Hollenstedt
Windräder werden höher und kommen Ochtmannsbruch näher
Wenn es um Windenergie und das Erreichen der Klimaziele der Bundesregierung geht, sind die Meinungen gespalten, die Gemüter zwischen Befürwortern und Gegnern oftmals erhitzt. 2023 trat eine neue Windenergiegesetzgebung in Kraft, die auch zur Anpassung des Baugesetzbuches geführt hat. Diese erlaubt den Gemeinden und Samtgemeinden unter Einhaltung bestimmter Vorgaben die Ausweisung von zusätzlichen Flächen für die Nutzung der Windenergie. Und das auch, wenn das geltende Planrecht bzw. die geltende Konzentrationsflächenplanung laut den Flächennutzungsplänen der Samtgemeinden und dem Regionalen Raumordnungsprogramm 2025 des Landkreises Harburg die Errichtung von Windenergieanlagen an diesem Standort nicht vorsieht. Das beunruhigt viele Bürgerinnen und Bürger, die nahe ökologisch wertvoller Gebiete oder in kleinen Ortschaften leben.
Bald von Windrädern umzingelt?
So befürchten auch viele der Bewohnerinnen und Bewohner des kleinen Hollenstedter Ortsteils Ochtmannnsbruch, bald von Windkrafträdern umzingelt zu sein, wenn Gemeinde und Samtgemeinde ihre Pläne umsetzen, und sehen bei einer Realisierung ihre Lebensqualität, u.a, wegen der Schallemission und des Schattenwurfs, beeinträchtigt. "Sie kommen näher und werden höher", sagte ein Anwohner. Bei einem Ortstermin mit dem WOCHENBLATT zeigten mehrere Bürgerinnen und Bürger die Windräder, die bereits im Windpark Hollenstedt, in Dohren sowie auf den vom Landkreis beschlossenen Vorrangflächen bei Heidenau in unmittelbarer Sichtweite stehen.
Wie berichtet, sollen zwei 250 Meter hohe Windräder bei Ochtmannsbruch gebaut werden. Dafür wurde eigens die "Die Projektgesellschaft wpd Windpark Ochtmannsbruch GmbH & Co. KG" gegründet.
Im Fachausschuss der Samtgemeinde ist die dafür notwendige Flächennutzungsplanänderung bereits befürwortet worden. Vier bis sieben weitere könnten demnach in Sichtweite in Hollenstedt entstehen. Diese ganzen Windräder hätten "eine optisch bedrängende Wirkung", sagen die Bürgerinnen und Bürger aus Ochtmannsbruch, mehr als 120 von ihnen stellen sich gegen die zwei "Spargel" in ihrem Dorf. Da dafür ortsansässige Landwirte Flächen zur Verfügung stellen, sei das Dorf bereits gespalten.
Der Umwelt-, Bau- und Planungsausschuss der für den notwendigen Bebauungsplan zuständigen Gemeinde Hollenstedt gab jüngst grünes Licht für den B-Plan-Vorentwurf „Windenergieanlagen Ochtmannsbruch“ für das Gebiet: „südlich der A1 und der Raststätte Stellheide West, nördlich und westlich des Perlbachs, nordwestlich der Ortslage von Ochtmannsbruch“.
Argumente der Gemeinde
Laut Gemeindeverwaltung würden die Abstände zwischen den Windenergieanlagen und den nächst gelegenen Wohnnutzungen unterhalb des Abstandskriteriums liegen, das der Landkreis im Rahmen der Aufstellung des Teilprogramms Windenergie im Rahmen des Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) festgelegt hat. Vom Baugesetz muss der Mindestabstand die zweifache Anlagenhöhe zwischen dem Mastfuß der Anlage und einer Wohnnutzung vorliegen, um eine optisch bedrängende Wirkung zu vermeiden. Laut Gemeinde sei das im vorliegenden Fall eingehalten.
Das Plangebiet sei durch die nahegelegene A1 vorbelastet und sei im räumlichen Zusammenhang mit dem nördlich der Autobahn gelegenen „Windpark Hollenstedt“ zu sehen. Bedeutet im Grunde: Die Bewohner sind bereits dem Lärm der Autobahn ausgesetzt und haben schon ein paar Windräder in Sichtweite.
"Zudem wird die Gemeinde am Ertrag der Windenergieanlagen finanziell beteiligt", lautet ein weiteres Argument der Verwaltung. Denn seitdem das neue Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) zum 1. Januar 2023 in Kraft trat, ist eine Zahlung von Windparkbetreibern an Gemeinden bis zu einem Höchstbetrag von 0,2 Cent pro Kilowattstunde zulässig.
