Jugendbewegt mit 50 Jahren

Zaungast am Lagerfeuer der jungen Pfadfinder: WOCHENBLATT-Reporter Jörg Dammann (hi. li. stehend)
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(jd). WOCHENBLATT-Reporter Jörg Dammann folgte dem "Ruf des Berges". Einmal Pfadfinder - immer Pfadfinder: WOCHENBLATT-Reporter Jörg Dammann erinnerte sich an seine jugendbewegten Tage und wollte es als 50-jähriger Scout-Senior noch einmal wissen. Er verstaute Schlafsack und Isomatte in seinem alten Wanderrucksack und machte sich nach Nordhessen auf. Dort fand das "Meißner 2013" statt, ein großes Zeltlager von Pfadfinder-, Wandervogel- und autonomen Jugendbünden. Für vierTage tauchte der Altpfadfinder in eine Welt abseits aller Annehmlichkeiten der Wohlstandgesellschaft ein. Ein kleiner Erlebnisbericht.

Was mich dazu bewogen hat, die gewohnten Bequemlichkeiten daheim gegen das karge Dasein von vier Tagen Lagerleben zu tauschen, ist für Außenstehende sicher schwer verständlich. Wahrscheinlich ist es ein ähnliches Gefühl wie bei den Alpinisten, wenn sie davon sprechen, dass "der Berg ruft". In gewisser Weise rief auch bei mir der Berg - und zwar der Hohe Meißner.
Diese Kuppe unweit von Kassel war im Jahre 1913 Schauplatz des wohl ersten Protestcamps in Deutschland.

Es war sozusagen die alternative Szene des Kaiserreiches, die auf dem Berg zusammenkam. Die damaligen jugendlichen Heißsporne wandten sich in der "Meißnerformel" gegen Spießbürgertum, Autoritätsgläubigkeit und wilhelminisches Obrifgkeitsdenken.Für viele heutige Jugendbünde bildet diese Formel, in der von einem selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Leben die Rede ist, noch immer die Grundlage ihrer Arbeit.

Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der "Meißnerformel" schlugen rund 3.500 Jugendliche und Jugendbewegte jeglichen Alters für knapp eine Woche ihre Zelte am Hohen Meißner auf. Ich stieß erst einen Tag später dazu. Als ich den Hang hinaufkam, bot sich mir ein vertrautes Bild aus längst vergangenen Jugendtagen: Dicht an dicht reihten sich die Kohten und Jurten, die typischen schwarzen Zelte der Pfadfinder und Wndervögel, die so praktisch für Fahrt und Lager sind, weil in ihnen Feuer gemacht werden kann.

Ich stieß erst ein Tag später dazu und als ich den Hang hinaufkam, bot sich mir ein vertrautes Bild aus längst vergangenen Jugendtagen: Dicht an dicht reihten sich die Kohten und Jurten, die typischen schwarzen Zelte der Pfadfinder und Wandervögel, die so praktisch für Fahrt und Lager sind, weil in ihnen Feuer gemacht werden kann.

Warum diese Gegend spöttisch als "Hessisch-Sibirien" bezeichnet wird, wurde mir bewusst, als ich im Schlafsack lag: Die Kehrseite der klaren, sonnigen Herbsttage waren frostige Nächte mit Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt. Glücklicherweise gab es eine Alternative zum Zähneklappern: Ich tauchte in das bündische Nachtleben ein. In vielen Zelten ging es hoch her, sobald die Sonne untergegangen war. Am prasselnden Lagerfeuern sitzend und mit einem Becher Wein in der Hand gingen die Lieder von Sehnsucht und Fernweh leicht über die Lippen.

Doch es war weniger diese Lagerfeuerromantik, die mich zum Hohen Meißner trieb: Ich wollte sehen, wo die Jugendbewegung heute inhaltlich steht - und da hat sich im Gegensatz zu den Formen inhaltlich einiges in den vergangenen 30 Jahren verändert: In der sogenannten Hecken-Uni wurde fleißig über Themen wie Entwicklungshilfe, Globalisierung und Ökotourismus diskutiert, und die jungen Leute redeten sich die Köpfe heiß über soziale Fragen wie Integration oder bedingungsloses Grundeinkommen.

Und das ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis, die ich aus diesem Camp in der Einöde des nordhessischen Berglands mitgebracht habe: Es gibt noch immer Jugendliche, die sich bewusst von den Zwängen der Leistungsgesellschaft abwenden und ein Gemeinschaftsleben entwickeln, das sie als Gegenentwurf zum Konsumdenken und Technikwahn der heutigen Zeit verstehen.

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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