"Ist das etwa Gerechtigkeit?" - Buxtehuder Amtsgericht verhängt milde Strafe für Verkehrsrowdy: Jetzt meldet sich die Geschädigte zu Wort
(jd). "Ist das etwa gerecht?" - Dagmar Ziehm zweifelt an der Rechtssprechung: In einem Verfahren, bei dem sie und ihr Mann die Geschädigten sind, wurde der Täter kürzlich zu einer Geldstrafe von 700 Euro verurteilt. An dem Pkw der Ziehms entstand ein Schaden von rund 2.600 Euro. Sie haben einen Anwalt eingeschaltet. Doch es wird wohl kaum etwas von dem mutmaßlichen Verursacher zu holen sein: Der Mann aus Stade ist Hartz-IV-Empfänger.
Als Dagmar Ziehm im WOCHENBLATT von "ihrem" Fall las, stieg noch mal der ganze Ärger in ihr auf: Das Buxtehuder Amtsgericht verhängte gegen den 39-jährigen H. lediglich eine Strafe von 70 Tagessätzen à 10 Euro - und das gleich für vier Taten: Der Verurteilte fuhr ohne Führerschein und mit 2,7 Promille Alkohol im Blut, beleidigte Polizeibeamte und widersetzte sich seiner Festnahme. Ort des Geschehens war der Carport der Ziehms: Dort wollte sich der Mann mitten in der Nacht vor der Polizei verstecken, die ihm dicht auf den Fersen war.
Es kam zwischen den geparkten Autos zu einer handfesten Rangelei. Erst als ein Beamter den Täter in den Schwitzkasten nahm, klickten die Handschellen. Bei dem Gerangel wurde Dagmar Ziehms BMW mehrfach beschädigt: "Auf der linken Seite waren einige Dellen und Kratzer im Lack", berichten die Ziehms. Von dem nächtlichen Vorfall hatten sie nichts mitbekommen. Erst die Nachbarn machten sie am nächsten Morgen auf die Schäden aufmerksam. "Wir hätten erwartet, dass die Beamten bei uns klingeln und Bescheid sagen, was passiert ist", meint das Ehepaar.
Doch Fehlanzeige: Die Polizei meldete sich nicht. "Ohne den Hinweis unserer Nachbarn hätten wir gar nicht gewusst, wie der Schaden entstanden ist", ärgert sich Dagmar Ziehm. Ihr Mann erstattete Anzeige wegen Sachbeschädigung. Doch die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren ein. Begründung: H. ist kein vorsätzliches Handeln nachzuweisen. "Der Beschuldigte ist ja nicht mit der Absicht zu dem Carport geflüchtet, ein Auto beschädigen zu wollen", erklärt der Sprecher Staatsanwaltschaft, Kai Thomas Breas.
"Wenn der Verursacher schon nicht strafrechtlich zu belangen ist, soll er zumindest unseren Schaden begleichen", verlangt Dagmar Ziehm. Zunächst sei ihre Vollkasko-Versicherung eingesprungen - bei einer Selbstbeteiligung von 500 Euro. Indirekt müssen die Ziehms aber dennoch mehr zahlen: Sie sind in der Versicherungsprämie deutlich hochgestuft worden - nach 35 schadensfreien Jahren. "So sieht eben Gerechtigkeit aus," zieht Dagmar Ziehm ein bitteres Fazit: "Der Geschädigte ist meist der Dumme."
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