Ein Stück Ortsgeschichte verschwindet: Das Harsefelder Hotel Eichhorn wird abgerissen
jd. Harsefeld. Es ist nicht nur ein Stück Ortsgeschichte, das jetzt in Harsefeld von der Bildfläche verschwindet: Derzeit ist ein Abbruchunternehmen dabei, das ehemalige Hotel Eichhorn (vormals Brüggmann) abzureißen. Die traditionsreiche Gaststätte war ein beliebtes Ausflugslokal für Gäste aus dem Landkreis sowie gesamten Region bis nach Hamburg. An die einstigen gastronomischen Glanzzeiten erinnerte der große Festsaal, der sich das Ambiente der Wirtschaftswunderjahre bis in unsere Zeit bewahrt hatte. Mit seiner abgerundeten Decke und den holzverkleideten Säulen suchte der Saal - abgesehen vom Fährhaus Kirschenland - kreisweit seinesgleichen. Doch auch das wird Vergangenheit sein: Derzeit "knabbert" der Abriss-Bagger an den Mauern des Saals.
Das endgültige Aus für eine der letzten "klassischen" Gaststätten in Harsefeld zeichnete sich bereits vor drei Jahren ab, als Gastwirt Martin Eichhorn das Handtuch warf und Insolvenz anmeldete. Er hätte aufgrund von Brandschutzauflagen mindestens 150.000 Euro in das in die Jahre gekommene Gebäude investieren müssen. Das Bauunternehmen Viebrock erwarb das Grundstück und vermietete die Hotelzimmer an die Samtgemeinde, die dort bis November Flüchtlinge untergebracht hatte. Bis Weihnachten soll das Areal eingeebnet sein. Viebrock plant laut Geschäftsführer Wolfgang Werner, an dieser Stelle zwei moderne Mehrfamilienhäuser zu errichten.
Den meisten älteren Harsefeldern ist das Hotel, das Schauplatz unzähliger Bälle, Vereinsfeste, Theateraufführungen sowie Konzerte war, noch unter dem Namen Brüggmann in bester Erinnerung. Die Gastwirtsfamilie, die dort seit Generationen eine Hofstelle besaß und deren Erstgeborene traditionell den Vornamen Albert erhielten, richtete vor genau 150 Jahren eine Schankstube ein. Nach und nach wurde ausgebaut. Erst kam der Saal, später die Kegelbahn hinzu. Im Samtgemeindearchiv findet sich ein Schreiben aus dem Jahre 1885, in dem der Fleckens-Vorsteher für Albert Brüggmann "hierselbst ein Gesuch um anderweite Ertheilung der Gastwirthschaftsconcession" beantragt.
Legendär soll damals Brüggmanns "Schapp" gewesen sein: Das war eine Art Stehausschank, bei dem sich der Arbeiter der benachbarten Ziegelei und andere Betriebe in mitgebrachten Flaschen den Schnaps abholten, sobald freitags das Geld in der Lohntüte steckte. Welche gesellschaftliche Bedeutung die Gaststätte seinerzeit hatte, belegt eine Vereinssatzung aus dem Jahr 1878: Damals wurde der "Brüggmansche Club" gegründet: "zum Zwecke geselliger Unterhaltung - auch über die Polizeistunde hinaus". "Bei Feiern ist es jedem unverheiratheten Mitglied gestattet, zu den Festlichkeiten eine Dame mitzuführen", heißt es in der Satzung.
Diese historischen Schätzchen stammen von der Tochter des letzten Albert Brüggmann, Elke Pfeil. Sie ging ihren Eltern fast drei Jahrzehnte in Hotel und Speisewirtschaft zur Hand. "Mein Vater hatte den Betrieb als ganz junger Mann übernommen und führte ihn 57 Jahre lang", berichtet Elke Pfeil: "1988 schließlich, zwei Jahre vor seinem Tod, verkauften wir alles an die Familie Eichhorn."
Elke Pfeil ist so etwas wie die wandelnde Hotelchronik: So weiß sie u.a. zu berichten, wie das Parkett des Saals über Beziehungen aus der "Ostzone" beschafft wurde oder wie die Hotelgäste gebeten wurden, warmes Wasser für die Morgentoilette am Abend vorher zu bestellen.
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