"Gerade jetzt nach Russland" - Pfadfinder fahren Zug für den Frieden
(jd). Auf Tour mit der Transsibirischen Eisenbahn: Junge Menschen tragen mit einem einzigartigen Projekt zur Völkerverständigung bei.
"Wie kannst Du jetzt nach Russland fahren?" - Diese Frage ist Niklas Krüger in den vergangenen Wochen öfter gestellt worden. "Gerade jetzt", entgegnet der 21-jährige Pfadfinder dann. Er ist gemeinsam mit rund 200 anderen "Scouts" aus ganz Europa zu einem 5.000 Kilometer langen Trip quer durch das riesige Land im Osten aufgebrochen: Die jungen Leute reisen mit der Transsibirischen Eisenbahn bis an den fernen Baikalsee. "Scouting-Train" heißt das große Pfadfinder-Projekt, bei dem es weniger um das Bahnfahren geht, sondern viel mehr um die Begegnung mit den Menschen vor Ort. Angesichts der Ukraine-Krise müsse die Devise lauten: Verständigung statt Vorurteile, meint Niklas.
Daher kam es für das Mitglied des Harsefelder Stammes "Horse" auch nicht in Frage, von dem Zugprojekt, dessen Vorplanungen seit mehr als zwei Jahren laufen, angesichts der aktuellen Ereignisse abzuspringen. Obwohl zuletzt sogar offizielle Stellen in Deutschland Bedenken äußerten, hielten die Pfadfinder an ihrer Idee fest, per Bahn durch Russland zu fahren und auf zum Teil mehrtägigen Zwischenstopps Land und Leute kennenzulernen. "Wir haben die Chance, mit dieser Fahrt ein Signal zu setzen", meint Niklas: Statt der Barrieren, die die Politik jetzt errichte, müssten auf persönlicher Ebene neue Brücken zwischen Ost und West gebaut werden.
Solche Verbindungen wurden in Moskau gerade geknüpft. Drei Tage lang hielten sich die Pfadis in der russischen Hauptstadt auf. Sie strömten in bunt aus allen Nationalitäten zusammengewürfelten Gruppen aus, um die Millionen-Metropole an der Moskwa auf einer Stadtrallye zu erkunden. "Auch uns Deutschen wurde in Moskau ein herzlicher Empfang bereitet", berichtet Niklas. Von Ressentiments sei nichts zu spüren gewesen- auch nicht gegenüber den Pfadfindern aus der Ukraine, die zufälligerweise die gleiche Halstuchfarbe wie die Deutschen haben: blau-gelb.
Mittlerweile sind die Pfadis mit der Transsib weiter Richtung Osten unterwegs. Am heutigen Samstag kommen sie in Novosibirsk an. Außer Niklas fahren noch zwei weitere Pfadis aus Region mit dem "Scouting Train": Hendrik Wichern - ebenfalls aus Harsefeld- sowie Lasse de Vries, der dem Stamm "Leviathan" in Buchholz angehört. Beide teilen Niklas' Eindrücke und freuen sich auf jede neue Etappe.
Selbst nachts werden Kontakte geknüpft: Statt sich im Schlafabteil aufs Ohr zu legen, geht es zum Musizieren in den Speisewagen. "Gemeinsam mit den normalen Fahrgästen sangen wir bis in die frühen Morgenstunden - mal eine Strophe auf russisch, mal eine auf deutsch", berichten die drei todmüde am folgenden Tag per Skype-Videokonferenz. Sie können sich jetzt zufrieden schlafen legen. Schließlich sind sie nicht nur etliche Kilometer vorangekommen, sie haben auch ihre Mission ein weiteres Stück vorangebracht: "Auch gemeinsames Singen trägt zur Völkerverständigung bei", meint Niklas.
Mauern auch in den Köpfen einreißen
Mauern einreißen, auch in den Köpfen der Menschen: Das ist das Ziel des Pfadfinder-Projektes "Scouting Train". Nicht ohne Grund startete die Gruppe in Berlin: Dort fiel vor 25 Jahren die Mauer zwischen Ost und West. An dem Projekt nehmen auch junge Menschen aus Russland und aus der Ukraine teil. Die Tour wird durch die aktuelle politische Situation nicht belastet: Dass sich Menschen um Grenzen und Territorien streiten, ist für Pfadfinder nicht nachvollziehbar. Es zählt zu den Grundprinzipien der Welt-Pfadfinderbewegung, für Frieden einzutreten und Grenzen zu überwinden.
• Mehr Infos:www.scoutingtrain.org
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.