Harsefelder Brückenstreit: Viel Kritik auf Infoabend / Weitere Weichenstellung durch die Politik
Kritiker ließen sich nicht überzeugen
jd. Harsefeld. Wenn es das Ziel dieser Veranstaltung gewesen sein sollte, Kritiker umzustimmen, dann war der Erfolg eher bescheiden: Der Flecken Harsefeld hatte zum Info-Abend über den umstrittenen Brückenschlag geladen. Knapp 200 Besucher waren in die Selma-Lagerlöf-Oberschule gekommen, um sich Zahlen und Fakten anzuhören und Fragen zu stellen. Am Ende wurde deutlich: Brücken-Befürworter und Gegner hatten zwar ihre Argumente ausgetauscht - oft lebhaft und leidenschaftlich-, doch es gelang nicht, die Gegenseite von der eigenen Position zu überzeugen.
Bevor über die Brücke selbst gesprochen wurde, ging Rathauschef Rainer Schlichtmann auf die Finanzierung ein: "Die erforderlichen Mittel sind vorhanden." Sollte die Gemeinde mit ihrer Bewerbung beim Bundeswettbewerb "Klimaschutz durch Radverkehr" Erfolg haben, wäre ein Großteil der knapp 3,5 Mio. Euro Baukosten durch Fördermittel gedeckt. Der Eigenanteil von rund 1,2 Mio. Euro kann durch Rücklagen (800.000 Euro) sowie über die Haushalte für 2018 und 2019 (jeweils 200.000 Euro) finanziert werden.
Die 800.000 Euro auf der "hohen Kante" haben sich aus den Überschüssen der Grundstücksverkäufe im Neubaugebiet am Redder angesammelt. Diese Mittel dürfen für die Verbesserung der Infrastruktur verwendet werden. Dazu zählt neben dem Bau von Kindergärten auch ein solcher Brückenbau.
Doch wer soll die Brücke nutzen? Auf diese Frage gab Planer Felix Blaß eine Antwort: Nach seinen Berechnungen könnte die Brücke später täglich bis zu 3.600 mal pro Tag von Fußgängern und Radlern betreten bzw. befahren werden. Nutzer sollen neben den Schülern die Bewohner der südlichen Wohnquartiere und die Vereinsmitglieder des TuS Harsefeld sein, die zu den Sportstätten gelangen wollen. In "Harsefeld-Süd" leben derzeit 2.700 Menschen, in den Neubaugebieten noch noch 1.500 hinzukommen.
Dass die Brücke für die Radler tatsächlich die kürzeste und sicherste Verbindung zwischen den nördlich der Bahn gelegenen Ortsteilen und den Schulen im Süden darstellen soll, bezweifelten die Brücken-Gegner. Ihre Kritikpunkte vermochte Blaß nur bedingt zu entkräften. Zweifel gab es auch an den vorgelegten Zahlen. Blaß stellte hier klar: Diese Zahlen seien keine Vorhersage über die künftige Nutzung der Brücke, sondern lediglich eine Aussage über das Potenzial der möglichen Nutzer.
Wie viele Harsefelder später tatsächlich auf der Brücke unterwegs sein werden, wird man in zwei Jahren wissen: Dann soll die Brücke fertiggestellt sein - sofern es Zuschüsse gibt und der Rat am 21. Dezember den Bau beschließt.
Einige Argumente der Brücken-Gegner
Die Brücken-Pläne aus Sicht der Verwaltung wurden bereits öfter thematisiert. Hier in aller Kürze die wichtigsten Argumente der Brücken-Gegner:
- Die Sicherheit der Schüler, die die Brücke vorwiegend nutzen sollen, sei am nördlichen "Brückenkopf", in der Böberstroot, aufgrund der dortigen unübersichtlichen Verkehrssituation gefährdet.
- Ein Großteil der Schüler müsste mit dem Rad durch die enge, vielbefahrene Marktstraße fahren, um zur Brücke zu gelangen. Das berge zusätzliche Gefahren, da sich gerade morgens der Verkehr durch diese Straße quäle.
- Wer aus dem Bereich Paschberg komme, werde die Brücke gar nicht nutzen, weil es mit dem Redder-Tunnel eine bessere Alternative gebe. Diese Strecke sei weitgehend eben und weise keine Steigung wie die Anfahrt zur Brücke über die Böberstroot auf.
- Kein Radfahrer fahre einen Hügel hinauf, wenn er das Ziel auf einem bequemeren und kaum längeren Weg erreichen könne.
- Es fehle ein Gesamtkonzept für den Radverkehr. Erst müsse der Ortskern fahrradtauglich gemacht werden, dann könne eine Brücke gebaut werden.
