Eine nicht hörbare Gefahr? Die große Angst vor dem Infraschall
(jd). Atomkraftwerke sind gefährlich: Wie gefährlich, das haben die Super-GAUs in Tschernobyl und Fukoshima gezeigt. Windkraft ist auch gefährlich: Das behaupten jedenfalls die Windkraftgegner. Führten sie früher Schattenwurf, Lichtreflektionen, auch "Discoeffekt" genannt, und nächtliches Blinken als Beispiele für gesundheitliche Beeinträchtigungen ins Feld, sorgt heute ein anderes Stichwort für diffuse Ängste: Infraschall. Doch während die verheerenden Folgen radioaktiver Strhalen hinlänglich bekannt sind, ist es noch nicht wissenschaftlich erwiesen, ob von Windkraftanlagen ausgehender Infraschall tatsächlich ein Gesundheitsrisiko darstellt.
Es ist bei mittlerweile bei jedem geplanten neuen Windpark und bei jedem Repowering-Vorhaben in der Region zwischen Oste und Luhe das Hauptthema: Die Einwendungen, die nach der öffentlichen Auslegung der Pläne eingehen, beziehen sich in erster Linie auf den nicht hörbaren Infraschall unter 20 Hertz - wie jetzt auch in Bargstedt-Ohrensen. Dass tieffrequente Schallwellen zwischen 20 und 100 Hertz, die vom menschlichen Ohr oftmals als tiefes, diffuses Brummen wahrgenommen werden, Schwindel oder Benommenheit hervorrufen, ermüdend wirken oder die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen können, ist inzwischen unumstritten. Das WOCHENBLATT berichtete mehrfach über entsprechende Fälle.
Die Quellen dieses Schalls begegnen uns überall - zu Hause, beim Einkaufen oder am Arbeitsplatz. Tieffrequenten Schall erzeugen beispielsweise Maschinen, Autos, Kühlanlagen, Lautsprecher und Geschirrspüler. Windkraftgegner machen nun den von den Rotoren ausgehenden Infraschall ebenfalls für die verschiedensten Erkrankungen verantwortlich. Sie sprechen vom sogenannten "Windturbinensyndrom".
Eine vom Umweltbundesamt veranlasste Untersuchung kommt aber zu dem Ergebnis, dass Infraschall nur negative Auswirkungen hat, wenn er über der sogenannten "Wahrnehmungsschwelle" liegt. Dieser Begriff bezieht sich nicht nur auf die Hörwahrnehmung: Auch Schallwellen, die so tief schwingen, dass sie nicht mehr zu hören sind, wirken auf den menschlichen Körper. Diese werden oftmals als Ohrendrücken oder Vibrationen im Kopf und einzelnen Körperteilen wahrgenommen. Für diese Wahrnehmungsschwelle gibt es Grenzwerte. Unter den meisten Wissenschaftlern ist es Konsens, dass Werte unterhalb dieses Limits keine Auswirkungen auf den Menschen haben.
Das sieht die Vereinigung "Ärzte für Immissionsschutz" anders. Die Mediziner werfen den Behörden vor, die krankmachenden Faktoren von Infraschall bislang bewusst nicht untersucht zu haben. Im Sinne der Windkraftindustrie habe man willkürlich Grenzwerte festgelegt und nicht die dauerhafte Wirkung störender Einflüsse durch Schallwellen auf den Organismus berücksichtigt. Mögliche gesundheitliche Langzeitfolgen würden außer Acht gelassen.
Eine neue Studie aus Baden-Württemberg nimmt den Windkraftgegnern allerdings den Wind aus den Segeln: Die dortige Landesumweltanstalt (LUBW) kommt zu dem Ergebnis, dass der Infraschallpegel von modernen Anlagen "bei Abständen zwischen 150 und 300 Metern deutlich unter der menschlichen Wahrnehmungsschwelle" liegt. In 700 Metern Abstand sei kaum mehr ein Unterschied zu messen, ob ein Windrad läuft oder abgeschaltet ist. Die Studie zieht den Schluss, dass bei Einhaltung der gesetzlichen Mindestabstände keinerlei Auswirkungen zu erwarten seien: Die Infraschall werde dann vom "Grundrauschen" in der freien Landschaft überlagert.
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