Absackungen bei den Dow-Kavernen
Experte spricht von "Peanuts"

Aufgrund der Soleförderung in Ohrensen kommt es zu Absenkungen im Boden Foto: sc
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jd/sc. Harsefeld. Der Boden senkt sich, die Bürger sind besorgt: In einem Wohngebiet im Westen Harsefelds herrschte nach einem WOCHENBLATT-Artikel Unruhe. Darin wurde das stetige Absenken des Geländes rund um die Salzkavernen des Chemieunternehmens Dow thematisiert. Die Oberfläche sackte bis zu acht Zentimeter ab - in einem Zeitraum von rund 40 Jahren. Den Bericht nahm die Gemeinde jetzt zum Anlass, einen öffentlichen Infoabend auszurichten. Zahlreiche Anwohner kamen ins Harsefelder Rathaus, um sich die Ausführungen des Ohrensener Betriebsleiters, eines von der Dow beauftragten Sachverständigen und von Vertretern des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) anzuhören. So sehr sich die Experten auch bemühten - etliche Bürger blieben skeptisch.

Dow "unbestreitbar" für Senkungen verantwortlich
Dass die Absenkungen "unbestreitbar und auf jeden Fall" auf die Bergbauaktivitäten der Dow und damit auf die Kavernen zurückzuführen sind, wurde vom Sachverständigen Prof. Dr. Walter Thiels, dessen Ingenieurbüro alle zwei Jahre Bodenmessungen vornimmt, eingeräumt. Eine Aussage, der der Ohrensener Dow-Betriebsleiter Günther von Riegen nicht widersprach, und die vom Publikum fast mit Erstaunen vernommen wurde. "Dieses Eingeständnis habe ich von der Dow vorher nie gehört", erklärte einer der Anwohner. Das werte er als Fortschritt.
Die Bürger treibt vor allem eine Befürchtung um: Dass durch die vom größten Solebergwerk Europas verursachten Senkungen Risse an ihren Häusern entstehen. Diese Sorgen versuchte Thiels ihnen zu nehmen. Die Absenkungen seien viel zu gering und auch zu gleichmäßig, um Schäden an Gebäuden zu verursachen, so der Fachmann. Selbst wenn man - übertrieben gerechnet - eine Höhendifferenz von einem Zentimeter auf zehn Metern annehme, führe das nicht zu Beschädigungen. Im zentralen Bereich der Kavernen habe es seit der Inbetriebnahme 1971 eine Absenkung von 15 Zentimetern gegeben, sagte Thiels: "Auch das sind Peanuts."

Kaverne gilt nicht als Hohlraum
Geradezu allergisch reagierte Thiels auf den Begriff "Hohlraum". Die rund 900 Meter hohen Kavernen, die einen Durchmesser von bis zu 135 Metern haben und von bis 800 Meter mächtigen Gesteinsschichten bedeckt sind, seien stets mit Sole, also gesättigtem Salzwasser, gefüllt. Daher bestehe nach seinem Verständnis kein Hohlraum. Die bisherigen Erfahrungen hätten gezeigt, dass die mit Sole gefüllten Kavernen dem Druck des umgebenden Salzgesteins standhalten.
Thiels geht nicht davon aus, dass die Kavernen nach ihrer Stilllegung dem Gebirgsdruck stärker nachgeben. Daher würden auch die zu erwartenden weiteren Bodensenkungen gering sein. Zusätzliche Sicherheit biete die mehrere Hundert Meter mächtige Salzschicht oberhalb der Kaverne, die sogenannte Salzschwebe. Wenn nach Angaben der Dow alles so sicher sei, könne das Unternehmen doch eine Garantie dafür geben, dass die Häuser keinen Schaden nehmen, so ein Einwurf aus den Reihen der Zuhörer. Auf den Vorschlag, eine Umkehr der Beweislast vorzunehmen, ging Thiels aber nicht ein. Er verwies auf die "Schlichtungsstelle Bergschaden" (siehe unten).

Bürger können Daten anfordern
Nach Angaben des Experten werden die Höhenmessungen in einem rund 13 Quadratkilometer großen Gebiet rund um die Kavernen vorgenommen - an 320 Mess-punkten im Abstand von jeweils 30 Metern. Als Referenzpunkte für dieses Gitternetz dienen die Kirchtürme von Ahlerstedt und Harsefeld.
Doch wie kommt ein Bürger an die Messergebnisse? Die Vertreter des Bergamtes sicherten zu, diese Daten auf Anfrage jedem Bürger zu Verfügung zu stellen - im Rahmen des Umweltinformationsgesetzes. Außerdem wiesen die LBEG-Experten darauf hin, dass derzeit eine Prognose zu den künftigen Senkungen erstellt wird. Die letzte Prognose stamme aus dem Jahr 1998, wobei einige Vorausberechnungen so nicht eingetroffen seien. Laut Günther von Riegen spreche im Prinzip nichts dagegen, die Daten zu veröffentlichen. Eine verbindliche Zusage könne er aber nicht geben. "Diese Entscheidung liegt bei meinen Chefs."

• Die Schlichtungsstelle Bergschaden Niedersachsen ist beim Landkreis Rotenburg angesiedelt: ( 04261 - 9832853

Nicht mit den Versackungen in Ehestorf vergleichbar

Können an der Oberfläche richtige Krater entstehen, wie im Umfeld der Kohlezechen im Ruhrgebiet, oder kann es zu großflächigen Versackungen kommen, wie es in Ehestorf (Kreis Harburg) zu befürchten ist, wo unlängst eine Straße gesperrt werden musste? Diese Frage kann Prof. Dr. Walter Thiels für Harsefeld verneinen.Der klassische Untertagebau sei nicht mit der Aussolung in Kavernen zu vergleichen.

"Wir haben gerade einen Kollegen als Sachverständigen in Ehestorf, der die Auswirkungen der dortigen Bergbauaktivitäten untersucht", sagt Thiels. Wie berichtet, befand sich im Bereich Ehestorf/Hausbruch das Bergwerk "Robertshall". Dort wurde in den 1920er Jahren Kohle gefördert. Danach sind die Stollen offenbar nur unzureichend verfüllt worden. #+"Hier handelt es sich tatsächlich um Hohlräume", erläutert der Bergbau-Experte. Die Stollen verliefen zum Teil nur 17 Meter unter der Oberfläche. Wenn dort unten etwas einstürze, dann rutschen die Erdschichten von oben nach. "Solche unterirdischen Hohlräume gibt es überall, wo Bergbau betrieben wurde."

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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