Ein Video als Beweismittel: Dashcam-Aufnahmen könnten die Arbeit der Verkehrsrichter erheblich erleichtern

Eine Videoaufnahme kann hilfreich sein, um nach einem Unfall die Schuldfrage zu klären | Foto: Fotolia / Monkey Business
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(jd). Ein Strafverfahren vor dem Buxtehuder Amtsgericht: Angeklagt war ein vermeintlicher Raser, der ein riskantes Überholmanöver vorgenommen haben soll. Das gilt als vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs und kann mit Gefängnis geahndet werden. Auch wenn nur eine Geldstrafe verhängt wird, ist der Führerschein dann weg. Für den Angeklagten - einen Handelsvertreter - stand daher die berufliche Existenz auf dem Spiel. Doch die Anklage beruhte nur auf der Aussage eines Zeugen - desjenigen, der überholt wurde. Und der hatte einige Erinnerungslücken. Am Ende wurde das Verfahren eingestellt - gegen eine Geldauflage. Doch dieser Prozess zeigt einmal mehr: Die Forderung der Polizeigewerkschaften, endlich den Einsatz sogenannter Dashcams zu legitimieren, ist berechtigt.

Eine Mini-Videokamera, angebracht am Armaturenbrett oder an der Frontscheibe, zeichnet permanent das Verkehrsgeschehen auf: Dashcams heißen diese kleinen Überwachungs-Apparate, um die seit Monaten ein großer Streit entbrannt ist. Datenschützer sehen in den Aufzeichnungen der kleinen Kameras ein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht und denken über die Verhängung von Bußgeldern nach. Zudem ist die bisherige Rechtssprechung zur Nutzung von Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel ein regelrechter "Eiertanz": Die einen Gerichte halten das für unzulässig, die anderen lassen es unter Einschränkungen zu.

"Diese Situation hat es so nie gegeben. Ich weiß nichts von dem Vorfall." - Der Angeklagte fühlt sich offenbar zu Unrecht vor den Kadi gezerrt. Bei der erwähnten "Situation" handelt es um gefährliches Überholmanöver, das der Citroen-Fahrer im März auf der L124 zwischen Stade und Harsefeld vorgenommen haben soll. Der Vorwurf: Er hat trotz Gegenverkehrs ein Auto überholt und somit andere Verkehrsteilnehmer gefährdet. Der Fall ist ein Paradebeispiel dafür, wie schwierig die Beweisführung bei Verkehrsdelikten ist. Der Einsatz einer Auto-Kamera, einer sogenannten Dashcam, hätte die Klärung des Falles vereinfacht.

Die Staatsanwaltschaft stützt sich in ihrer Anklage nämlich auf einen einzigen Zeugen: den Fahrer des überholten Wagens. Riskante Überholmanöver zählen zu den "sieben Sünden" im Straßenverkehr, weil Leib und Leben anderer sowie deren Eigentum leichtsinnig gefährdet wird. Entsprechend hoch können die Strafen ausfallen: Bis zu fünf Jahren Gefängnis sind möglich. Dazu kommt der Entzug des Führerscheins. Entsprechend viel hatte der Angeklagte beim Verfahren vor dem Buxtehuder Amtsgericht zu verlieren. Auch seine Frau, die zum fraglichen Zeitpunkt mit im Auto saß, bestätigte die Angaben ihres Mannes: "In meinem Beisein hat ein solcher Überholvorgang nicht stattgefunden."

Es stand zunächst im Raum, dass sich beim Überholen alle drei Fahrzeuge nebeneinander auf einer Linie befunden haben sollen. Das klingt eher nach Filmstunt und wäre im normalen Straßenverkehr in der Tat eine höchst gefährliche Situation. Doch der Zeuge konnte sich nicht mehr im Detail daran erinnern, in welcher Höhe die Autos waren: "Ich musste mich darauf konzentrieren, meinen Wagen nach ganz rechts zu lenken."

Folglich waren die Aussagen des Zeugen zum gesamten Geschehen nicht eindeutig. Hätte er in seinem Pkw eine Dashcam installiert, wäre die Beweisführung sicherlich einfacher gewesen und der Prozess hätte womöglich nicht mit einer Einstellung des Verfahrens geendet. Doch ob das Video vom Richter überhaupt als Beweismittel zugelassen worden wäre, bleibt fraglich. Die bisherige Rechtsprechung dazu ist uneinheitlich. Zumindest hat sich beim Deutschen Verkehrsgerichtstag herauskristallisiert, die Mini-Kameras "situationsbezogen" einzusetzen.

Doch wie soll das in der Praxis aussehen: Bevor jemand zu einem Ausweichmanöver ansetzt, um einen Unfall zu verhindern, schaltet er vorher die Dashcam ein? "Das ist doch völlig weltfremd", sagt dazu Constantin Hack, Sprecher des Automobilclubs ACE.

Der ACE-Jurist Dirk Cremer hat selbst am Verkehrsgerichtstag teilgenommen und ist auch nicht zufrieden: Es sei alles noch "wischi-waschi", weil ein Ausgleich gefunden werden müsse zwischen Datenschutz und dem Interesse eines Geschädigten, zu seinem Recht zu kommen. Zudem müsste Hobby-Denunzianten, die dann per Kamera massenweise jede kleine Ordnungswidrigkeit dokumentieren und zur Anzeige bringen, der Wind aus den Segeln genommen werden.

Die grundsätzliche Legalisierung der Dashcams wurde über kurz oder lang unvermeidbar sein, so Cremer, doch wie die gerichtliche Verwertung der Videomitschnitte vonstatten gehen könne, sei noch völlig unklar. Im Moment ginge es immer nur um spezielle Einzelfälle. Eine Möglichkeit, den Datenschutz zu gewährleisten, sieht der ACE darin, die Dashcams zu verplomben und die Auswertung des Videomaterials nur Ermittlungsbehörden und Gerichten zu gestatten.

Eine Videoaufnahme kann hilfreich sein, um nach einem Unfall die Schuldfrage zu klären | Foto: Fotolia / Monkey Business
Ist in der Diskussion: der Videobeweis mittels Dashcam | Foto: (Foto: Fotolia / WoGi)
Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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