Er verspachtelt die "Knicks" im Asphalt
bc. Bliedersdorf. Lebensmittel-Kontrolleur, Veterinär, Archäologe: Beim Landkreis Stade arbeiten ca. 800 Menschen, bei weitem nicht alle im Büro. Das WOCHENBLATT stellt im Rahmen der Serie „Jenseits der Akten“ diverse Berufe vor. Heute: Straßenwärter.
Robert Gellert ist ein Mann, der auf Anhieb sympathisch wirkt. Während er dem WOCHENBLATT-Reporter von seiner Arbeit erzählt, ist ihm ein spitzbübisches Lächeln ins Gesicht gemeißelt. Dem 27-Jährigen scheint der Job Freude zu bereiten. Der Mann aus Hamburg ist gelernter Straßenwärter, seit fünf Jahren bei der Straßenmeisterei des Landkreises in Bliedersdorf angestellt und seit Kurzem in der Position des Streckenwarts für den Zustand der Kreisstraßen mitverantwortlich. Er sagt: „Der Beruf macht mir Spaß. Er ist abwechlungsreich, ich bin viel an der frischen Luft.“
Aber vor allem ist der Job eines: krisensicher! Ist ein Schlagloch geflickt, ist ein anderes aufgeplatzt. Robert Gellerts Aufgabe ist es, die Mängel haarklein zu dokumentieren und an seine Kollegen weiterzugeben - die anderen 18 Straßenwärter in Bliedersdorf, damit sie die Löcher reparieren.
Bis zu 160 Kilometer ist Robert Gellert täglich unterwegs. Mit geschultem Blick scannt er die Fahrbahn ab: Gibt es Risse im Asphalt? Muss eine Gosse gepflastert werden? Ist ein Schild geklaut? Fehlt ein Leitpfosten oder behindern Baumäste den Verkehr? Müssen Radwege vom Laub befreit werden?
Handschriftlich notiert er Arbeitsaufträge mit Kilometerangabe in einem Streckenbericht - ein Vordruck, der locker aus der Schreibmaschinen-Ära stammen dürfte. „Ein Laptop wäre schon schön“, schmunzelt Robert Gellert. Dann müsste er abends nicht alle Notizen am PC übertragen.
Drei Fahrzeug-Kolonnen aus Bliedersdorf sind von Montag bis Freitag unterwegs, um knapp 200 Kilometer Kreisstraßen zu betreuen. Wir treffen ein Straßenwärter-Team auf der K73 zwischen Immenbeck und Moisburg.
Hier reihen sich kleinere Schlaglöcher wie Perlen auf einer Schnur aneinander. Wieviele solcher „Knicks“ im Asphalt sie heute schon ausgebessert haben, können die Arbeiter nicht mehr zählen. „Es dürften mehr als 100 gewesen sein“, sagt einer.
Ein Schlagloch mit sogenanntem Kaltasphalt - einem pechschwarzen Mineralgemisch mit der Konsistenz von Spachtelmasse - zu stopfen, dauert nur wenige Sekunden.
Natürlich legt Robert Gellert auch selbst Hand an. Gelernt ist schließlich gelernt. „Das geflickte Loch platzt selten an gleicher Stelle wieder auf. Es hält also nicht nur bis zum nächsten Winter, wie viele denken“, stellt Robert Gellert klar.
Apropos Winter: Die vergangenen zwei Jahre waren weniger von großen Schneemassen geprägt. Ein Fakt, der Robert Gellert nicht gestört hat. Andernfalls müssten er und seine Kollegen gegen 3 Uhr nachts aus den Federn, um die Fahrbahnen frei zu räumen. „Gestreut haben wir aber auch in diesem Winter nicht zu knapp“, sagt er.
So abwechslungsreich sein Job auch ist, ungefährlich ist er nicht immer. Vor allem, wenn sich rücksichtslose Auto- oder Lkw-Fahrer von den Straßenwärtern ausgebremst fühlen - oft beobachtet auf der K39 an der Elbe. Pöbeleien und Hupkonzerte sind noch harmlos. Bedrohlich wird es aber, wenn waghalsige Überholmanöver die Mitarbeiter der Straßenmeisterei gefährden. „Wir versuchen meistens hinter unseren Fahrzeugen zu arbeiten, um einen Schutz zu haben“, erzählt Robert Gellert.
An der K39 kam er neulich auch ins Gehege mit einem seiner Kreis-Kollegen von der Verkehrsüberwachung. Allerdings war dies eher eine Begegnung der amüsanteren Art. Weil ein Leitpfosten herausgerissen war, stoppte Robert Gellert, um ihn mit festem Schlag wieder in den Erdboden zu hämmern. Dass der Messbeamte des Landkreises den Pfosten extra herausgezogen hatte, um seine Radarfalle besser positionieren zu können, konnte Robert Gellert da noch nicht wissen.
Stichwort Leitpfosten: Die gute Nachricht für alle Straßenwärter angesichts des bevorstehenden Vatertags kommt zum Schluss. Robert Gellert ist erleichtert: „Die Unsitte, bei Vatertagstoren Leitpfosten mitzunehmen, hat sich im vergangenen Jahr wieder gelegt.“ Hoffentlich bleibt es dabei.
• Im nächsten Teil unserer Serie: die „Wildmüll-Fahnderin“
Sanierungsplan
In diesem Jahr plant der Landkreis noch folgende Sanierungsmaßnahmen:
• K39 in Borstel in Fahrtrichtung Stade auf 6 km im Juni und Juli (650.000 Euro)
• K82 in Kranenburg ab August (400.000 Euro)
• Radwege an der K39 in Grünendeich (250.000 Euro) und an der K80 in Groß Sterneberg (250.000 Euro)
• Darüber hinaus laufen derzeit sog. Dünnbeschichtungen im Kehdinger Land (K62, K42, K45, K81), die im Sommer im Alten Land fortgesetzt werden (K83, K38). Kosten: 300.000 Euro.
Daten und Fakten
Insgesamt verfügt der Landkreis Stade über zwei Straßenmeistereien, eine in Bliedersdorf und eine in Drochtersen. An beiden Standorten arbeiten zusammen 39 Personen. Sie kümmern sich um ein Streckennetz von ca. 380 Kilometer Kreisstraßen. Zudem kontrollieren sie zweimal im Jahr 260 Kilometer Radwege sowie ca. 50 Brückenbauwerke plus Spundwände. Zum Fuhrpark gehören zwei Lkw, vier Unimog, acht Kolonnen- und zwei Radwegfahrzeuge sowie zwei Pkw für die Bauwarte.
Redakteur:Björn Carstens aus Buxtehude |
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