Ein paar unbeschwerte Wochen: Bargstedter Kirchengemeinde hatte Gäste aus Belarus
jd. Bargstedt. Zum Abschied standen allen die Tränen in den Augen: Einen Monat lang hatte die evangelischen Kirchengemeinde Bargstedt ganz besondere Gäste. Zu Besuch war eine zwölfköpfige Gruppe aus Belarus (Weißrussland) - bestehend aus Jugendlichen sowie drei Müttern mit ihren kleinen Kindern. Wer auf das Herkunftsland blickt, wird es bereits ahnen: Es sind keine normalen Touristen, die sich auf den weiten Weg aus Osteuropa gemacht haben. Sie kommen aus der Region Gomel, einem Gebiet, das besonders schwer von dem Reaktor-Unglück in Tschernobyl betroffen war und noch immer unter den Folgen leidet.
"Wir möchten vor allem den Kindern und Jugendlichen ein paar unbeschwerte Wochen bereiten", sagt Reinhard Meyer. Gemeinsam mit seiner Frau Elke organisiert er in der Kirchengemeinde seit Jahren die sogenannte "Tschernobyl-Arbeit". Dabei geht es vor allem um die Betreuung der Menschen, die jedes Jahr im Sommer aus Belarus nach Bargstedt kommen. Um deren Gesundheitszustand ist es nicht gerade zum Besten bestellt: Einige leiden unter Schilddrüsen-Erkrankungen, andere haben Probleme mit dem Immunsystem oder klagen über Atemwegsbeschwerden.
Für die meisten ist daher der Besuch in Bargstedt wie der Aufenthalt in einem Luftkurort: "Die jungen Leute blühen hier richtig auf", berichtet Elke Meyer. Innerhalb der vier Wochen verbessere sich deren körperliche Verfassung merklich: "Das lässt sich sogar noch Monate später bei ärztlichen Untersuchungen nachweisen." Ein wichtiger Faktor sei dabei die gesündere Lebensweise: "Die Luft ist hierzulande einfach sauberer und die Möglichkeiten, sich ausgewogen und vitaminreich zu ernähren, sind wesentlich größer."
"Es darf nicht jeder nach Deutschland fahren", erläutert Irina Ganzevitsch. Die Deutsch- und Englischlehrerin begleitet die kleine Gruppe als Dolmetscherin - im Auftrag der weißrussischen Organisation "Fonds der Gesundheit." Der Fonds hat für eine Teilnahme an den Deutschland-Reisen bestimmte Kriterien hinsichtlich des Krankheitsbildes und des sozialen Umfelds festgelegt: So muss eine chronische Erkrankung vorliegen, und wenn Mütter oder Väter mitfahren wollen, so müssen diese alleinerziehend sein. "Kinder ab sieben Jahren müssen aber grundsätzlich allein fahren", berichtet Irina Ganzevitsch.
Selbst bei solch jungen Gästen gebe es kaum Probleme mit Heimweh, weiß Elke Meyer aus langjähriger Erfahrung. Allerdings haben die kleinen Besucher auch kaum Zeit für trübe Gedanken: Die Gastgeber stellen jedes Jahr ein umfangreiches Reiseprogramm auf die Beine. Zu den Highlights zählen der Ausflug nach Neuwerk oder die Hafenrundfahrt in Hamburg. Und wenn die Gruppe mal nicht auf Achse ist, trifft man sich im Bargstedter Gemeindehaus, um zu basteln oder Brettspiele zu spielen.
Auch wenn es mit Verständigung nicht immer einfach sei - ein Teil der Besucher aus Belarus beherrscht allenfalls ein paar Brocken Englisch -, funktioniere der Aufenthalt in den Gastfamilien nahezu reibungslos, so das Ehepaar Meyer. Mit ein paar phantasievollen Gesten könne man die Sprachprobleme leicht überwinden. Elke Meyer muss allerdings keine Hände einsetzen, um sich ihren Gästen mitzuteilen. Sie hat an der VHS Russisch gelernt: "Jetzt habe ich jedes Jahr vier Wochen lang Gelegenheit, meine Sprachkenntnisse auszufrischen."
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