Fahrradbörse Jesteburg/Bendestorf
Alte Schätzchen mit zwei Rädern gesucht
Ernst Weber aus Jesteburg und Henk Hintze aus Handeloh sind große Fahrradenthusiasten. Gemeinsam bilden sie den Kern des "Teams Fahrradbörse", frischen alte Räder wieder auf, sodass manch angestaubter Kellerfund noch eine Zukunft als beliebtes Fortbewegungsmittel für Geflüchtete haben kann. Aktuell suchen die beiden wieder Fahrräder - für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Denn vor einigen Wochen sind in Bendestorf geflüchtete Familien angekommen, und die möchten sie gern versorgen.
Ernst Weber ist seit seiner Jugend begeisterter Radfahrer, hat sämtliche norddeutschen Wanderradwege abgefahren und ist tausende Kilometer durch die kanadische Wildnis geradelt. "Ursprünglich wollte ich von Ozean zu Ozean fahren, aber der kanadische Sommer war dann doch zu kurz dafür." Knapp 4.000 Kilometer fehlen ihm noch, vielleicht will er das irgendwann nachholen. Und auch Henk Hinze aus Handeloh schraubt schon seit er fünf Jahre alt wurde an den Drahteseln herum, einmal dergestalt, dass seine Mutter böse wurde: "Ich hatte das Fahrrad meines Bruders zerlegt und bekam es nicht mehr recht zusammen." In der Zeitung hatte er vor Jahren gelesen, dass Helfer gesucht würden. "Ich fand: Die Fahrradbörse passt gut zu mir."
"Wir können aktuell bis zu 30 Fahrräder gebrauchen", sagt Weber, der sich seit Jahren ehrenamtlich engagiert. "Unter den Geflüchteten sind auch zehn Kinder und Jugendliche, die gern Rad fahren würden", ergänzt Henk Hinze aus Handeloh. Gemeinsam kümmern sie sich darum, dass Bremsbeläge erneuert, Licht anlagen ersetzt, Reifen aufgepumpt und Ketten gespannt werden. "Wir können auch mal eine Kette erneuern, aber wir haben nur ein wirklich kleines Budget", erklärt Weber, warum gespendete Fahrräder halbwegs fahrbereit sein sollten. Denn die Geflüchteten zahlen nur 30 Euro für jedes Rad, mehr können sie sich in der Regel nicht leisten.
Und manchmal ist auch erstmal etwas Unterricht erforderlich. Ernst Weber erinnert sich, dass er auch Informationen über die hiesigen Verkehrsregeln liefern musste. Er besorgte sich bei der Polizei Unterrichtsmaterial und hielt theoretischen Unterricht. Dann organisierte er auch eine praktische Einführung durch Jesteburg, mit Kreuzungen, Kreisverkehr und Einbahnstraße. "Gerade die Kinder, aber auch Erwachsene, sind mit unserer Verkehrsdichte und dem Tempo oft überfordert", hat er festgestellt. "Ein Wunder, dass da nicht mehr passiert ist."
Ersatzteile besorgt Weber überwiegend gebraucht aus dem Internet. Das sei aber heutzutage gar nicht mehr so einfach, da es so viel mehr verschiedene Spezialräder gebe als früher, erklärt Weber: Der Sattelträger eines Mountainbikes passe ja schließlich nicht für ein Rennrad, ein Tourenrad ist anders konstruiert, als ein Sportrad.
Geschraubt wurde bisher in einer Werkstatt beim Bauhof in Jesteburg. "Wir sind der Gemeinde sehr dankbar, dass das so gut funktioniert hat", sagt Weber. Jetzt passe es aber leider beim Bauhof nicht mehr: Im Winter würden viele Bauhof-Tätigkeiten nach drinnen verlegt, sodass der Raum gebraucht würde. Und fürs draußen Basteln ist es langsam zu kalt. "Nach einer Stunde können Sie keine feinmotorischen Fingerbewegungen machten", weiß Weber aus Erfahrung. Stattdessen wird die Fahrradbörse in Zukunft in Bendestorf in einem gebrauchten Schiffscontainer untergebracht, kündigt Weber an. "Ich hätte schon eine Idee, wo der stehen könnte, aber das muss alles noch planungsrechtlich abgestimmt werden."
Warum setzen die beiden Fahrradexperten soviel Energie für die Fahrradbörse ein? Beide wollen einfach helfen. Und man erfahre auch sehr viel Dankbarkeit, berichten Weber und Hinze. Gerade habe ein Mädchen rübergewunken, dass einmal ein Fahrrad von der Fahrradbörse bekommen habe. Und manche interessieren sich auch dafür, wie man ein Fahrrad repariert: Als Henk Hintze kürzlich einer Mutter mit vier Kindern bei der Reparatur half, habe sich ein junger Man gleich dazugesellt und gefragt, wie das denn ginge.
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