Reise in die Vergangenheit
Angela Löding (83) aus Harmstorf kann ihre Vorfahren 36 Generationen zurückverfolgen
as. Harmstorf. Sogar eine Heilige zählt zu ihren Vorfahren: Angela Löding (83) aus Harmstorf hat zehn Jahre lang ihren Stammbaum erforscht. Die Adlige "Plektrudis" ist der Endpunkt ihrer Forschung. "Mein Ziel war, nicht zu sehr ins Detail zu gehen, sondern möglichst weit in der Zeit zurück", erklärt Angela Löding. Das ist ihr gelungen, bis ins Jahr 660 hat sie in 36 Generationen ihre Ahnen zurückverfolgen können. "Über manche meiner Vorfahren könnte man noch weiter in die Vergangenheit gehen, aber vor 660 ist doch vieles sagenhaft." Zwischen 660 und 725 hat Plektrudis gelebt, aufgrund ihrer Schenkungen an Kirchen und Klöster wurde sie nach ihrem Tod als Heilige verehrt.
Angela Löding wächst nach dem Zweiten Weltkrieg in ärmlichen Verhältnissen in Hamburg auf. Die Mutter Gudrun Adelheid Eugenie Richter, eine Tänzerin, muss Angela und ihre zwei Geschwister nach ihrer Scheidung zunächst allein durchbringen. Ihre Großmutter Adeline Eugenie Clothilde Geisler, eine Schauspielerin, erzählte den Enkeln von vergangenen Zeiten und gut situierten Vorfahren. "Zum Beispiel wurde uns erzählt von einem 'Gulden-Wachs' aus Hanau", erinnert sich Angela Löding. Vom Glanz vergangener Tage zeugt ein Zitronenholzschränkchen, das bestickte Taschentücher, einen Rest feines Parfum und Lederhandschuhe enthält. "Für mich war das Schränkchen der Beweis, dass es in unserer Familie früher eine wohlhabendere Zeit gegeben haben muss", sagt Löding.
Angela Löding und ihr Ehemann Rainer führen viele Jahre in Harmstorf ein Geschäft für Wein- und Tischkultur. Nachdem sie sich 2010 zur Ruhe gesetzt haben, erwacht Angela Lödings Interesse an der Vergangenheit. Löding hat das große Glück, dass der Familie einige historische Dokumente erhalten geblieben sind, zum Beispiel eine Urkunde über die Beförderung ihres dreimaligen Urgroßvaters aus dem Jahr 1700, der Abdruck eines Siegelrings oder ein Brief von 1888.
Ausgehend von Erzählungen, Erinnerungen und Dokumenten macht sich Angela Löding an die Arbeit. Mit Fachliteratur zur Genealogie verschafft sie sich einen Überblick, wie man mit der Ahnenforschung anfängt. "Wichtig ist, alle, die in der Familie noch zur Verfügung stehen, zu fragen, ob sie historische Dokumente haben", sagt Löding. Von Vorfahr zu Vorfahr arbeitet sie sich in der Geschichte zurück.
Wenn sie nicht sicher ist, ruft sie kurzerhand Rathäuser oder Geschichtsvereine in den Orten an, in denen sie Verwandtschaft vermutet. Sie recherchiert viel vor Ort, bittet Archive um Informationen. Das Paar unternimmt viele Reisen quer durch Deutschland, nach Polen und in das Baltikum: "Es gab einige Orte, von denen wir wussten, dass meine Vorfahren dort in einem bestimmten Gebäude gelebt haben. Da sind wir einfach mal hingefahren und haben geklingelt, oder wir haben uns ortskundige Führer gesucht, die uns mehr zur Geschichte der Orte und ihrer Einwohner erzählen konnten", berichtet Löding. Die Harmstorferin hat zudem großes Glück: Ein entfernter Verwandter ist Genealoge und hat bereits einen Teil der Familiengeschichte in Hessen erforscht.
Was die Erzählungen um den familienintern "Gulden-Wachs" genannten Mann aus Hanau angeht, so handelt es sich um Dr. phil. Johann Georg Wachs (1779-1834), zu seiner Zeit einer der reichsten Männer Hessens. Zu Angela Lödings illustren Verwandten gehört "Der Rebell von Königsberg", Hieronymus Roth (1606-1678), ebenso wie Kaiser Heinrich der IV. (1050-1106) und der Dänische König Harald Blauzahn (910-987). Auch drei als Hexen getötete Frauen zählen zu ihren Vorfahren, Löding bemüht sich heute um deren Rehabilitierung.
"Man findet so viel heraus. Als ich von Hamburg nach Harmstorf gezogen bin, wusste ich nicht, dass meine Vorfahren schon hier ansässig waren", berichtet Löding. Frederuna und Irma, Töchter eines Grafen, haben 960 das Kloster Kemnade in Bodenwerder gegründet, in dessen Besitz die Ortschaft Bendestorf fiel - ein Nachbarort Harmstorfs. "Ich bin also gar keine Zugezogene, sondern hier verwurzelt", schmunzelt Löding.
Im vergangenen Jahr hat sie gemeinsam mit Grafikdesignerin Barbara Borgstädt das Layout für ihre Texte erarbeitet. Herausgekommen ist ein 550-Seiten starkes Buch, das neben dem Familienstammbaum viele Fotos von Dokumenten, Vorfahren und Schauplätzen enthält. Löding hat einige Exemplare drucken lassen, die nur für ihre Familie und befreundete Genealogen und Geschichtsvereine bestimmt sind.
Angela Löding möchte mit ihrer Geschichte anderen Senioren Mut machen, auch in hohem Alter tolle Projekte umzusetzen. "Ahnenforschung ist ein tolles Hobby. Man hat ein Ziel und ist beschäftigt - und das auch in Corona-Zeiten."
Eine Nummer für jeden Ahnen
Um nicht den Überblick über 36 Ahnengenerationen zu verlieren, verwendet Angela Löding sogenannte Kekule-Nummern: Sie selbst erhält die 1. Davon ausgehend, erhält jeder Vater einer Person den doppelten Wert, jede Mutter einer Person den doppelten Wert plus eins.
Ihr Vater erhält also die Nummer 2, ihre Mutter Nummer 3. Die Großeltern auf der väterlichen Seite tragen die Nummern 4 und 5, auf der mütterlichen Seite Nummer 6 und 7 usw.
Redakteur:Anke Settekorn aus Jesteburg |
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