Nicht jedem ist die Eiche heilig

Eigentümer haben das Recht, auch bei dicken Eichen die Motorsäge anzusetzen
  • Eigentümer haben das Recht, auch bei dicken Eichen die Motorsäge anzusetzen
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jd. Wangersen. Häufig Anlass für Zwist im Dorf: Wenn jemand zur Säge greift, sind nicht alle Nachbarn begeistert. Die Eiche galt bereits bei den Germanen als heiliger Baum. Später hielt das knorrige Gewächs als Sinnbild urdeutscher Wesensart Einzug in Poesie und Prosa. Nicht ohne Grund ziert Eichenlaub die deutschen Ein-, Zwei- und Fünf-Cent-Münzen. Viele Menschen betrachten es daher als besonders schändlichen Naturfrevel, wenn jemand alte Eichen fällt - wie jüngst in Wangersen geschehen: Gleich mehrere Leser meldeten sich empört beim WOCHENBLATT. Doch die Recherche ergab: Das Fällen der Eichen ist rechtens - allerdings mit einer kleinen Einschränkung.

Erich B.* aus Wangersen ist richtig in Rage: In seiner Nachbarschaft fielen kürzlich fünf alte Hofeichen der Motorsäge zum Opfer. Die Bäume befanden sich auf dem Gelände eines ehemaligen Bauernhofes, der seit Jahren leersteht. Nun laufen dort Bauarbeiten. B. vermutet, dass die Eichen - er schätzt deren Alter auf 200 bis 300 Jahre - dem neuen Eigentümer ein Dorn im Auge waren -wegen des lästigen, weil nicht kompostierbaren Eichenlaubs. Weder Gemeinde noch Landkreis hätten sich für seine Beschwerde zuständig gefühlt, ärgert er sich.

Auf WOCHENBLATT-Anfrage erklärte der neue Eigentümer Klaus S.*, dass es nicht um lästiges Laub gehe: Bei einer Eiche sei ohnehin nur noch der Stamm vorhanden gewesen, eine zweite Eiche tot und eine dritte innen bereits völlig ausgehöhlt. Eine weitere Eiche habe entfernt werden müssen, weil deren Wurzeln über kurz oder lang das Mauerwerk des Bauernhofes hochgedrückt hätten. Eiche Nr. 5 sei dann vorsorglich gefällt worden. Man konnte sich nicht sicher sein, ob diese innen nicht auch hohl sei.

Rechtfertigen muss sich S. eigentlich gar nicht: In der Gemeinde Ahlerstedt, zu der Wangersen gehört, gibt es - wie in allen anderen ländlichen Kommunen im Kreis Stade - keine Baumschutzsatzung. Jeder kann also auf seinem Grundstück die Axt anlegen.

Im Ahlerstedter Rat sei man zu der Erkenntnis gekommen, dass eine Baumschutzsatzung kaum praktikabel wäre, so Ahlerstedts Bürgermeister Uwe Arndt. Sämtliche Bäume in einem Register zu erfassen, sei ein Wahnsinns-Aufwand, den eine kleine Gemeinde nicht leisten könne. Außerdem könnte allein die Absicht, eine solche Satzung zu erstellen, den Tod vieler Bäume bedeuten, meint Arndt: "Sobald dieses Vorhaben bekannt wird, werden die Leute vorsorglich einen Kahlschlag auf ihren Grundstücken vornehmen."

Auch die Naturschutzbehörde sieht keine rechtliche Grundlage, in Wangersen tätig zu werden. Was außerhalb von Schutzgebieten passiert, habe seine Behörde im Prinzip nicht zu interessieren, meint Amtsleiter Uwe Seggermann. Besonders schützenswerte Bäume seien vom Landkreis als Naturdenkmale ausgewiesen. Das Fällen selbst der stattlichsten Eiche kann Seggermanns Behörde zwar nicht verhindern, doch die Kreis-Naturschützer können aktiv werden, wenn der falsche Zeitpunkt gewählt wird: "Nach dem Bundesnaturschutzgesetz ist es unzulässig, große Bäume vor dem 1. Oktober zu fällen." Alte Hofeichen wie die in Wangersen würden oftmals Fledermäusen Unterschlupf bieten.
Seggermann hält es für wichtig, Eigentümer zu sensibilisieren: Der Erhalt ortsbildprägende Bäume sei allemal lohnenswert. Doch man müsse sich darüber im Klaren sein, dass es irgendwann mal erforderlich ist, auch den schönsten Baum zu fällen.

* Name v.d. Red. geändert

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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