Ganz tief in der Erde liegt das "weiße Gold": Dow erschließt neue Kavernen
jd. Harsefeld. Die Landschaft zwischen Harsefeld und Ohrensen hat es Klaus Mau angetan: Der Rentner radelt gern durchs Auetal, das in weiten Teilen unter Naturschutz steht. Kürzlich fühlte sich Mau beim Genuss dieser Idylle gestört: "Ein dunkler SUV kam mir auf der Strecke entgegen, obwohl die Durchfahrt dort verboten ist", berichtet der Harsefelder. Mau stoppte den Wagen, der Fahrer holte einen Din-A4-Zettel hervor, auf dem etwas von einer Sondererlaubnis für die Dow stand. "Es kann doch nicht erlaubt sein, dass der Wagen mitten durch das Naturschutzgebiet fährt", wundert sich Mau. "Ist es aber", sagt Günther von Riegen, Betriebsleiter der Dow-Anlagen in Ohrensen: "Wir müssen regelmäßig Rohrleitungen kontrollieren. Daher besitzen wir eine Ausnahmegenehmigung."
Für das Chemieunternehmen Dow, das im Werk in Stade-Bützfleth Vorprodukte u.a. für Schuhsohlen, Isolierungen und Flugzeugenteisungen herstellt, ist der Standort Ohrensen von elementarer Bedeutung. Ohne das Salz, das dort ein bis zwei Kilometer tief unter der Erde gewonnen wird und dann per Pipeline nach Stade gelangt, wäre die Produktion der chemische Grundstoffe Chlor, Wasserstoff und Natronlauge nicht möglich. Das "weiße Gold" von Ohrensen sichert so die Existenz des Stader Betriebs. In den riesigen Hohlräumen, die eine Höhe von 500 Metern und einen Durchmesser von 100 Metern erreichen - den sogenannten Kavernen -, wird das Salz mit Wasser herausgespült und an die Erdoberfläche gepumpt. "Diese Salzlauge nennt man Sole und deswegen wird unser Betrieb in Ohrensen als Aussolungsbergwerk bezeichnet", erläutert von Riegen.
Der Betriebsleiter des größten Aussolungsbergwerks in Europa kann mit beeindruckenden Zahlen aufwarten: 18 Milliarden Liter Sole, bestehend aus Wasser und mehr als drei Mio. Tonnen Salz, werden jährlich durch die etwa einen halben Meter dicken Rohre ins Stader Werk gespült. Das entspricht rund 6.000 Freibad-Füllungen. "Würden wir Tankwagen verwenden, müsste alle zwei bis drei Minuten ein Lkw durchs Werktor rollen - und das 24 Stunden am Tag", macht von Riegen die Dimensionen deutlich.
Damit immer genug Salzlösung für die Produktion vorhanden ist, müssen in Ohrensen mindestens elf Kavernen gleichzeitig in Betrieb sein. Derzeit sind es zwölf. So besteht immer eine kleine Reserve, falls in einer der Kavernen Wartungsarbeiten laufen. Doch deren Nutzung ist nicht unbegrenzt möglich, weil sonst zu große Hohlräume entstehen würden. Nach spätestens 40 Jahren ist Schluss. Um Ersatz für bereits verschlossene Kavernen zu schaffen, nimmt Dow seit 2013 neue Bohrungen vor. "Wir erschließen sieben weitere Kavernen", erläutert Lutz Riechardt, der das Bohrprojekt leitet.
In der ersten der neuen Kavernen läuft bereits seit ein paar Monaten die Aussolung, die zweite kann in Kürze in Betrieb gehen und bei Nummer drei sind die Bohrungen abgeschlossen. "Zwei weitere Kavernen befinden sich im Bau bzw. in Planung", sagt Riechardt. Die letzten beiden Kavernen kämen dann 2019 und 2020 an die Reihe. "Im Rahmen der Bohrprojekte wurden in den vergangenen Wochen auch neue Rohrleitungen verlegt", erläutert der Ingenieur. Bei den Erdarbeiten mussten auch Feldwege rund ums Auetal gekreuzt werden, so Riechardt: "Wenn Spaziergänger und Radfahrer dadurch Unannehmlichkeiten hatten, bitten wir um Entschuldigung."
Projektleiter Riechardt und Betriebsleiter von Riegen bitten gleichzeitig um Verständnis, wenn Dow-Fahrzeuge auf den Wegen im Naturschutzgebiet fahren: "Die Kontrollfahrten sind zwingend vorgeschrieben. Aus Sicherheitsgründen müssen die Kavernen und Rohrleitung einmal pro Schicht inspiziert werden."
• Riechardt und von Riegen bitten Bürger wie Klaus Mau, das Gespräch mit dem Unternehmen zu suchen: "Auf Fragen und auch Kritik wollen wir gern eingehen." Bei Interesse soll man sich an die Zentrale unter Tel. 04146 - 910 wenden, so die beiden: "Dort werden Anrufer an einen Ansprechpartner aus dem Bereich 'Unternehmenskommunikation' durchgestellt und sie erfahren den Termin für die nächste öffentliche Führung in Ohrensen."
1 Kommentar
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.