Mehr Toleranz bei Tattoos? Debatte über Lockerungen der Vorschriften für Polizisten
(jd). Mit den steigenden Temperaturen lockert sich die Kleiderordnung. Auch bei der Polizei gehören im Sommer kurzärmelige Uniformhemden zur Dienstkleidung. Doch da liegt das Problem: Die Ärmellänge der Sommeruniform ist bisher der Maßstab dafür, ob jemand in Niedersachsen in den Polizeidienst aufgenommen wird - sofern der Bewerber tätowiert ist. Befinden sich Tattoos an Stellen, die nicht durch die Dienstkleidung verdeckt werden, kann man in Niedersachsen kein Polizist werden. In anderen Bundesländern ist das sichtbare Tattoo kein Tabu im Polizeidienst. Zuletzt hat Berlin eine entsprechende Vorschrift abgeschafft. Die FDP fragte jetzt im Landtag nach, wann es in Niedersachsen soweit sei. Bei der Polizei selbst ist man mit der jetzigen Regelung offenbar zufrieden, wie ein leitender Beamter aus dem Landkreis Stade berichtet.
Diese Aussage auf der Homepage der Polizeiakademie Niedersachsen ist unmissverständlich. Unter der Rubrik „Voraussetzungen für ihre Einstellung bei der Polizei“ heißt es klipp und klar, dass „eine Tätowierung... auch bei Tragen eines kurzärmeligen Uniformhemdes nicht sichtbar sein“ darf. Für viele Bewerber ist das ein Ausschlusskriterium, hat doch mittlerweile jeder vierte junge Mensch unter 30 zumindest einen Teil seines Körpers mit einem Tattoo verziert. Für die Freidemokraten stellt sich daher die Frage, ob solch eine Regelung heutzutage noch zeitgemäß ist.
Lockere Regelung in Berlin
Die FDP verweist auf das Beispiel Berlin: In der Bundeshauptstadt dürfen Polizeibeamte seit Januar offen tätowierte Haut zeigen. Das grundsätzliche Verbot von sichtbaren Tattoos wurde aufgehoben. Befürworter einer toleranten Haltung bezeichnen diese Entscheidung als längst überfällig. Laut Berliner Polizei habe man auf die veränderte gesellschaftliche Akzeptanz von Tätowierungen reagiert.
In Niedersachsen ist diese Akzeptanz zumindest bei den verantwortlichen Stellen offenbar noch nicht sehr groß. Die Anfrage der Freidemokraten wurde von der Landesregierung recht einsilbig beantwortet: Die maßgebliche Verwaltungsvorschrift zum äußeren Erscheinungsbild von Polizeibeamten laufe zum Jahresende aus. Der Bedarf für Änderungen im Rahmen einer neuen Vorschrift werde derzeit geprüft. Man gebe aber zu bedenken, dass Polizisten "als Repräsentanten des Landes in besonderem Maße im Blickpunkt der Öffentlichkeit" stünden.
Polizist ist Autorität
Um dieses öffentliche Erscheinungsbild der Polizei sorgt sich ein Beamter, der im Landkreis Stade in leitender Position im Polizeidienst tätig ist. Die Führungskraft, die anonym bleiben möchte, verweist darauf, dass Polizisten schon jetzt genügend Möglichkeiten hätten, ihre Individualität auszuleben: "Beim "Bart oder der männlichen Haarpracht mitsamt Zopf wird das doch schon liberal gehandhabt." Außerdem seien Tattoos unter der Dienstkleidung ja erlaubt. Ein Polizist verkörpere nun einmal die staatliche Autorität und stelle eine Respektsperson dar, so der leitende Beamte: "Dazu passen nach meiner Meinung keine tätowierten Arme."
Keine erotischen Darstellungen
Auch wenn Berlin das Thema Tattoos bei Polizisten jetzt lockerer handhabt: Gewisse Grenzen gibt es auch dort. So dürfen weder Hals noch Kopf tätowiert sein. Auch bei der Auswahl der Motive sind bestimmte Regeln einzuhalten. So entschied das Arbeitsgericht Berlin Anfang April, dass ein Bewerber für den Polizeidienst zu Recht abgelehnt worden war, weil er auf dem Unterarm ein Tattoo hat, das die Göttin Diana mit entblößten Brüsten darstellt. Diese Tätowierung könne als sexistisch aufgefasst werden, so das Gericht.
Nach dem Einzelfall entscheiden
Unterschiedlich fallen die Reaktionen der beiden Beruforganisationen der niedersächsischen Polizisten aus: Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) erklärt auf WOCHENBLATT-Nachfrage, man wolle die beginnende Diskussion innerhalb der Polizei abwarten. "Das Thema Tattoo betrachten wir aber nicht als sonderlich wichtig", sagt GdP-Sprecherin Angela Hübsch.
Der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Alexander Zimbehl, hält die Tattoo-Debatte hingegen für angebracht: "Auch innerhalb staatlicher Organisationen muss darüber nachgedacht werden, inwieweit man mit der Zeit gehen will."
Zimbehl plädiert dafür, vom grundsätzlichen Verbot sichtbarer Tattoos abzurücken: "Es sollte abhängig vom Einzelfall entschieden werden, ob eine Tätowierung zum Erscheinungsbild der Polizei passt. Rassistische oder sexistische Motive seien natürlich ein "No-Go".
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