Extrem-Umleitungen: Jesteburger sahen rot
Anarchie rund um den Kreisel
Drei Tage Ausnahmezustand rund um Hauptstraße, Lüllauer Straße und Brückenstraße (das WOCHENBLATT berichtete): Wegen Nachbesserungsarbeiten musste der Kreisel in der Ortsmitte erneut gesperrt werden. Eine Umleitungsmöglichkeit gab es nur von Norden nach Süden über die - damit der Heide-Shuttle durchkommt - zu Einbahnstraßen gemachten Straßen Seevestraße und Moorweg. Wer auf legalem Wege den nördlichen Ortsteil, Bendestorf oder Harmstorf erreichen wollte, musste drei Tage lang jeweils 20 Kilometer mehr fahren - über Lüllau, Reindorf und Buchholz.
Häme und Spott bei Facebook
Die Jesteburger brachte das richtig in Rage: "Wilder Westen", "Totales Verkehrschaos" und "Katastrophe" sind nur einige häufig genannte Stichworte, manche machen aufgestautem Ärger zum Beispiel auf Facebook mit Häme und Spott sowie Beleidigungen gegenüber den Planern Luft ("Will man eigentlich testen, wie weit man gehen kann, oder wer hat das zu verantworten?", "Ich kann nicht mehr ... katastrophal … da hat jemand gedacht, dass wenn eine Vollsperrung ist, alle Menschen einfach zu Hause bleiben …", "Der reine Schildbürgerstreich!").
Einige schrieben unflätige E-Mails über die Planer an die WOCHENBLATT-Redaktion ("Das kann sich auch nur jemand ausdenken, der in der Schule nur Tuschen und Religion und seinen Namen klatschen kann hatte!")
Anarchie im Verkehr: Schilder vielfach ignoriert
Und so mancher fühlte sich angesichts des nötigen Umwegs nicht an geltendes Recht gebunden: Nicht nur Motorradfahrer ignorierten Absperrungen an der Baustelle und hinterließen Reifenspuren im noch weichen Asphalt, man bretterte ohne Rücksicht auf Verluste über Bürgersteige, ignorierte die Einbahnstraßenschilder, blockierte die vielfach als "Schleichweg" missbrauchte Riedbahn verkehrswidrig mit dem Auto, verrückte Schilder und Absperrungen.
Die normalerweise für Anwohner reservierte enge Straße wurde von der Polizei für die drei Tage der Sperrung allerdings offiziell für alle freigegeben, erkennbar an dem durch einen blauen Plastiksack temporär verhüllten "Einfahrt-verboten-" und "Anlieger-frei-Schildern".
Bendestorf war drei Tage schwer erreichbar
Nicht nur in Jesteburg war man richtig sauer: Eine Asendorferin, die regelmäßig eine alte Dame in Bendestorf betreut, stellte fest: "Keine Chance, auf direktem Weg von Asendorf nach Bendestorf zu kommen!" Denn: Auch die Strecke über Marxen - Ramelsloh - Harmstorf nach Bendestorf ist wegen der langwierigen Bahnbrückensperrung zwischen Ramelsloh und Harmstorf - übrigens bis März 2025 - dicht.
Sven Asbarg aus Marxen klagte über abgeschnittene Verbindungen zur in den Ferien besonders nötigen Tagespflege in Bendestorf. "Leute, wir haben keine Schule! Mein Sohn muss zur Tagesmutter nach Bendestorf, und ich bin gezwungen von Marxen über Hittfeld nach Bendestorf zu fahren."
Landkreis hat nicht allein entschieden
Entschieden hatte der Landkreis über die Sperrung, die Einbahnstraßen und die fehlende ortsnahe Umfahrung. Doch alleinverantwortlich ist man dennoch nicht, sagt Kreissprecherin Katja Bendig. "Hier wurden – wie bei jeder Maßnahme - die Belange der Gemeinde und der ebenfalls betroffenen KVG abgefragt und entsprechend berücksichtigt." Hat man daran gedacht, dass viele Jesteburger jetzt extrem lange Umwege fahren mussten? "Aufgrund der Gegebenheiten waren andere räumliche Möglichkeiten zur Umfahrung leider nicht vorhanden und die Baumaßnahme war zeitnah erforderlich. Zudem handelt es sich hier um eine Bauzeit von lediglich drei Tagen", so Bendig weiter.
Kurzfristige Maßnahme verhindert Koordinierung
Waren die Planungen mit anderen Sperrungen im Landkreis koordiniert worden? Bendig erklärt das unglückliche Zusammentreffen vieler Baustellen so: "Die Gewährleistungsarbeiten am Kreisel L213 traten nachträglich ein und mussten zeitnah durchgeführt werden. In einem solchen Fall ist es – anders als bei Maßnahmen, die mit einem gewissen zeitlichen Vorlauf geplant werden können – nicht immer möglich, ideale Lösungen bei der Verkehrsregelung zu finden."
Auch die Gemeinde Jesteburg hatte gehofft, rechtzeitige Information reiche aus, damit die Bürger mit der Kreisel-Vollsperrung klarkommen. Gemeindesprecher Stefan Ahrens: "Die Verwaltung bedauert die Unannehmlichkeiten für die Autofahrer und hatte gehofft, dass durch die rechtzeitige Information über Homepage und Presse eine bessere Vorbereitung auf die Situation möglich ist."
Kosten und Zeitverlust für Pflegedienste und Patienten
Betroffen war auch der AHD-Pflegedienst von Ole Bernatzki, der möglichst pünktlich seine Patienten versorgen wollte. "Natürlich hat niemand im Vorfeld mit uns gesprochen. Dieses Problem ist jedoch nicht nur ein Jesteburger Phänomen, sondern betrifft den gesamten Landkreis Harburg und alle Pflegedienste", so Pressesprecher Joachim Meyer. Ob Brückenneubau in Ramelsloh, der Kreiselneubau in Tostedt oder die Sperrung der Brücke über den Bahnhof Maschen – grundsätzlich würden weder der AHD noch die Mitbewerber informiert. "Es scheint den Kreis schlichtweg nicht zu interessieren."
Dabei begrüße man Infrastrukturmaßnahmen ausdrücklich, aber die Pflegedienste müssen in die Planungen einbezogen werden. Ole Bernatzki: "Ich habe unzählige Male mit dem Kreis telefoniert und um Lösungen wie zum Beispiel Durchfahrtsgenehmigungen gebeten. Doch dieses Anliegen wurden immer abgelehnt. Pflegedienste haben einen Versorgungsauftrag – das scheint den Landkreis jedoch nicht wirklich zu interessieren. Es macht mich fassungslos, wie man mit uns umgeht. Ich denke, unser Landrat sollte die Pflege endlich als Chefsache behandeln." Übrigens: Die Kosten für die Umwegkilometer werden nicht von den Pflegekassen erstattet.
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