Waldschnepfe kontra Windrad: Uneinigkeit über Abstände für geplanten Windpark Ohrensen
jd. Ohrensen. Politiker diskutieren über geschützte "Flattertiere". Der Adler gilt als König der Lüfte. Doch mächtiger als das deutsche Wappentier sind Großtrappe, Birkhuhn und Wachtelkönig. Wenn deren Namen fallen, erschaudern Politiker und Planer. Diese drei Vögel brachten schon die größten Bauvorhaben zum Einsturz. Vögel sind es auch, die Windkraft-Projektierern immer wieder zu schaffen machen. Im Kreis Stade ist es jetzt der seltene Uhu, der die Planungen nicht gerade erleichtert.
Fünf zusätzliche Vorrangflächen für Windenergie sind in der verbindlichen Leitplanung für das Kreisgebiet, dem Raumordnungsprogramm, ausgewiesen. Zu diesen Flächen zählt der künftige Windpark Ohrensen. Doch es gibt - gelinde gesagt - Meinungsverschiedenheiten zwischen der örtlichen politischen Mehrheit und den Kreisbehörden: Es geht darum, ob der Windpark - wie vom Landkreis gefordert - 200 Meter Abstand zu einem benachbarten Waldgebiet einhalten muss oder ob die sonst üblichen 100 Meter ausreichen.
Das Kreis-Naturschutzamt pocht auf den 200 Meter breiten Korridor zum Wald. Das sei "aus Naturschutzsicht unbedingt erforderlich", steht in der Stellungnahme an die Samtgemeinde Harsefeld. Diese ist gerade dabei, einen neuen Flächennutzungs-Plan aufzustellen, damit der Windpark Ohrensen realisiert werden kann. Im Schreiben aus dem Stader Kreishaus wird explizit die "Uhu-Problematik" angesprochen und zudem mit der Waldschnepfe ein neuer möglicher "Verhinderungs-Vogel" aus dem Hut gezaubert. Dazu gesellen sich "Flattermänner", die auch Windkraft-Gegner gern ins Feld führen: die Fledermäuse.
Die nachtaktiven fliegenden Säuger sollen sich bevorzugt im besagten Wäldchen tummeln, so der Landkreis. Die Randbereiche dieses Waldgürtels dienten sozusagen als Flugschneise und Jagdrevier. Aus Artenschutzgründen bestehe man auf den 200-Meter-Puffer zum Windpark.
Der von der Samtgemeinde beauftragte Planer Martin Sprötge hält eigene Untersuchungen dagegen: Das Fledermaus-Aufkommen sei längst nicht so hoch wie angenommen. Er zeigt sich verwundert: "Überraschenderweise ist auch wieder der Uhu ins Spiel gekommen." Sprötge versteht nicht, warum: Die mittlerweile zwei Uhu-Brutpaare würden mehr als einen Kilometer entfernt vom künftigen Windpark nisten. Damit seien die vorgegebenen Mindestabstände eingehalten. Sprötges Kritik am Landkreis: Dieser habe bislang keine Daten zur Verfügung gestellt, um zu belegen, dass ein größerer Abstand gerechtfertigt sei. Tatsächlich liegt ein vom Naturschutzamt in Auftrag gegebenes Fledermaus-Gutachten noch nicht vor.
Das Beispiel Windpark Ohrensen zeigt, dass selbst regenerative Stromerzeugung nicht in jeder Hinsicht ökologisch ist. Der mögliche Konflikt mit dem Naturschutz brachte den einzigen grünen Politiker auf der Bauausschuss-Sitzung in Harsefeld in ein Dilemma: Hartwig Holthusen will eigentlich die Energiewende, stimmte aber dagegen, den F-Plan für den Windpark auf den Weg zu bringen. Der Vogelschutz ist ihm dann doch wichtiger. Die Mehrheit aus SPD und CDU sah es anders und will den F-Plan mit dem 100-Meter-Abstand umsetzen.
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