Rat stellt Gelder für Brückenbau bereit
Nur einen Tag nach der öffentlichen Info-Veranstaltung nahm der Rat des Flecken Harsefeld eine weitere Weichenstellung für den geplante Brücke vor: Bei vier Gegenstimmen und einer Enthaltung beschlossen die Politiker einen Nachtragshaushalt für 2017. Darin sind die veranschlagten 3,4 Mio. Euro für den Brückenbau enthalten. Der Beschluss ist Voraussetzung für die Gewährung von Fördermitteln, sofern Harsefeld tatsächlich den Zuschlag erhält. "Wir müssen gegenüber dem Bundesumweltministerium nachweisen, dass wir die entsprechenden Haushaltsmittel zur Verfügung stellen", erläuterte Ratshauschef Rainer Schlichtmann. Das Ministerium ist Träger des Wettbewerbes, bei dem sich Harsefeld um Fördergelder für die Errichtung der Brücke beworben hat.
In einem Papier, das zuvor allen Ratsmitgliedern zuging, und auf der Sitzung selbst erinnerte der Grünen-Ratsherr Ralf Poppe nochmals an das fehlende Radverkehrskonzept: Die Erstellung eines solchen Konzeptes, das der Rat immer abgelehnt habe, sei nach seiner Ansicht Voraussetzung für das Brückenprojekt. Von den anderen Parteien wurde Poppes auch in der Presse geäußerte Kritik erneut zurückgewiesen (siehe dazu weiter unten).
Auch Poppes Anregung, die Teilnahme am Wettbewerb für Jahr zurückzustellen, um dann mit einem durchdachten Konzept für den Radverkehr im Ort anzutreten, stieß auf breite Ablehnung. Harsefeld sei bereits in die engere Auswahl für die Fördermittel gekommen, erklärte Schlichtmann: "Wenn wir jetzt schon so weit sind, würde ich niemals den Antrag zurückziehen." Genervt zeigt sich Ratsfrau Susanne de Bruijn von Poppes Ansinnen: "Es wird immer auf einem Radwegekonzept herumgeritten." Jetzt sei es wichtig, mit der Brücke den Anfang zu machen: "Alles andere zum Thema Radverkehr können wir später drumherum basteln".
Fraktionen stehen zu Schlichtmann
Der geplante Brückenbau sorgt nicht nur bei den Harsefelder Bürgern für Diskussionsstoff: Auch innerhalb des Rates gab es kontroverse Meinungen. Einer der schärfsten Kritiker ist der Grünen-Ratsherr Ralf Poppe. Sein Vorwurf an die Verwaltung, falsche Angaben beim Förderantrag für das Brückenprojekt gemacht zu haben, wurde in der Mittwochsausgabe des WOCHENBLATT im Artikel "Werden Fördermittel 'erschlichen'?" thematisiert.
Poppes Äußerungen führten zu einer großen Empörung in der Politik: Die drei großen Fraktionen im Harsefelder Rat wiesen Poppes Kritik scharf zurück. SPD, CDU und FWG übergaben dem WOCHENBLATT eine gemeinsame Stellungnahme. Auszüge daraus drucken wir hier ab.
"Wir, die CDU, FWG und SPD im Flecken Harsefeld, distanzieren uns ausdrücklich von den Vorwürfen, die Ralf Poppe gegen die Verwaltung des Flecken und gegen den Gemeindedirektor Rainer Schlichtmann erhebt.
Die Mitarbeiter der Verwaltung im Harsefelder Rathaus und der Gemeindedirektor genießen unser uneingeschränktes Vertrauen. Alle unsere Fragen, Bedenken und Anregungen werden stets komplett nachvollziehbar, transparent und umfassend beantwortet bzw. bearbeitet.
Der Vorwurf, für den geplanten Brückenbau über die Bahnschienen seien in den Antragsunterlagen falsche Angaben gemacht worden, um Fördergelder zu 'erschleichen', ist eine Unverschämtheit sondergleichen und hat mit der gelebten Zusammenarbeit zwischen Rat und Verwaltung nichts zu tun.
Wir sprechen hiermit der Verwaltung und dem Gemeindedirektor Rainer Schlichtmann unser uneingeschränktes Vertrauen aus."
• Poppe steht auch nach der "Schelte" seitens der anderen Parteien zu seinen Aussagen: Er habe weiterhin Zweifel, dass es in Ordnung sei, im Förderantrag ein nicht existentes Radverkehrskonzept zu erwähnen. Die öffentlich zur Schau gestellte Empörung von Bürgermeister Michael Ospalski und anderer Politiker wirke aufgesetzt. Auf diese Weise wolle man Andersdenkende mundtot machen, so Poppe.
• Rathauschef Schlichtmann erhält in der nächsten WOCHENBLATT-Ausgabe die Gelegenheit, zu dem Thema zu Wort zu kommen.
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