Ärztemangel im Landkreis Harburg - nur gefühlt?
21 Hausärzte fehlen
Lange Wartezeiten auf einen Termin sind fast schon normal, Schwierigkeiten, überhaupt einen neuen Hausarzt zu finden, an der Tagesordnung: Das kennen viele Menschen im Landkreis Harburg. Es fehlt an niedergelassenen Allgemeinmedizinern. Aktuell könnten im Landkreis Harburg mindestens 21 neue Hausärzte eine Praxis eröffnen, teilte Kreissprecherin Katja Bendig mit - wenn es denn welche wollten. Und: Die Situation wird in den kommenden Jahren kaum besser werden: Ein Drittel der Hausärzte im Landkreis steht mit einem Alter von 60 Jahren oder älter kurz vor dem Ruhestand, landesweit liegt der Altersdurchschnitt bei Hausärzten bei 55,5 Jahren.
Keine Unterversorgung im Landkreis
Überraschend: Offiziell gibt es laut Kassenärztlicher Vereinigung Niedersachsen (KVN) im Landkreis keine Unterversorgung mit Hausärzten. Denn in den drei sogenannten "Mittelbereichen" des Landkreises Harburg fehlen zwar Hausärzte, von einer Unterversorgung spricht die KVN aber erst bei einem Versorgungsgrad von unter 75 Prozent. Im Landkreis Harburg liege dieser aber mit Werten zwischen 93,7 Prozent (Bereich Buchholz) und 104,7 Prozent (Bereich Harburg-Nord) deutlich darüber, der Bereich Winsen liege mit 94,4 Prozent in der Mitte. Also nur ein "gefühlter" Mangel?
Das mag man kaum glauben. Denn viele Landkreisbewohner haben Schwierigkeiten, einen Hausarzt zu finden. Der Rat der KVN: weitersuchen! "Suchen Sie im Internet unter www.arztauskunft-niedersachsen.de nach Hausärzten in ihrer Umgebung und kontaktieren Sie die Praxen telefonisch. Lassen Sie sich über die Telefonnummer 116117 eine Hausarzttermin durch die KVN vermitteln. Fragen Sie Bekannte oder andere Ärzte nach Hausarztterminen", rät KVN-Sprecher Detlef Haffke.
Es werden zu wenig Ärzte ausgebildet
Haffke betont aber auch, dass grundsätzlich zu wenig Mediziner ausgebildet würden. "Die KVN drängt schon seit Langem darauf, die seit Jahrzehnten immer weiter zusammengekürzten Kapazitäten der medizinischen Fakultäten zur Sicherstellung des medizinischen Nachwuchses aufzustocken. Hier wurde leider zu viel Zeit verschwendet", sagt er. Selbst wenn jetzt mit Volldampf ausgebildet würde - mit einer Besserung der Lage sei frühestens ab 2035 zu rechnen.
Warum ist das Landleben so unbeliebt bei den jungen Medizinern? Auch bei der Besetzung von Arztsitzen heißt das Zauberwort nach Haffkes Ansicht "Work-Life-Balance". Es ginge darum, ob der Partner des Arztes einen passenden Arbeitsplatz finde, um Kindergärten, Schulen und um die Anzahl der Bereitschaftsdienste am Abend oder am Wochenende, aber auch darum, ob Busse und Bahnen oft genug fahren, ein gutes Freizeitangebot vorhanden ist und die Kooperation mit anderen Ärzten klappen kann.
Landarztpraxis nicht attraktiv
Eine eigene Landarztpraxis sei für viele nicht attraktiv, weil die Erlöse im Verhältnis zu den hohen Investitionen für niedergelassene Hausärzte geringer als bei angestellten Ärzten seien. Und die bürokratischen Hürden und Auflagen für Landärzte seien zu hoch.
Was wird gegen den Mangel getan? Bereits seit 2012 läuft die Kampagne „stadtlandpraxis“, eine Gemeinschaftsinitiative des Landkreises Harburg mit den örtlichen Kliniken, der Kassenärztlichen Vereinigung, den Gemeinden und rund 110 niedergelassenen Hausärzten. Es geht darum, Mediziner in die Region zu holen. In den vergangenen zehn Jahren konnten nach Aussagen Bendigs 57 niedergelassene und angestellte Ärzte sowie 33 Weiterbildungsassistenten, also Ärzte auf dem Weg zum Facharztabschluss, für den Landkreis gewonnen werden.
Stipendium für Medizinstudenten
Seit 2020 werden auch Medizinstudenten angelockt: Sie können ein Stipendium beantragen, wenn sie sich nach Abschluss ihrer Ausbildung verpflichten, fünf Jahre als Hausarzt im Landkreis zu arbeiten. Außerdem gibt es seit 2020 mehr Zuschüsse für Ärzte, die sich als Hausärzte niederlassen, eine Zweigpraxis gründen oder eine Anstellung bieten. Insgesamt 32 Ärzte haben die Förderung in Anspruch genommen, vier angehende Mediziner erhalten derzeit ein Stipendium.
Zu den offiziellen Förderregionen der KVN gehört der Landkreis Harburg aber noch nicht. Sonst könnte die Ansiedlung von Ärzten außerdem mit einem Zuschuss der KVN von jeweils bis zu 75.000 Euro unterstützt werden. Das würde nicht nur für niedergelassene Hausärzte gelten, sondern auch für Hautärzte, denn die sind ebenfalls knapp.
Eine Gelegenheit, junge Mediziner für eine hausärztliche Tätigkeit zu gewinnen, ist der Hamburger Kongress „Operation Karriere“, an dem sich die Initiative "stadtlandpraxis“ beteiligt, wie Reiner Kaminski, Fachbereichsleiter Soziales beim Landkreis Harburg und Initiator von "stadtlandpraxis", erklärt. „Der Kongress gibt uns die Möglichkeit, direkt mit Studierenden und jungen Medizinerinnen und Medizinern in Kontakt zu kommen."
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