Eine "Fuck up-Night" für die Kirche? Katholische und evangelische Oberhirten diskutierten in Harsefeld
jd. Harsefeld. Podiumsgespräch und Predigt über den Anfang: In Harsefeld wurden zwei Jahre der Ökumene eingeläutet. Wie wäre es mit einer "Fuck up-Night" für die Kirche? Diese Frage fiel bei einem Podiumsgespräch zwei hoher Repräsentanten der beiden großen Konfessionen: Der evangelische Landessuperintendent Dr. Hans Christian Brandy und der katholische Bischof Dr. Norbert Trelle aus Hildesheim diskutierten im Harsefelder Gymnasium über die Zukunft der Kirchen. Im Geestflecken wurden zwei besondere Jahre des ökumenischen Miteinanders eingeläutet. Anlass sind das 1.200-jährige Bestehen des Bistums Hildesheims in diesem Jahr und 500 Jahre Reformation im Jahre 2017.
Das englische Verb "fuck up" gehört nicht gerade zu den feinen Wörtern. Ins Deutsche lässt es sich sinngemäß mit "etwas versemmeln" übersetzen. Dass den vulgären Kraftausdruck auch Kirchenleute in den Mund nehmen, wirkt zunächst befremdlich - doch warum nicht? Die beiden großen Kirchen bemühen sich, wieder mehr Menschen zu erreichen. Da kann es durchaus hilfreich sein, sich eines zeitgemäßen Vokabulars zu bedienen.
Was ist mit dieser "Fuck up-Night" gemeint? Es handelt sich um Treffen von Jung-Unternehmern, die ihre Firmen an die Wand gefahren haben. Auf diesen Abenden berichten die gescheiterten Firmengründer darüber, wie sie die Sache "versemmelt" haben. Aber es geht nicht darum, die Pleite zu bejammern, sondern sich gegenseitig für einen Neustart zu motivieren.
Eine solche "Fuck up-Night" könnte für die Kirche hilfreich sein, meint Brandy. Die Amtskirche sei in mancherlei Hinsicht gescheitert. Ein Beispiel: der stetige Mitgliederschwund. Brandy hält es für sinnvoll, wenn die Verantwortlichen in den Kirchen zusammenkommen und über gescheiterte Projekte oder nicht erreichte Ziele berichten. Dabei sei es wichtig, nicht den Misserfolg zu beklagen, sondern sich im christlichen Geiste gegenseitig Mut zu machen, etwas Neues zu beginnen.
Auf diesen Neubeginn setzt auch die katholische Kirche: "Auch wir haben in der Vergangenheit einige Übungsfelder gehabt, um Pleiten hinzulegen", erklärte Bischof Trelle selbstironisch. Doch unter dem Motto "ein heiliges Experiment" wolle das Bistum Hildesheim den Aufbruch wagen. Es gelte, über die Zukunft nachzudenken und neue Wege zu beschreiten. Der Begriff Experiment sei dabei als Wagnis zu verstehen.
Predigt im alten Klostergemäuer
Auf das Podiumsgespräch folgten Workshops zu religiösen Themen. Danach begaben sich die rund 200 Teilenehmer dieses sogenannten "ökumenischen Impulstages" auf Pilgertour. In kleinen Gruppen ging es quer durch Harsefeld zum Klosterpark, wo inmitten der Ruinen des ehemaligen Benediktinerklosters der Abschlussgottesdienst stattfand.
In seiner Predigt sprach Bischof Trelle über den ersten Satz des Johannes-Evangeliums: "Im Anfang war das Wort". Dabei legte er den Fokus auf den Begriff Anfang: Trelle erinnerte an die Gründungslegende seines Bistums, nach der eine silbernen Kapsel mit einer Reliquie vom Mantel der Maria von einem Rosenstrauch umklammert wurde. An dieser Stelle sei im Jahre 815 auf Geheiß des Kaisers die erste Bischofskirche errichtet worden.
Trelle hatte die Silberkapsel mit der Marien-Reliquie sogar dabei: Nicht als Akt der Provokation in einem protestantisch dominierten Ort, so der Bischof, sondern als Symbol der Erinnerung an die gemeinsamen Anfänge beider Konfessionen. Die Reliquie sei ein Reststück eines Ganzen - eines Mantels, so Trelle. Als Mantel könne man auch die Kirche begreifen. Er hoffe, dass nicht in allzu ferner Zeit ein kompletter Mantel auch wieder alle Gläubigen umhülle. Auch mit der Reformation sei ein Neu-Anfang beabsichtigt gewesen - mit dem Ziel, den Glauben zu erneuern.
• Die Aktionen zum kirchlichen Doppel-Jubiläum finden im Niederelbe-Raum unter dem Motto "Worte bewegen" statt. Mehr dazu im Internet: www.wir-die-kirchen.de
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