Alle Hortplätze gekündigt / Harsefeld zieht die Reißleine: Betreuungsräume fehlen
jd. Harsefeld. Zahlreiche Eltern in Harsefeld haben in diesen Tagen wenig erfreuliche Post vom DRK-Kreisverband erhalten. In den Briefen wird mitgeteilt, dass sämtliche Verträge für die Hort-Plätze in den Harsefelder DRK-Kitas gekündigt werden. Als Begründung wird angegeben, dass "die bedarfsgerechte Betreuung der Hortkinder im Flecken Harsefeld neu organisiert werden muss". Dahinter steckt ein Problem, das es nicht nur in Harsefeld gibt: Es fehlen Hort-Räume. Laut Kindertagesstättengesetz dürfen Klassenzimmer in der Regel nicht für Hort-Zwecke verwendet werden. Rathauschef Rainer Schlichtmann hat am Mittwoch persönlich beim Minister vorgesprochen, um eine Ausnahme von dieser Regel zu erreichen (siehe unten).
Das Dilemma besteht seit Jahren und ist vom WOCHENBLATT bereits öfter thematisiert worden: Kommunen müssen viel Geld aufbringen, um Räume für die Hortbetreuung zu bauen, obwohl die Klassenzimmer in den Grundschulen nachmittags leerstehen. Für diese strikte Trennung zeigt Schlichtmann kein Verständnis: "Solche hohen bürokratischen Hürden machen es den Gemeinden schwer, genügend Hortplätze anzubieten."
Wie viele andere Kommunen im Landkreis möchte auch Harsefeld auf den ständig wachsenden Bedarf der Eltern nach einem Betreuungsangebot für Kinder im Grundschulalter reagieren. Für Schlichtmann ist es nicht nachvollziehbar, dass es zwar einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Vorschulkinder gibt, doch die Eltern mit ihren Problemen allein gelassen werden, sobald ihr Kind eingeschult wird.
Angesichts der neuen Anmeldezahlen für die sechs bestehenden Hortgruppen (120 Plätze) mussten Gemeinde und DRK - die Hilfsorganisation ist Träger fast aller Kitas in Harsefeld - die Reißleine ziehen: "Die Warteliste explodiert", erklärt Schlichtmann: "Auf der Liste stehen bereits 40 Kinder." Da außerdem die beiden Hortgruppen an der Feldbusch-Grundschule zugunsten des Krippen- bzw. der Elementarbereichs wegfielen, könne ab dem 1. August nicht mehr die Betreuung für sämtliche Hortkinder gewährleistet werden. Alles werde nun auf Null gestellt, um die Plätze künftig nach sozialen Kriterien zu vergeben, so Schlichtmann. Vorrang hätten beispielsweise Familien, in denen beide Elternteile berufstätig seien. Der Rathauschef verspricht aber: "Wir lassen keine Eltern im Regen stehen, die auf eine Hortbetreuung angewiesen sind."
Gespräch mit dem Minister
Einen Hoffnungsschimmer, dass alle Harsefelder Hortkinder untergebracht werden können, gibt es aber noch: Schlichtmann hat auf Vermittlung der beiden CDU-Landtagsabgeordneten aus dem Landkreis, Kai Seefried und Helmut Dammann-Tamke, einen Gesprächstermin bei Kultusminister Grant-Hendrik Tonne erhalten, um dort sein Anliegen vorzutragen.
Schlichtmanns Idee ist es, übergangsweise die Erlaubnis zu erhalten, Klassenräume an den Nachmittagen für die Hortbetreuung zu nutzen. "Wir benötigen diese Ausnahmegenehmigungen für zwei Jahre", so der Harsefelder Rathauschef: "Ab Sommer 2020 soll es dann die Ganztagsgrundschule geben, sodass keine Horte mehr gebraucht werden."
"Der Minister zeigte Verständnis für die schwierige Situation in Harsefeld und hat Unterstützung signalisiert", erklärt dazu Dammann-Tamke. Der Politiker betont allerdings, dass es zunächst nur um diesen Einzelfall in Harsefeld gehe: "Es wird kein Präzedenzfall geschaffen, sondern nur nach einer pragmatischen Lösung für ein konkretes Problem gesucht."
Schlichtmann ist zuversichtlich, dass er in Hannover auf offene Ohren gestoßen ist: "Der Minister war gut vorbereitet. Er hat zugesagt, den Vorgang persönlich auf den Weg zu bringen."
Seefried: Räumliche Trennung von Hort und Schule belastet Kommunen finanziell
Auch wenn beim Thema Hort in Harsefeld kein Präzedenzfall geschaffen werden soll: Zur Möglichkeit, Hortbetreuung in Klassenzimmern durchzuführen, soll eine grundsätzliche Debatte auf Landesebene angeschoben werden. "Auf meine Initiative ist diese Problematik auch in die Koalitionsvereinbarung aufgenommen worden", erklärt Kai Seefried, CDU-Generalsekretär und schulpolitischer Experte seiner Partei. "Um dem wachsenden Bedarf an Hort- und Ganztagsplätzen gerecht zu werden, wollen wir überprüfen, wie den Kommunen flexible Lösungen zur Nutzung von Räumen ermöglicht werden kann", haben die Regierungspartner SPD und CDU in dem Papier vereinbart.
Niemand könne dem Steuerzahler plausibel erklären, warum neben einer Grundschule ein Hort gebaut werden müsse und warum dann das eine Gebäude vormittags und das andere nachmittags leerstehe, so Seefried. Für die Kommunen stelle diese rigorose Trennung eine zusätzliche finanzielle Belastung dar. Er unterstütze daher auch die Initiative der kommunalen Spitzenverbände, die Bestimmungen zu lockern und die Nachmittagsbetreuung in der Schule zu ermöglichen.
Das Argument, die Kinder sollten sich nicht den ganzen Tag in Klassenzimmern aufhalten, könne er nur zum Teil nachvollziehen, so Seefried: "Vielleicht wäre es dann sinnvoll, die Räume entsprechend attraktiv zu gestalten." Außerdem sollten auch Aulen und Turnhallen genutzt werden können. "Das ist auf jeden Fall günstiger, als neue Gebäude zu errichten."
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