Diskussion um Bossard-Erweiterung
"Die Bossards waren nie NSDAP-Mitglieder"
Museumsleiterin Dr. Gudula Mayr nimmt Stellung zum Vorwurf, Bossard habe mit den Nazis sympathisiert.
mum. Jesteburg. Die Mega-Erweiterung der Kunststätte Bossard zur "Kunsthalle der Nordheide" ist umstritten. Zuletzt hatte die UWG Jes! angekündigt, das Elf-Millionen-Euro-Projekt abzulehnen. "Für uns ist das Konzept aus ökologischer, gesellschafts- und verkehrspolitischer Sicht nicht zu verantworten", so UWG-Jes!-Vorsitzender Hansjörg Siede, der die Pläne als "Disneyland der Nordheide" bezeichnete (das WOCHENBLATT berichtete). Doch nicht nur die Dimensionen sorgen für Kritik. Politiker und Experten fürchten, dass die Kunststätte zu einem Wallfahrtsort für Nationalisten werden könnte - darunter Dr. Ingo Engelmann und Kreistagsmitglied Dr. Jörn Lütjohann (CDU). Bei einer Frankreich-Reise mit Studenten im Jahr 1938 habe Bossard, der Professor an der damaligen Hamburger Kunstgewerbeschule war, laut Engelmann das "nordische Erbe" heraufbeschworen, "Kulturbolschewismus" und "Emigranten-Hetzblätter" beklagt. "Nachdenklichkeit zur Rassenfrage" habe Bossard ebenso umgetrieben wie das "nordische Bluterbe". Lütjohann: "Entscheidend ist die Frage, wie viele Millionen Euro eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft bereit ist, für einen Kunsttempel ihres Feindes auszugeben."
Nun hat Kunststätten-Leiterin Dr. Gudula Mayr auf die Nazi-Kritik reagiert. "Wir haben uns der Frage nach Bossards Rolle im Nationalismus bereits 2018 zusammen mit externen Wissenschaftlern in zwei interdisziplinären Publikationen, einer Tagung sowie einer begleitenden Ausstellung angenommen", so Mayr. Neben der sammlungsbezogenen Forschung zum Künstlerehepaar Bossard habe dabei die Herstellung des historischen Kontextes im Vordergrund gestanden. Die Ergebnisse seien auf der Homepage der Kunststätte (www.bossard.de) und in den erschienenen Publikationen "Über dem Abgrund des Nichts. Die Bossards in der Zeit des Nationalsozialismus" sowie "Johann Bossard: Texte aus dem Nachlass" nachzulesen. Begleitend werde bis heute ein Vermittlungsprogramm für Schulklassen zum Thema angeboten.
"In den vergangenen zehn Jahren wurde von Stiftungsrat und Vorstand der Kunststätte und mir aktiv der Fokus auf die Erforschung der 1930er Jahre gelegt. Heraus kam, dass das Künstlerehepaar sich in den Jahren von 1932 bis 1934 zwar einzelnen Zielen der NSDAP verbunden fühlte, etwa dem Wunsch nach einer 'Erneuerung' Deutschlands', Johann Bossard aber bereits 1934 erkennen musste, dass seine künstlerischen Ideale und seine Vorstellung von der Freiheit der Kunst nicht mit den Zielen der neuen Machthaber vereinbar waren", so Mayr. "Das künstlerische Wirken, Handeln und die Aussagen der Bossards müssen im damaligen Zeitgeschehen und in ihrem Kontext betrachtet werden, strebte Johann Bossard doch bereits seit den frühen 1920er Jahren eine durch die Kunst erwirkte gesellschaftliche und wirtschaftliche Verbesserung im damaligen Deutschland an." Dass die Bossards niemals Mitglieder der NSDAP waren, dass Johann Bossard zum Jahresende 1934 sogar wieder aus dem NSDAP-Lehrerbund austrat, sei für die damalige Zeit ein deutliches Signal der Distanz gewesen. Bossard habe damit den Verlust seiner Anstellung als Professor an der Kunsthochschule und jegliche Aussicht auf Aufträge oder Anerkennung durch das NS-Regime riskiert.
Mayr kündigt an: "Der geplante Neubau für die Kunststätte wird das Werk von Johann und Jutta Bossard kritisch in die Zeit des Nationalsozialismus einordnen und damit zur wissenschaftlichen Bearbeitung der deutschen Geschichte in der Region beitragen."
Info-Veranstaltung am 24. Februar
(mum). Mit welchem Konzept soll die Kunststätte Bossard für die Zukunft aufgestellt werden? Antworten auf diese Frage bekommen alle interessierten Bürger im Zuge einer Informationsabend, zu dem die Kunststätte für Montag, 24. Februar, um 19 Uhr in die Aula der Oberschule Jesteburg (Moorweg 28) einlädt. Rainer Rempe (CDU), Landrat und Vorsitzender des Stiftungsrats, wird zusammen mit Museumsleiterin Dr. Gudula Mayr, Museumsberater Professor Rolf Wiese und Architekt Christoph Frenzel über den konzeptionellen Ansatz informieren. Bürger erhalten die Gelegenheit, mit den Verantwortlichen ins Gespräch zu kommen und Nachfragen zu stellen.
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Redakteur:Sascha Mummenhoff aus Jesteburg |
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