Anwohnerfragen blieben unbeantwortet
Bei den Anwohnern aus Ochtmannsbruch, die zur jüngsten Fachausschuss-Sitzung der Gemeinde Hollenstedt gekommen waren, stoßen die Pläne weiter auf Unverständnis.
In der Sitzung hätten sie keine Antworten erhalten auf ihre Fragen erhalten wie:
- Warum hält sich die Gemeinde nicht an die Ausschlusskriterien des Landkreises zur Aufstellung von Windenergieanlagen?
- Warum hält sich die Gemeinde nicht an die vom Landkreis gesetzte Abstandsregel von mindestens 900 Metern zur Wohnbebauung? (Die Gemeinde plane nur 600 Meter Abstand zur Wohnbebauung.)
Das sagt der Landkreis
Das WOCHENBLATT fragte auch beim Landkreis Harburg zum Thema Windenergieanlagen und Vorrangflächen für Windkraft nach.
"Zu geplanten Anlagen können wir keine Aussage treffen. Die laufenden Planungen zum RROP weisen Flächen als Vorrangflächen für die Windkraftnutzung aus", sagt Kreissprecher Bernhard Frosdorfer.
Das sind derzeit:
- in Hollenstedt ca. 60 Hektar bei Stellheide und südlich der Autobahn
- in Dohren ca. 121 Hektar Richtung Südwesten zwischen Dohren und Kakenstorf
- in Heidenau. ca. 420 Hektar, vor allen Dingen im Nordwesten Richtung Ochtmannsbruch
Zwischen Heidenau und Dohren gibt es einen Antrag für ein Repoweringverfahren, die sieben Bestandsanlagen durch fünf neue Anlagen zu ersetzen (das WOCHENBLATT berichtete). Die „neuen“ Standorte befinden sich in den bereits vorhandenen Vorrangflächen. Weitere Anträge, die sich auf die aktuellen Planungen zum RROP stützen, lägen bislang nicht vor.
(siehe Artikel vom Oktober 2022)
Genehmigungsfähigkeit der Ochtmannsbrucher Anlagen
Zur Genehmigungsfähigkeit der Ochtmannsbrucher Anlagen sagt der Kreissprecher: "Wenn die Gemeinde bzw. die Samtgemeinde hierzu eine Bauleitplanung abschließt (bestehend aus einem geänderten Flächennutzungsplan und einem Bebauungsplan), wären die Anlagen gegebenenfalls genehmigungsfähig. Das Flächennutzungsplanverfahren wurde seitens der Samtgemeinde auf Antrag der Gemeinde eingeleitet. Der Landkreis hat deutlich gemacht, dass er seine Flächenplanung, insbesondere aus Gründen der Umzingelung, nicht zurücknehmen wird. Dies würde unterm Strich zu weniger Fläche führen. Die Entscheidung, die Umzingelung größer zu fassen, geht also letztlich auf die Samtgemeinde zurück."
Nicht im aktuellen Entwurf des RROP enthalten
Tatsächlich seien die Teilflächen teilweise wegen des „weichen Kriteriums Umzingelung“ nicht im aktuellen Entwurf des RROP enthalten. Vor der Gesetzesänderung wäre der Ausschluss der Flächen durch den Landkreis verbindlich gewesen, die Gemeinden hätten sich in ihren Planungen daran halten müssen.
Da sich durch das „Wind-an-Land-Gesetz“ und darauf bezogene Gesetze bzw. Verordnungen jedoch die Rahmenbedingungen für die Raumordnung geändert haben, seien parallele Planungen möglich.
Der Landkreis müsse auf seinem Gebiet die bis 2027 und 2032 vorgegebenen Flächenziele einhalten. Erst wenn diese erreicht seien - ob durch die Planungen des RROP und/oder durch kommunale Planungen - erhalte die Gebietskulisse des Landkreises „Ausschlusscharakter“, der aber weiterhin durch Bauleitplanungen der Kommunen umgangen werden könne. Lediglich eine Genehmigung an den Planungen des Landkreises und der Kommunen vorbei werde dann nicht mehr möglich sein. "Allerdings kann eine Genehmigung der Anlagen im nachfolgenden Genehmigungsverfahren natürlich auch wegen anderer Gründe versagt werden", erläutert der Kreissprecher.
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