Hohes Risiko, kaum Rendite
Ein Novum im Landkreis Harburg: Sandra Speer hat ein landwirtschaftliches Start-up gegründet
mi. Stelle. Betriebs-Neugründungen in der Landwirtschaft gibt es in der Region so gut wie keine. Warum das so ist, zeigt das Beispiel von Sandra Speer, die ihren gut bezahlten Job bei Airbus aufgab, um sich mit einem landwirtschaftlichen Start-up selbstständig zu machen.
Der einstmals bäuerlich geprägte Landkreis Harburg befindet sich seit Jahren in einem Strukturwandel: Gab es im Jahr 2007 noch 1.136 Agrar-Betriebe, sind es heute nur noch gut 860 - die Großen haben viele Kleine geschluckt. Da braucht es schon eine ganze Menge Optimismus, heute ein landwirtschaftliches Start-up zu gründen. Sandra Speer ging das Wagnis ein und investierte über eine Million Euro: Sie betreibt auf 22 Hektar sechs mobile Hühnerställe mit 4.200 Hühnern. Bald sollen es 6.400 Tiere sein, verteilt auf acht große und einen kleineren Stall. Diese Hühnerhaltung ist optimal den Erfordernissen der Legehennen angepasst. Die Tiere haben Auslauf und durch das Umstellen der fahrbaren Ställe immer wieder frische Wiesen am Stall. Der Betrieb beschäftigt drei Mitarbeiter. Die Eier verkauft der Händler als Freilandeier für 40 Cent das Stück. Zum Vergleich: Beim Discounter gibt es Eier aus großen Agrarkonzernen für 17 Cent pro Stück. Doch trotz des vermeintlich hohen Preises machte Sandra Speer bislang keine Gewinne.
Ortstermin: Sandra Speer steht vor einem ihrer Ställe, um sie herum scharren unzählige Hühner, einige Hähne stolzieren durch das großzügige Freigehege. "Die Tiere entscheiden selbst, ob sie drinnen oder draußen sind", sagt die Landwirtin. Die Haltung bekommt den Tieren gut. Antibiotika musste die Landwirtin noch nicht einsetzen. Die Eier aus der Produktion tragen das KAT-Zertifikat für "Alternative Tierhaltung". Mit dem Label ist die Landwirtin auch gleich beim Thema: Ein Zertifikat war nämlich Voraussetzung, dass sie ihre Eier überhaupt im Handel vermarkten durfte. Natürlich kostet es Geld, das Zertifikat zu bekommen. Vorschriften, Bürokratie, Richtlinien - vieles muss sie beachten, vieles ist mit Kosten verbunden.
Rückblick: Vor drei Jahren setzte Sandra Speer die Idee mit den mobilen Ställen in die Tat um. Die Eier verkauft sie heute von Stelle bis Hamburg im Handel. Für den Aufbau des Betriebs hat die angehende Landwirtin EU-Fördergelder erhalten. Einmalig bekam sie einen sogenannten Investitionskostenzuschuss: Mit Rund 360.000 Euro förderte die EU den Betrieb. Doch trotz dieser Mittel schrieb der Betrieb in den ersten Jahren nur rote Zahlen. "Hätte ich nicht vielfältige Unterstützung erhalten, hätte ich gleich wieder dicht machen können", sagt die Start-up-Gründerin.
"Ohne Subvention ist es kaum noch möglich, einen landwirtschaftlichen Betrieb zu gründen, von dem man leben kann", erklärt dazu auch Ulrich Peper von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Er rechnet vor: Einen Arbeitsplatz inklusive Technik in der Landwirtschaft zu schaffen, kostet zwischen 300.000 und 500.000 Euro. Damit sich ein Betrieb lohnt, braucht er aber eine gewisse Größe. Wer es nicht schafft, diese hohen Investitionskosten wieder zu erwirtschaften, dem geht schnell die Luft aus.
Diese Subventionen oder Investitionskostenzuschüsse sind keine Staats-Geschenke, sondern an knallharte Bedingungen geknüpft. Das beginnt schon bei der Beantragung. Die ist so kompliziert, dass Sandra Speer - wie wohl fast alle ihrer Kollegen - ein Fachbüro damit beauftragen musste. Als das Geld floss, waren damit diverse Auflagen verbunden. So musste die Landwirtin innerhalb von zwei Jahren gleich alle Ställe kaufen, ohne sie nutzen zu können. Realistisch ist laut Speer, ungefähr zwei Ställe pro Jahr mit Hühnern zu belegen. Die weiteren Ställe schlugen sich in der Bilanz als deutlicher Minusposten nieder.
Der Vertrieb der Eier warf die nächsten Probleme auf. Heute hat die Landwirtin im lokalen Handel Partner gefunden. Doch ihre erste Produktion wurde sie trotz vorheriger Abnahmezusagen nicht los. Dem Händler war die Gewinnspanne plötzlich zu niedrig. "Von dem Preis konnte ich aber auch nichts ablassen", so die Landwirtin. Sandra Speer blieb auf einer ganzen Produktion sitzen. Nur durch Zufall fand sie noch einen Käufer, sodass zumindest die Produktionskosten gedeckt waren.
Sandra Speer: "Ich bereichere mich nicht an den 40 Cent pro Ei und habe auch nicht ausgesorgt durch die Subventionen. Durch die Fördergelder ist der Preis von 40 Cent pro Ei überhaupt nur möglich." Mittlerweile geht es mit dem Betrieb aufwärts, in der letzten Bilanz stand das erste Mal kein Minus. Verrechnet mit den Abschlüssen aus dem Vorjahr ist es für Sandra Speer aber noch ein weiter Weg, um von ihrem Start-up leben zu können.
Redakteur:Mitja Schrader |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.