Moorschutz als Gefahr für die Landwirtschaft?
(jd). Mit hehren Zielen beim Umweltschutz trat die rot-grüne Landesregierung 2013 an. Jetzt, gegen Ende der Wahlperiode, zeigt sich, dass die Erfolgsbilanz in Sachen Natur- und Klimaschutz eher mager ausfällt. Das Ressort von Umweltminister Christian Wenzel (Grüne) ging bei vielen Vorhaben gezwungenermaßen Kompromisse ein - wie beim Moorschutzprogramm. So waren Abstriche notwendig, um nicht die Existenz landwirtschaftlicher Betriebe zu gefährden. Und der Effekt der Streichung zahlreicher Vorranggebiete für den Torfabbau aus dem Landesraumordnungsprogramm (LROP): gleich null. Im Kreis Stade sind zwar fast alle Abbaufläuchen betroffen, doch Auswirkungen gibt es keine. Dennoch müssen sich die Kreispolitiker jetzt nach der Sommerpause mit dem Thema befassen (siehe Kasten).
Der agrarpolitische Sprecher der CDU-Fraktion in Hannover, Helmut Dammann-Tamke, bezeichnet die ursprünglichen Pläne des Umweltministeriums als "Enteignung": "Das Vorhaben, Moorweiden wieder so zu vernässen, dass bis zehn Zentimeter unter der Grasnarbe Wasser steht, hätte die weitere Bewirtschaftung verhindert." Viehhaltung wäre nicht mehr möglich gewesen, Wiesen hätten nicht mehr gemäht werden können: "Wie sollen solche Flächen mit dem Trecker befahren werden?", fragt Dammann-Tamke.
Der CDU-Politiker, der selbst Landwirt ist, weist auf die hohe Bedeutung der Moorstandorte für die Milchviehwirtschaft hin: Das dortige Grünland sei ideal für die Haltung von Milchkühen. "Ich sehe keine andere Alternative, die nur annähernd wirtschaftlich vertretbar wäre", meint Dammann-Tamke. So stecke das sogenannte "Sphagnumfarming", der Anbau von bestimmten Moosen, die als Baumaterial verwendet werden können, noch in den Kinderschuhen. "Ob das jemals über das Stadium der Forschung hinauskommt, bleibt fraglich."
Für sein Zugeständnis an die Landwirte musste Umweltminister Wenzel Kritik einstecken. Die Schelte kam ausgerechnet von der Torfwirtschaft. Der Industrieverband Garten (IVG) warf dem Minister vor, der Landwirtschaft einen "Freibrief" erteilt zu haben, "mit dem sie weiterhin intensiv wirtschaften und damit die klimaschädliche Moorzersetzung vorantreiben kann."
Die Torfindustrie sieht sich dabei als den eigentlichen Moorretter, da ein mit dem Umweltverband NABU entwickeltes Konzept vorsieht, abgetorfte bzw. nicht rentable Flächen zu renaturieren. Dass in der 2017 geänderten Fassung des LROP nur halb so viele neue Vorranggebiete für den Torfabbau ausgewiesen sind wie erhofft, lässt den IVG offenbar neidisch werden auf die Landwirte, die mehr für sich erreicht haben.
Dammann-Tamke weist die Kritik zurück: Eine Vereinbarung, wie sie IVG und NABU geschlossen hätten, sei ohnehin nicht fair gewesen. "Dieser Pakt sollte zu Lasten Dritter, nämlich der Landwirte, gehen."
Fast alle Vorranggebiete entfallen
Zu Anfang der Legislaturperiode hatte Umweltminister Wenzel angekündigt, sämtliche Vorranggebiete für den Torfabbau aus dem Landesraumordnungsprogramm (LROP) zu streichen. Das ist nicht passiert. In diesem Jahr wurden dann doch noch zahlreiche Gebiete aus dem LROP herausgenommen, darunter auch die meisten Flächen im Landkreis Stade. Nur der Torfabbau in Groß Sterneberg (Aschhorner Moor) bleibt Vorranggebiet.
Aufgabe des Landkreises ist es nun, die Vorgaben des LROP in das Regionale Raumordnungsprogramm (RROP) zu übernehmen. Eine erste Beratung dazu werde es im September im Fachausschuss geben, so Bau- und Umweltdezernent Hans-Hermann Bode. "Der Umsetzungsprozess wird sich bis bei Ende 2018 erstrecken."
Eine Streichung bedeute aber kein Nutzungsverbot, erläutert Bode. Wo Genehmigungen vorliegen, dürfe ohnehin weiter Torf abgebaut werden. Industrielle Abtorfungen im Kreis Stade gibt es in nur in Kehdingen, bei Drochtersen (Groß Sterneberg) sowie in den Gemeinden Beckdorf und Sauensiek.
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