Linksextrem? Verein Heideruh im Visier der AfD
mi. Landkreis. Darf der Landkreis Harburg die Jugendarbeit des Vereins Heideruh aus Buchholz mit Fördermitteln unterstützen, wenn im Freizeitheim des Vereins auch Organisationen wie die - vom Verfassungsschutz beobachtete - Deutsche Kommunistische Partei (DKP) tagen? Dieses Thema möchte die AfD auf die große politische Bühne bringen. Und beantragte jetzt im Jugendhilfeausschuss, Heideruh jegliche Fördermittel zu streichen.
Der Ausschuss beschäftigte sich allerdings gar nicht mit dem Thema. Kreissprecher Johannes Freudewald erklärte dazu: Da es um eine Entscheidung der laufenden Verwaltung gehe, könne höchstens der Kreistag das Verfahren an sich ziehen.
Hintergrund: Das Wohn- und Erholungsheim Heideruh liegt in einem Waldstück in der Nähe des Buchholzer Ortsteils Holm-Seppensen. Entstanden aus einer Zuflucht für Wiederstandskämpfer während des Nazi-Regimes, ist der Antifaschismus auch für die Bildungsarbeit des heutigen Vereins „Heideruh“ prägend. „Der Verein fördert die Erwachsenen- und Jugendbildung durch vielseitige Formen der Wissensvermittlung über Verfolgung und Widerstand zur Zeit des Hitlerfaschismus“, steht in der Vereinssatzung. Fakt ist aber auch: In der Vergangenheit nutzten immer wieder extrem linke Organisationen „Heideruh“ für Tagungen - darunter die DKP oder die Gruppe „Cuba Sí“ - ein Arbeitskreis der Partei „Die Linke“, der Beziehungen zum sozialistischen Kuba unterhält.
Das nimmt die AfD zum Anlass für ihren Antrag. „Durch die Verflechtung der ‚Heideruh‘ mit durch die Verfassungsschutzämter beobachteten Organisationen wie ‚Cuba Sí‘ u. a. sehen wir die große Gefahr, dass Jugendliche im Rahmen der Angebote indoktriniert werden“, begründet die AfD.
Heinz Bartels, der sich seit langem ehrenamtlich bei „Heideruh“ engagiert, bestreitet nicht, dass dort besagte Organisationen tagten. Allerdings habe es in keiner Weise Berührungspunkte zwischen den Angeboten der Jugendbildung und den Tagungen gegeben. „Wir haben lediglich die Räume vermietet, die inhaltliche Vereinsarbeit läuft davon abgekoppelt. Uns Verflechtungen und Indoktrination zu unterstellen, ist absurd“, so Bartels. Bei den Jugendgrupperleiterseminaren seien die Themen außerdem vorgegeben, darauf habe der Verein gar keinen Einfluss.
Beim Landkreis Harburg hat man an der Jugendarbeit von „Heideruh“ nichts auszusetzen: Der Verein habe die Förderung für ein Jugendcamp erhalten, an dessen Organisation sich viele Jugendliche mit Workshops beteiligt hätten. Im Mittelpunkt hätte dabei die Auseinandersetzung mit den Themen Neonazismus, Neofaschismus und Antisemitismus gestanden. Dafür seien sogar Zeitzeugen eingeladen worden. Außerdem organisierten die Teilnehmer eine Gedenkveranstaltung. Der Verein sei laut Satzung weder parteipolitisch noch konfessionell gebunden und leiste Jugendarbeit für Jugendliche aus mindestens drei Gemeinden. Er erfülle somit alle Kriterien für eine Förderung, stellt die Kreisjugendpflege in einer Stellungnahme klar.
Die Politik sieht es ähnlich. Udo Heitmann (SPD) erklärte: „Die SPD schließt sich der Position der Verwaltung an. Die AfD wirft hier ohne Beweise Behauptungen in den Raum, das unterstützen wir nicht.“ Knut Dohrmann von der Linken bezeichnet den AfD-Antrag als „reine Propaganda“. Auch Nicole Bracht-Bendt (FDP) erklärte den Antrag nicht unterstützen zu wollen, so lange es keine Beweise für die AfD-Behauptungen gebe. Die Gruppe CDU/WG habe sich laut stellvertretender Vorsitzender Anette Randt noch nicht mit dem Thema beschäftigt. „Ich gehe aber davon aus, dass wir das ablehnen. In ‚Heideruh‘ wird Jugendarbeit geleistet. Nur weil der AfD die politische Ausrichtung des Trägers nicht passt, werden wir uns nicht in die Verwaltung einmischen.“ Randt: „Auch hier gilt: Das muss eine Demokratie aushalten.“
Kommentar
Die AfD betreibt gesinnungspolitische Sippenhaft
Darf die Politik Verwaltungsentscheidungen durch politische Beschlüsse ersetzen? Es mag Themen geben, die von solcher Bedeutung sind, dass so ein Eingriff gerechtfertigt ist. Im Fall „Heideruh“ will die AfD aber lediglich ihr Mandat dazu nutzen, eine - zugegeben - linke Einrichtung in die extremistische Ecke zu drängen, um daraus politisch Kapital zu schlagen. Der Einrichtung ihre Befähigung zur Jugendbildung abzusprechen, nur weil die im Verfassungsschutzbericht erwähnte Gruppe „Cuba Sí“ in „Heideruh“ tagte, ist keine Argumentation, sondern gesinnungspolitische Sippenhaft. Dass die von einer Partei betrieben wird, bei der deutschlandweit ebenfalls einige Mitglieder vom Verfassungsschutz beobachtet werden, wirkt wie ein politischer Treppenwitz. Gut, dass sich die Kreispolitik hier nicht vor den Karren der Rechtspopulisten spannen lässt.
Mitja Schrader
Redakteur:Mitja Schrader |
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