Omas Urne in den Schrank? Kritik am Gesetzentwurf zum Friedhofszwang
(jd). "Was spricht eigentlich dagegen, wenn sich jemand die Urne mit Omas Asche in den Wohnzimmerschrank stellt?" - Harald Polter, in Harsefeld zuständig für die kommunalen Friedhöfe, hat persönlich eine klare Meinung zu einem umstrittenen Thema, das kürzlich auf der Tagesordnung der letzten Landtagssitzung stand: Die rot-grüne (Noch-)Landesregierung will das Bestattungsgesetz reformieren. Darin geht es auch um die Asche von Verstorbenen. Bislang ist die Urnenbeisetzung zwingend vorgeschrieben. Ein erster Gesetzentwurf sah nun vor, dass die Asche auch auf eigens dafür geschaffenen Friedhofsflächen verstreut werden darf. Nach Protest der Kirchen ruderte das Kabinett zurück.
Laut der aktuellen Fassung der Gesetzesnovelle soll jetzt nur die Entnahme einer "geringen Menge an Asche zur Verwendung in einer Ampulle, einem Schmuckstück oder dergleichen" gestattet werden. Der größte Teil muss in der Urne verbleiben und unterliegt weiter dem Friedhofszwang. Einzige Ausnahmen sind die Seebestattung oder der Friedwald.
Genau das findet Polter unverständlich: "Der seit rund 200 Jahren bestehende Friedhofszwang wurde aus seuchenhygienischen Aspekten eingeführt." Er sei sinnvoll , solange es um die Bestattung von Leichen gehe. "Doch welche rationalen Gründe soll es für die Pflicht geben, die Asche Verstorbener zu bestatten?", fragt sich Polter.
Im Gegensatz zu Deutschland - eine Ausnahme bildet nur das Bundesland Bremen - ist es in vielen Ländern bereits möglich, dass Angehörige die Urne vom Krematorium ausgehängt bekommen, um die Asche beispielsweise in alle Winde zu verstreuen. Diese Form der "Bestattung" bietet etwa der Verband "Die Feuerbestattung" an, dem auch das Stader Krematorium angeschlossen ist. "Mit Pauken und Trompeten als Feuerwerk am Himmel verglühen oder mit einem Heißluftballon emporsteigen", wird auf der Homepage geworben - aber mit der Einschränkung: "So ein besonderer Schlussstrich ist nur im Ausland möglich."
Die liberalen Vorschriften in Holland, Tschechien oder der Schweiz werden aber auch für verbotene Tricksereien mit der Asche genutzt: Hinterbliebene lassen den Leichnam zur Verbrennung ins Ausland überführen. Das ist völlig rechtens. Doch anschließend wird die Urne quasi "re-importiert", um sie dann auf den Kaminsims zu stellen. Das ist dann nicht mehr legal. Bußgelder bis zu 3.000 Euro sind möglich.
"Von solchen Praktiken halten wir grundsätzlich nichts, erklärt Oliver Dreist, der mit seinen Eltern mehrere Bestattungsunternehmen im Kreis Stade betreibt: Die Hinterbliebenen sollten ein Ort der Trauer haben. Dafür sei der Friedhof ideal. Die Urnenbestattung mache bei seinem Unternehmen den Großteil des Geschäftes aus: "Als meine Eltern vor 15 Jahren anfingen, gab es noch 80 Prozent Erdbestattungen." Mittlerweile habe sich das Verhältnis fast umgekehrt. Dabei würde oftmals mit den Kosten argumentiert, so Dreist: "Doch wer annimmt, ein Erdbegräbnis sei viel teurer, der irrt." Meist gehe es nur um wenig mehr als 200 Euro.
"Störung der Totenruhe"
Das neue Gesetz sollte im Herbst in die weitere Beratung durch den Landtag gehen. Daraus wird aufgrund der aktuellen politischen Entwicklung nichts. Es bleibt also noch genug Zeit, die Diskussion weiterzuführen Die Erdbestattung war bei der katholischen Kirche bis in die 1960er Jahre sogar Pflicht. Doch längst haben sich die beiden großen christlichen Konfessionen dem Wandel der Bestattungskultur geöffnet. An einem Grundsatz halten sie aber fest: der Friedhofspflicht. Selbst das Verstreuen der Totenasche auf einer Friedhofswiese wird als Störung der Totenruhe angesehen.
Die Konföderation der evangelischen Kirchen gibt zu Bedenken, dass das die sterblichen Überreste etwa mit dem Grasschnitt im Grünabfall landen und dann zur Deponie gebracht werden. So etwas sei aus "ethischen Gründen" nicht vertretbar. Auch "Manipulationen" an der Asche wie Herstellung eines Diamanten oder die Verwahrung in einem Schmuckstück lehnen die Kirchen ab: Schließlich beziehe die menschliche Würde auch die sterblichen Überreste ein.
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