Keine Antenne für kleine Leute: Demenzkranker Rentner nimmt nichts mehr wahr, muss aber Rundfunkbeitrag zahlen
jd. Harsefeld. Ein 83-jähriger schwer Demenzkranker, der nicht mehr mitbekommt, was um ihn herum geschieht, soll Gebühren für Fernsehen und Radio entrichten. Der Fall des Rentners Walther Markowski ist mal wieder ein Beispiel dafür, dass deutsche Bürokraten jegliche Bodenhaftung verloren haben. Allein aus der Tatsache, dass der bettlägerige Senior (Pflegestufe 3) noch in seiner Wohnung lebt, leiten die Gebühreneintreiber der öffentlich-rechtlichen Sender eine Beitragspflicht ab. Dabei ist Markowski nach Auskunft seines Sohnes Klaus, der sich Tag und Nacht um ihn kümmert, schon lange nicht mehr in der Lage, das Fernseh- oder Radioprogramm bewusst wahrzunehmen.
Seit rund anderthalb Jahren hat die "Zwangsabgabe" des Bürgers durch die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten einen neuen Namen: Aus der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) wurde der Beitragsservice. Doch von Service könne keine Rede sein, findet Klaus Markowski. Im Gegenteil: Der Hartz-IV-Empfänger, der bei seinem Vater in Harsefeld wohnt, betrachtet es als reine "Abzocke", dass sein alter Herr seit der Neuordnung des Rundfunk-Inkassos wieder Gebühren zahlen soll.
Zu GEZ-Zeiten war der seit Jahren an Alzheimer erkrankte Senior von der Zahlungspflicht befreit - dank des Kürzels "RF" in seinem Schwerbehinderten-Ausweis. Diese Buchstabenkombination gilt für diejenigen, deren Grad der Behinderung mehr als 80 Prozent beträgt und die daher kaum noch am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Nach dem Anfang 2013 in Kraft getretenen Staatsvertrag für den neuen Rundfunkbeitrag muss dieser Personenkreis nun 5,99 Euro im Monat berappen.
Das ist zwar nur ein Drittel des normalen Rundfunkbeitrages, doch selbst diese Summe könnte Klaus Markowski besser anderweitig verwenden. Außerdem geht es ihm ums Prinzip: "Warum wird jemand für eine Leistung zur Kasse gebeten, die er gar nicht mehr in Anspruch nehmen kann?" Sein Vater dämmere nur mit geschlossenen Augen vor sich hin und reagiere auch kaum noch auf Geräusche. "Ich könnte neben ihm eine Kettensäge anschmeißen und es käme keine Reaktion", so Markowski.
De facto ist der Senior, der sein Bett nicht mehr verlassen kann, nahezu blind und auch fast taub. Beide Kriterien würden für eine vollständige Beitragsbefreiung reichen. Doch Klaus Markowski sieht keine Chance, sich das attestieren zu lassen: Er finde keinen Facharzt, der zu ihnen rauskomme, und er selbst sehe sich nicht in der Lage, seinen Vater zu einer Praxis zu transportieren. Er hätte sich eine Härtefall-Regelung in den neuen Beitrags-Bestimmungen gewünscht, die in solchen Situationen greift. "Doch die da oben bei den staatlichen Rundfunksendern haben eine keine Antenne für uns kleine Leute", ärgert sich Klaus Markowski.
Er will standhaft bleiben und weiterhin jede Zahlung verweigern, obwohl ihm fast wöchentlich Mahnungen des Beitragsservice ins Haus flattern. Mittlerweile ist ein offener Betrag von rund 140 Euro aufgelaufen. Doch selbst die Androhung der Zwangsvollstreckung schreckt Zahlungsverweigerer Markowski nicht. Nun überlegt er, vor das Verwaltungsgericht zu ziehen. Oft unterstützen die Sozialverbände solche Klagen.
Doch darauf darf Markowski im Fall seines Vaters nicht hoffen: Ein "VdK"-Pressesprecher erklärte auf WOCHENBLATT-Nachfrage, dass die Sozialverbände den neuen Regelungen "einvernehmlich" zugestimmt hätten. Immerhin hätten ARD und ZDF ihr barrierefreies Angebot erheblich erweitert, sodass auch Behinderte davon profitieren. Walther Markowski nützen solche Angebote freilich wenig. Er kann einfach weder Fernseher noch Radio nutzen.
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