Bauerntag 2023
Klimaforscher Dr. Mojib Latif mit düsteren Prognosen

Klimaforscher Prof. Dr. Mojib Latif zeichnete ein düsteres Zukunftsbild, wenn es nicht zu einem SYstemwechsel kommt | Foto: bim
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"Ist der Mensch lernfähig? - Das ist eine zentrale Frage von Klimaforscher Prof. Dr. Mojib Latif, wenn er sich trotz seit Jahrzehnten bekannter Fakten zum Klimawandel aktuelle Entscheidungen in Politik und Wirtschaft anschaut. Beim Bauerntag, zu dem der Landvolk-Kreisverband und die Volksbank Lüneburger Heide eG auf den Hof Oelkers in Wenzendorf eingeladen hatten, sprach er nun vor rund 400 Gästen über "Herausforderung Klimawandel - Können wir die Klimakatastrophe noch verhindern?" Die ermüchternde Erkenntnis aus Latifs Ausführungen: wahrscheinlich nicht, wenn nicht schnell weltweit ein Systemwechsel erfolgt.

Fossilie Energiequellen als
Hauptfaktor des Klimawandels

Hauptfaktor des Klimawandels sei die Energie aus fossilen Quellen wie Erdöl, Kohle und Gas mit ihrem Ausstoß von Kohlendioxid, das sich schnell um den Erdball verbreite und die Erderwärmung zur Folge habe. Das sei mindestens seit Mitte der 1980er Jahre bekannt. "Aber die Entwicklungen sind immer weiter in die falsche Richtung gelaufen. Warum kommen wir nicht vom Wissen zum Handeln?", fragte Dr. Mojib Latif fast schon resigniert.

Für viele Menschen sei das Thema zu abstrakt, da man CO₂ nicht sehen könne. Im Gegensatz zu dem dicken Smog in den 1970er und 1980er Jahren. "Damals hat die Politik mit der Rauchgasentschwefelung gehandelt. Als Ergebnis wurde die Luft sauberer, es gab keinen sauren Regen mehr, das Waldsterben wurde etwas eingedämmt. Jetzt stirbt der Wald wegen der globalen Erwärmung."

Erde hat sich binnen
100 Jahren massiv erwärmt

Anhand von Klimamodellen und Grafiken zeigte Mojib Latif, wie sich die Erde in der geringen Zeit von nur rund 100 Jahren massiv erwärmt hat. Die vorherigen Klimawandel - etwa von der Eis- zur Warmzeit - seien in Jahrtausenden erfolgt. Der Temperaturanstieg der Erdoberfläche im Zeitraum 2011 bis 2020 betrug im Vergleich zu 1850 bis 1900 rund 1,2 Grad mit regionalen Schwankungen. Das klingt zunächst nicht viel. "Zwischen einer Warm- und einer Eiszeit liegen vier Grad", sagte Latif zur Einordnung.

Die Landwirte bewegt natürlich auch die von Klimaaktivisten häufig aufgebrachte Frage der Tierhaltung. Latif machte deutlich, dass dies nicht sein Thema ist. Allerdings: "Methan wird in zehn Jahren abgebaut, CO₂ ist ein extrem langlebiges Gas, das über Jahrtausende in der Atmosphäre bleibt." Die Bauern in Land und Forst seien allerdings die ersten, die von den Folgen des Klimawandels durch extreme Wetterveränderungen betroffen seien - von Hitze, Dürre, Trockenheit, Waldbränden, Baumsterben und Starkregenereignissen. "Wenn wir so weitermachen, ist Landwirtschaft im Jahr 2050 nicht mehr möglich", so Latifs düstere Prognose.

Apokalypse nur mit neuen
Technologien abzuwenden

Die Apokalypse, die Latif in einem seiner Bücher als Zukunftsszenario nennt, sei nur abzuwenden, wenn wir uns von liebgewonnenen Gewohnheiten verabschieden und uns neuen Technologien widmen. Dazu gehörten zum Beispiel auch Verkehrskonzepte ohne Individualverkehr.

Allerdings: "Wenn nur Deutschland CO₂-neutral ist, hat es keinen Effekt aufs Klima", betonte Latif. "Es muss überall passieren und zwar gleichzeitig. Das ist auch wichtig für eine Wettbewerbsfähigkeit", sagte Latif. Das globale Problem könne nur durch internationale Kooperationen gelöst werden, was u.a. angesichts der steigenden Anzahl an Autokratien derzeit unmöglich erscheint. "Es ist egal, wo das CO₂ in die Luft kommt, es betrifft uns alle. Entweder handeln wir alle gemeinsam, oder wir gehen gemeinsam unter."

Systemwechsel scheitert
nur am (politischen) Willen

An Geld und Technologien scheitere der Systemwechsel nicht, allerdings am (politischen) Willen. Ein Beispiel sei das aktuelle Meeresschutzabkommen - ein Ziel: bis 2030 mindestens 30 Prozent der Meere wirksam zu schützen. Die beteiligten Nationen wollen insgesamt rund 20 Milliarden Euro in den Meeresschutz investieren. Zum Vergleich: Das sogenannte Sondervermögen für die Bundeswehr umfasst 100 Milliarden Euro.

In Geiselhaft
der Energiekonzerne

Ein großes Problem ist auch: "Wir sind in Geiselhaft der Energiekonzerne, die die Delegierten in der Politik bearbeiten. Öl und Kohle wird verbrannt, wir schädigen das Klima und zahlen noch für die Umweltzerstörung", machte Mojib Latif deutlich. "Wenn ich König wäre, würde ich Subventionen für fossile Energien, nicht nachhaltige Produkte und Technologien abschaffen", sagte Latif. In der Politik in Deutschland fehle ihm auch der übergreifende Ansatz in der Arbeit der unterschiedlichen Ministerien - Soziales, Wirtschaft, Landwirtschaft etc. gehörten zusammen.

Statt auf fossile müsse auf erneuerbare Energien wie Sonne und Wind gesetzt werden. Im Gegensatz zum derzeitigen Ziel, den in Norddeutschen Windparks erzeugten Strom über lange Trassen nach Süddeutschland zu befördern, mache eine dezentrale Nutzung Sinn: "Erneuerbare Energien müssen dort genutzt werden, wo sie erzeugt werden", so Latif.

Systemwechsel nur
mit sozialer Gerechtigkeit

Ganz wichtig: Ein Systemwechsel könne nur erfolgen, wenn auch eine Umverteilung stattfinde. "Soziale Gerechtigkeit ist das A und O, um eine Akzeptanz zu bekommen."

Wegen seiner Aufklärung über die globale Erderwärmung, die von vielen Menschen angezweifelt wird, sieht sich auch Dr. Mojib Latif der zunehmenden Polarisierung und Anfeindungen ausgesetzt. "Schicken Sie mir keine E-Mail, wenn es schneit", meinte er zu den Zuhörern bezogen auf einige der bei ihm eingehenden E-Mails, mit denen seine Kritiker den Gegenbeweis untermauern wollen.

Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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