Von kämpfenden Künstlern -Samurai waren auch Dichter und Maler
Besondere Ausstellung zeigt: Samurai waren nicht nur Krieger, sondern auch Dichter, Maler, Musiker
mi. Wohlesbostel. Akrobatische Schwertkämpfer, die sich mit messerscharfen Katanas meisterlich choreographierte, tödliche Duelle liefern - so oder so ähnlich stellt man sich die Samurai, die Mitglieder der japanischen Kriegerkaste vor. Eine besondere Ausstellung zeigt jetzt allerdings eine andere Seite der "Ritter" Japans. Samurai waren demnach nicht nur Krieger, sondern auch Künstler, Musiker und Dichter. Zu sehen ist die Ausstellung mit Exponaten renommierter Kunstsammler nicht etwa in einem großen Museum, sondern in einem umgebauten Bauernhaus in Wohlesbostel (Samtgemeinde Hollenstedt).
„Unsere Vorstellung der Samurai ist maßgeblich geprägt durch die moderne Popkultur, Kino-Klischees wie in 'Last Samurai' knüpfen zwar an historische Fakten an, sind aber nur eine unvollständige Momentaufnahme einer Gesellschaftsschicht, die das kulturelle und künstlerische Leben Japans bis ins 19. Jahrhundert hinein maßgeblich geprägt hat“, erklärt Günther Heckmann. Der Restaurator und Experte für japanische Lackmalerei steht dabei nicht etwa vor dem Rednerpult eines Hörsaals, sondern in einem umgebauten Bauernhaus im Dörfchen Wohlesbostel bei Hollenstedt. Heckmann arbeitet für die “International Foundation of Indonesian Culture and Asian Heritage"(IFICAH), eine international aktive Stiftung, die sich dem Erhalt und der wissenschaftlichen Erforschung japanischer und indonesischer Kunstobjekte verschrieben hat. Mitten in Wohlesbostel betreibt die Stiftung ein kleines Museum mit wechselnden Ausstellungen. Derzeit zeigt die IFICAH „Adel verpflichtet - Die Samurai und die schönen Künste Japans“. Schon der Titel lässt dabei erahnen, dass hier nicht nur eine typische Zurschaustellung asiatischer Waffen und Rüstungen zu erwarten ist. Stattdessen lernt der Besucher als Erstes das Volk der Ainu kennen. Am nördlichsten Ende Japans auf der Insel Hokkaido zu Hause, galten die Ainu Japaner jahrhundertelang als primitiv - und dennoch: Durch ihre besonderen Schwertkampftechniken haben sie die Samurai - den Inbegriff japanischer Hochkultur - massiv geprägt.
Wie eng Kunst und Krieg in der Figur des Samurai verschmelzen, zeigt Heckmann anhand unzähliger “Tsubas”. Das sind die Stichblätter japanischer Schwerter. Im Gegensatz zu ihren europäischen Pendants waren diese extrem kunstvoll gearbeitet. Sie wurden deswegen auch als Statussymbol getragen. Sie waren Teil einer Waffe und Kunstobjekt zugleich. Die ersten Tsubas fanden, so berichtet Heckmann, ihren Weg nach Europa als Ballast in den Bäuchen britischer Handelsschiffe. Ein englischer Kaufmann erkannte dann, dass es sich bei dem vermeintlichen Metallschrott um hochwertige Handwerksarbeiten handelte. "Der Beginn der heute größten Tsuba-Sammlung der Welt", so Heckemann.
Etwas Besonderes ist für Heckmann eine kleine Dose, das Behältnis zeigt einen Samurai. Der Krieger in voller Kampf-Montur hat nicht etwa ein Schwert, sondern ein Musikinstrument, ähnlich einem Dudelsack, in den Händen. “Das Musizieren war ein wichtiges 'Beruhigungsmittel' vor einer Schlacht. Viele Samurai spielten ein Instrument", so Heckmann. Ein zeitgenössisches Bild zeigt einen Samurai bei der Blumenpflege, das Schwert - sein größtes Statussymbol - wird derweil von einem Diener getragen. Stück für Stück entsteht so ein Bild, das so gar nicht mehr zum waffenstarrenden Hollywood-Samurai passen will.
Wer die Ausstellung besuchen möchte, sollte etwas Zeit mitbringen: Das Museum verfolgt einen recht eigenwilligen Kurs. Öffnungszeiten und Eintrittsgelder gibt es nicht. Auch die obligatorischen Erklärtafeln sucht man vergebens. Stattdessen führt Günther Heckmann nach Vereinbarung jeden Besucher persönlich durch die Ausstellung, erklärt die Exponate, stellt Zusammenhänge her und beantwortet Fragen. Wer sich darauf einlässt, erlebt eine lehrreiche, faszinierende Reise in die Welt der Samurai, in der Kunsthandwerk und Kriegshandwerk nicht nur nebeneinander standen, sondern sich oft gegenseitig bedingten.
Kontakt: International Foundation of Indonesian Culture and Asian Heritage (IFICAH)
Am Ahrensberge 2 in Hollenstedt, Tel. 04165-2217475, E-Mail: heckmann@ificah.com, www.ificah.com
Redakteur:Mitja Schrader |
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