Vorbild "Büsumer Modell" - Zentrum statt Einzelpraxis: Harsefeld will bei der Hausarzt-Versorgung neue Wege gehen
jd. Harsefeld. Noch vor zwei Jahren galt Harsefeld als Sorgenkind bei der hausärztlichen Versorgung, doch bald könnte sich der Geestflecken zu einem Musterschüler mausern und kreisweit eine Vorbildfunktion einnehmen. Seit Anfang 2015 - damals hatten zwei Hausärzte ihre Praxen aus Altersgründen geschlossen, nachdem kein Nachfolger in Sicht war - zerbrechen sich die Politiker die Köpfe, wie sich eine ausreichende Zahl an Allgemeinmedizinern in Harsefeld halten lässt. Nun wird die Errichtung eines sogenannten "Medizinischen Versorgungszentrums" (MVZ) diskutiert. Vorbild könnte Büsum sein, wo es seit zwei Jahren ein kommunales Ärztehaus gibt.
"Das Thema Ärzteversorgung steht auf meiner Agenda für 2017", erklärt Rathauschef Rainer Schlichtmann. Er bestätigt, dass eine "externe Firma" bereits den Auftrag erhalten habe, die Chancen für ein MVZ oder eine ähnliche Einrichtung auszuloten. Auch ein Grundstück an der Buxtehuder Straße habe die Gemeinde bereits ins Auge gefasst und obendrein sei man mit einem Investor im Gespräch, so Schlichtmann: "Wer dieses Versorgungszentrum am Ende betreibt, ist aber noch völlig offen. Ich denke eher nicht, dass die Gemeinde als Träger fungiert."
Dennoch wird sich Harsefeld wohl in groben Zügen am "Büsumer Modell" (siehe Kasten) orientieren. Nach WOCHENBLATT-Informationen handelt es sich bei dem externen Dienstleister, der die Situation im Geestflecken genauer unter die Lupe genommen hat, um die Ärztegenossenschaft Nord mit Sitz im schleswig-holsteinischen Bad Segeberg. Die Genossenschaft hat das Konzept für das Büsumer Ärztehaus entwickelt und dort auch das Management übernommen.
Der Vorteil gerade für jüngere Ärzte liegt auf der Hand: Als Angestellte gehen sie kein wirtschaftliches Risiko ein, das etwa mit der Gründung oder Übernahme einer Praxis verbunden wäre. Außerdem haben sie anders als der klassische Landarzt geregelte Arbeitszeiten und sie müssen keinen Verwaltungsaufwand betreiben. Die Büsumer, deren Modell bereits bundesweit als vorbildliches Beispiel gepriesen wird, warnen allerdings davor, ihr Konzept eins zu eins auf andere Gemeinden übertragen zu wollen.
Auch die Kassenärztliche Vereinigung in Stade erhebt in dieser Hinsicht den mahnenden Zeigefinger. Deren Geschäftsführer Michael Schmitz erinnert an die "Pleite" in Harsefelds Nachbarkommune Sittensen (Kreis Rotenburg): Das dortige MVZ ließ nicht wirtschaftlich betreiben, weil freie Arztstellen nicht wieder besetzt werden konnten. Junge Ärzte ließen sich nicht dauerhaft binden. Nach zwei Jahren Betrieb ging das MVZ im Frühjahr 2016 in die Insolvenz.
Schmitz betrachtet die Sache daher skeptisch. Nach seiner Ansicht wäre eine Praxisgemeinschaft ideal, in der ältere, erfahrene Ärzte jüngere Kollegen beschäftigen und gegebenenfalls als Nachfolger einarbeiten. Junge Mediziner wollen vielleicht für ein paar Jahre als Angestellte in einem Ärztezentrum arbeiten, so Schmitz, aber als Lebensperspektive werde später die Niederlassung als eigenständiger, freiberuflich tätiger Arzt angestrebt.
Zwölf Hausärzte auf 21.000 Einwohner
In der Samtgemeinde Harsefeld werden derzeit rund 21.000 Einwohner durch zwölf Hausärzte versorgt, davon sind drei in Ahlerstedt und einer in Bargstedt tätig. 2015 gab es nur zehn Hausärzte. Für zwei Praxen werden in absehbarer Zeit Nachfolger gesucht, da die Inhaber aus Altersgründen ausscheiden wollen.
GmbH betreibt Ärztezentrum
Das Nordsee-Kurort Büsum wendete mit dem Bau eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) einen drohenden Ärztemangel ab. Mehrere Hausärzte suchten zuvor vergeblich Nachfolger. Mit dem MVZ ist es nun kein Problem, Nachwuchsmediziner zu finden.
Träger des MVZ ist eine gemeinnützige GmbH, die zu 100 Prozent der Gemeinde gehört. Die sechs dort tätigen Ärzte erhalten ein Grundgehalt, dass mit einem leistungsbezogenen Bonus aufgestockt wird. Das Büsumer Ärztezentrum hat im Gegensatz zu den meisten Hausarztpraxen auch am Mittwoch- und Freitagnachmittag Sprechstunde.
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