Das sagen bisher Staatsanwaltschaft, Gemeinde und Landkreis zum Fall des getöteten Flüchtlings
Todesschüsse von Harsefeld: Behörden halten sich bedeckt
(jd/tk/jab). Der Mitbewohner des von der Polizei erschossenen Asylbewerbers Kamal I. hat sichgegenüber dem WOCHENBLATT zu den Geschehnissen rund um die Todesnacht und den vorangegangen Vorkommnissen geäußert: Polizei erschießt Flüchtling: Jetzt spricht ein Mitbewohner. Diese Schilderungen decken sich in einigen wichtigen Aspekten allerdings nicht mit den bisherigen Angaben der Behörden. Im Sinne einer objektiven Berichterstattung kommen an dieser Stelle daher auch Samtgemeinde, Staatsanwaltschaft und Landkreis zu Wort. Dabei geht es um die vom Mitbewohner geäußerte Kritik, aber auch um die Vorgänge am vergangenen Sonntag.
Staatsanwalt hält sich bedeckt
Hierbei ist zunächst festzuhalten, dass die Stader Staatsanwaltschaft sich noch sehr verhalten äußert. Deren Sprecher, Oberstaatsanwalt Kai Thomas Breas, erklärte auf Anfrage, dass vieles noch Gegenstand der laufenden Ermittlungen sei - auch die Zahl der Polizisten, die vor Ort anwesend waren, als die tödlichen Schüsse fielen. Bei einem Punkt widerspricht Breas aber dem Mitbewohner: Es sei nicht um die Einweisung in eine psychiatrische Klinik gegangen, als die Polizei I. am Sonntagnachmittag mitgenommen hätten. "Die Beamten besprachen mit einer Richterin, ob I. per richterlicher Anordnung über Nacht in Gewahrsam kommt." Die Richterin habe die Erfordernis verneint. Der alkoholisierte Sudanese habe dann aber von sich aus gebeten, mit auf die Wache zu kommen, um die Nacht in der Zelle zu verbringen. Gegen 18.30 Uhr sei I. wieder aus polizeilichem Gewahrsam entlassen worden, so Breas. Warum er entlassen wurde, dazu könne er noch nichts sagen.
Gemeinde stellt Seelsorger bereit
Diskrepanzen gab es auch bei den Darstellungen des Mitbewohners und der Samtgemeinde-Bürgermeisterin Ute Kück. Während der Bewohner kritisiert, dass die Gemeinde sich nicht um I. gekümmert hat, erklärt Kück, dass der Sozialpsychiatrische Dienst bereits am Montag vor dem nächtlichen Drama informiert worden sein soll. Gleiches sei zuvor Ende Juni geschehen, nachdem I. damals schon einmal auffällig geworden sei.
Am vergangenen Sonntag dann habe sich die Polizei am späten Nachmittag bezüglich einer anderen Unterbringung für I. an die Harsefelder Verwaltung gewandt. Darum sollte sich am Montag unverzüglich gekümmert werden - "zum Wohl der Bewohner und um die Gefahr zu verringern". Für die Bewohner stehe jetzt bei Bedarf ein Notfallseelsorger bereit, so Kück. Nach ihren Angaben sollte die Flüchtlingsunterkunft am Donnerstag gereinigt und für die Bewohner wieder freigegeben worden sein. Das war bis Redaktionsschluss nicht mehr zu überprüfen.
Landkreis beruft sich auf Schweigepflicht
Eine der wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit dem Tod von Kamal I. kann bisher nicht beantwortet werden: Wurde der verhaltensauffällige Mann in irgendeiner Form vom Sozialpsychiatrischen Dienst des Landkreises Stade betreut? Dazu will der Landkreis Stade keine Auskunft geben. Das unterliege der Schweigepflicht, mauert die zuständige Dezernentin Susanne Brahmst. Auf WOCHENBLATT-Nachfrage räumt sie aber ein, dass es am Wochenende keinen 24-Stunden-Dienst beim Sozialpsychiatrischen Dienst gebe. Wenn es um die Unterbringung in der Psychiatrie nach dem Niedersächsischen Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke (NPsychKG) gehe, sind laut Brahmst Polizei, Rettungsleitstelle, Arzt, Gericht und der Bereitschaftsdienst des Landkreises involviert.
Spezielle Angebote für psychisch kranke Geflüchtete hält der Landkreis laut Brahmst nicht bereit. In Einzelfällen arbeitet der Sozialpsychiatrische Dienst mit der Migrationsberatung der AWO zusammen. Zudem gebe es auf Landkreisebene einen „Arbeitskreis der Kommunen zur Flüchtlingshilfe“, an der der Sozialpsychiatrische Dienst themenbezogen teilnimmt.
Psychologische Betreuung für Polizisten
Zu der Frage, ob die Beamten, die bei dem Einsatz in der Harsefelder Flüchtlingsunterkunft dabei waren, freigestellt wurden, will sich Polizeipressesprecher Rainer Bohmbach nicht äußern. Es handele sich um ein laufendes Verfahren. Bohmbach weist aber darauf hin, dass die beteiligten Polizisten ein Angebot zu einer professionellen psychologischen Begleitung erhalten haben. Ob ein Beamter letztendlich wegen des Erlebten vom Dienst freigestellt werden soll, werde jeweils individuell nach psychischen und physischen Gesichtspunkten entschieden.
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