Reisen, Kochen und gesund bleiben anno dazumal: "Lifestyle" aus Biedermeier-Tagen in der Harsefelder Bücherei
jd. Harsefeld. "Leidest du an kalten Füßen, so nimm ein Gefäß, fülle es mit kaltem Wasser und halte die Füße so lange darin, bis sie anfangen warm zu werden. Am besten geschieht dies vor der Nachtruhe." - Dieser Ratschlag fürs Wohlbefinden steht nicht in einer Frauenzeitschrift oder in einem Wellnessratgeber, sondern in dem 1835 erschienenen Buch mit dem merkwürdigen Titel "Der gesunde Schullehrer". Es gehört zum historischen Bestand der ältesten Volksbibliothek im Landkreis Stade: Die sogenannte Huth'sche Bücherei in Harsefeld wurde 1845 gegründet. Jetzt haben sich zwei Studentinnen daran gemacht, den alten Bestand zu katalogisieren. Dabei stellten sie fest, dass es schon damals oft um "Lifestyle"-Themen ging, zu denen noch heute zahlreiche Bücher erscheinen: Kochen, Reisen oder eben Gesundheit.
"Es wäre doch mal reizvoll, sich mit diesem Buch in den Händen auf Urlaubsreise durch Niedersachsen zu begeben", sagt Victoria Preuß. Die junge Frau aus Apensen, die in Göttingen Geschichte und Völkerkunde studiert, blättert in dem Buch "Die Provinz Hannover in Geschichts-, Kultur- und Landschaftsbildern", einer Art Reiseführer aus der Postkutschenzeit. Darin werden Orte und Plätze beschrieben, die die Menschen anlockten, als der organisierte Tourismus noch in den Kinderschuhen steckte. Nicht nur für die angehende Historiker wie Victoria bietet der Band jede Menge Anregungen, sich auf eine spannende Spurensuche in Sachen Geschichte zu begeben.
Auch Victorias Mitstreiterin Stefanie Eberhart - sie studiert in Stuttgart Bibliotheks- und Informationsmanagement - ist von den alten "Schinken" fasziniert: "Vor allem in den Ratgebern stecken oftmals Lebensweisheiten, die heutzutage durchaus noch gültig sind." Und auch den Ratschlag aus der "Diätetik für Landleute" aus dem Jahr 1831 sollte mancher Leser beherzigen: "Zu den unnöthigen Bedürfnissen zählt man gemeiniglich drey: Kaffee, Thee und Tabak." Interessant wäre es sicher auch, mal das eine oder andere Gericht nach einem "Kochrezept anno dazumal" zuzubereiten. Auch da bietet die Huth'sche Bücherei allerlei Lesestoff. So gibt das "Ersparungsbuch" von 1840 Tipps, die heute unter der Rubrik "Kochen mit kleinem Budget" laufen würden. Lecker ist sicher die "Sparsuppe" aus Graupen und Knochenpulver.
Mit ihrer Arbeit wollen die beiden beiden Studentinnen dazu beitragen, die fast vergessene Huth'sche Volksbibliothek, die derzeit im Depot und in verschlossenen Vitrinen schlummert, aus dem Dornröschenschlaf zu wecken. "2020 steht das 175-jährige Jubiläum der Friedrich-Huth-Bücherei an", erklärt Victoria: "Da wäre es toll, zumindest einen Teil der alten Bücher der Öffentlichkeit zugänglich zu machen."
Projekt des Landschaftsverbandes Stade
Die Huth'sche Volksbücherei ist nach dem Harsefelder Mäzen Friedrich Huth (1777-1864) benannt. Er kam als Bankier in London zu Geld und Ansehen. Für seinen Heimatort spendete er größere Beträge. Huth verfügte, dass die Bücher unentgeltlich zur "Hebung und Kräftigung des moralischen Sinnes sowie zur Verbreitung nützlicher Kenntnisse" entliehen werden konnten.
Die Erfassung der alten Buchbestände erfolgte im Rahmen des Projektes "Historische Schulbibliotheken im Elbe-Weser-Dreieck" des Landschaftsverbandes Stade, das von der Diplom-Bibliothekarin Catrin Gold geleitet. Die heutige Friedrich-Huth-Bücherei ist eine öffentliche Bibiliothek mit einem zeitgemäßen und aktuellen Bestand, der neben Büchern und Zeitschriften auch digitale Medien umfasst.
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