als Beispiel für die negativen Auswirkungen auf den Biorhythmus herhalten. Der Zeitsprung von einer Stunde bringe die Wiederkäuer völlig aus dem Takt und dadurch verringere sich die Milchleistung, so das Argument der Sommerzeit-Gegner. Um den Stress für die Kühe zu verringern, passen einige Bauern die Melkzeit in Zehn-Minuten-Schritten an.
Mit solchen Problemen muss sich Hans Martin Vogt nicht herumschlagen: "Meine Kühe sind an keine festen Zeiten gebunden. Sie können rund um die Uhr zum Melkroboter trotten", erklärt der Landwirt. In seinem hochmodernen Stall herrscht nämlich der sogenannte "freie Kuhverkehr". Die Vierbeiner bestimmen selbst, wann sie fressen, sich hinlegen und gemächlich verdauen oder eben gemolken werden. In der Vogtschen Herde ist von Hektik keine Spur. Die Kühe müssen nicht kuschen, da das Treiben zum Melkstand entfällt.
Der Melkroboter ist bei den Rindern äußerst beliebt. Dort gibt es nämlich ein spezielles "Leckerli": eine Extra-Portion besonders appetitliches Kraftfutter, auf das die Wiederkäuer ganz wild sind. Während die Kuh genüsslich aus dem Futtertrog schlabbert, setzt sich der Schwenkarm des Roboters in Bewegung und ortet per Laser die Zitzen. Das Euter wird mit kleinen Bürsten gereinigt, bevor die Melkbecher passgenau andocken. Sobald der Michfluss versiegt, lösen sich die Becher sanft vom Euter und die Anlage wird mit heißem Dampf und milden Ökomitteln gereinigt. Der Trog klappt weg, die Kuh trottet wieder zu ihrem Liegeplatz.
Da zu viel Schnökern auch für Vierbeiner nicht gut ist, spuckt der Automat die nächsten leckeren Häppchen frühestens in fünf Stunden aus. Dank der Mini-Sender am Hals der Kühe weiß das High-Tech-Gerät genau, wen es vor sich hat. Zu oft naschen ist also nicht drin: Der Napf bleibt leer und die Kuh zieht unverrichteter Dinge von dannen. "Die Werte für jedes einzelne Tier werden detailliert erfasst und können von mir per PC oder Handy abgerufen werden", erklärt Vogt. Dank der Spezial-Software weiß der Landwirt auch, ob eine Kuh kränkelt oder brünstig ist und besamt werden kann.
Sind seit dem letzten Melkvorgang mehr als neun Stunden verstrichen, wird Vogt vom System alarmiert. Doch es gibt unter den rund 220 Kühen in Vogts Stall nur ganz wenige, die das Prinzip entweder noch nicht kapiert haben oder die einfach zu faul sind, um freiwillig zum Melken zu gehen. "Diese Tiere muss ich dann mit sanftem Druck zum Roboter schicken", sagt Vogt. Aber das sei längst nicht so stressig wie früher die Treiberei zum Melkstand.
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