Kostenlose Führung für Jesteburger
Einblick ins Schaumagazin der Kunststätte Bossard
as. Jesteburg. "Johann Bossard war ein Künstler mit unglaublichem Schaffensdrang", sagt Heike Duisberg-Schleier, Leiterin der Kunststätte Bossard. Exklusiv für das WOCHENBLATT gewährt sie Einblicke in die "Schatzkammer" der Kunststätte - das Schaumagazin.
Johann und Jutta Bossard haben nicht nur die Kunststätte als Gesamtkunstwerk konzipiert, sondern darüber hinaus auch unzählige weitere Kunstwerke geschaffen. Rund 6.000 Gemälde, Drucke, Zeichnungen, Baupläne, Gussformen, Plastiken und Bronzen, Architekturmodelle, Porzellan oder Textilien werden seit 2017 in einem Trakt des ehemaligen Schulgebäudes am Sandbarg 32 in Jesteburg verwahrt. Darunter auch einige Werke von Bossard-Schülern. Außerdem befindet sich im Schaumagazin auch der schriftliche Nachlass des Ehepaars Bossard mit Fotografien, Briefwechseln, Geschäftskorrespondenz, theoretischen Schriften und Notizen sowie die Hausbibliothek der Künstler. Nur ein Bruchteil der Sammlung kann in Sonderausstellungen in der Kunststätte gezeigt werden. Deshalb öffnet das Schaumagazin an jedem letzten Sonntag im Monat um 15 Uhr seine Türen für Besucher (Infos und Anmeldung unter www.bossard.de).
"Normalerweise sind die Depots von Museen nicht für Publikum zugänglich. Wir gehen mit dem Schaumagazin einen anderen Weg: Bei unseren Führungen erhalten die Besucher Einblicke in die vielfältige Sammlung, ins Archiv und die Restaurierungswerkstatt", erklärt Heike Duisberg-Schleier. Zu entdecken gibt es viel: Gleich am Eingang ist der Erste von Johann Bossards drei Tempelzyklen ausgestellt. Die riesigen Gemälde reichen bis zur Decke. Die Besucher erhalten auch einen Einblick in das Handwerk des Künstlers: zum Beispiel mit einem Modell aus Holz, Bronze und Gips für die Figur "Das Leben", die so nie realisiert wurde. Oder mit einer Lithografie, von der noch sämtliche Druckplatten erhalten sind. "Hier kann man gut erkennen, wie Johann Bossard gearbeitet hat. Er hat für jede Farbebene eine Druckplatte verwendet", sagt die Kunststätten-Leiterin. Jeder Zentimeter wird hier genutzt: An den Wänden, auf den Schränken - überall sind die Kunstwerke ausgestellt. Ein von Bossard gebautes Modell der Kunststätte zeigt zusätzlich zu Wohnhaus und Kunsttempel noch ein Eingangsgebäude und eine "Osterzelle", die nie gebaut wurden.
Das Schaumagazin bietet die optimalen Voraussetzungen für die Aufbewahrung der Kunstwerke: Temperaturen zwischen 18 und 20 Grad und eine konstant geregelte Luftfeuchtigkeit. Die unzähligen Gemälde Bossards werden in einem gesonderten Magazin gelagert. "Um die Bilder zu schützen, haben wir sie mit säurefreiem Karton gesichert, damit sie möglichst lang erhalten bleiben", erklärt Heike Duisberg-Schleier, die die Kunstwerke nur mit Handschuhen anfasst.
Während die Kunststätte als Gesamtkunstwerk konzipiert wurde, werden im Schaumagazin die verschiedenen Schaffensphasen Bossards greifbar. Sei es mit Jugendstil-Bildern aus seiner Anfangszeit, unzähligen Skizzen aus seiner Studienzeit oder Kunsthandwerk wie den typischen blauen Keramiken Bossards, handgeknüpften Teppichen und bemalten Porzellanservices von Jutta Bossard. "Es gibt noch viele Details und Aspekte des Künstlerpaares, die man hier wunderbar zeigen und vermitteln kann", lädt Heike Duisberg-Schleier zu einem Besuch im Schaumagazin ein.
Kostenlose Führung
Einwohner der Samtgemeinde Jesteburg haben jetzt die Möglichkeit, im Rahmen einer kostenfreien Führung das Schaumagazin der Kunststätte Bossard kennenzulernen. Die besondere Führung findet am Samstag, 21. Mai, statt. Treffpunkt ist der Eingang zum Schaumagazin um 16 Uhr. Eine Anmeldung ist erforderlich bis Mittwoch, 18. Mai, unter Tel. 04183-5112 oder per E-Mail an info@bossard.de.
Offener Umgang mit schwierigem Erbe
Die Kunststätte Bossard gilt als Gesamtkunstwerk. Auf etwa drei Hektar haben Johann Bossard und seine Frau Jutta zwischen 1911 und 1950 eine Gartenanlage gestaltet sowie den Kunsttempel mit dem Eddasaal und das Wohn- und Atelierhaus gebaut. Wie 2020 bei der Diskussion um die geplante Erweiterung der Kunststätte bekannt wurde, hatte man in einem der Mosaike im Eddasaal ein Hakenkreuz entdeckt. Seither ruhen die Erweiterungspläne.
Das Hakenkreuz wurde mittlerweile denkmalgerecht übermalt. Ein Gutachten soll jetzt Aufschluss über die Rolle Johann Bossards im Nationalsozialismus liefern. Dr. Tobias Hof vom Institut für Zeitgeschichte stellte jüngst die ersten Ergebnisse vor: Bossards Position war ambivalent. Seine völkisch-mythischen Weltbilder seien in hohem Maße anschlussfähig an entsprechende Vorstellungswelten des Nationalsozialismus.
Die Kunststätte Bossard bemüht sich um einen offenen Umgang und hat die kontroverse Debatte über die Haltung des Ehepaars Bossard zum nationalsozialistischen Regime unter anderem in einer Sonderausstellung aufgegriffen und das Veranstaltungsformat "Reden wir über Bossard" ins Leben gerufen, bei dem Fachleute u.a. über die Rolle von Kunst und Kultur im Spannungsfeld von Politik und Zeitgeschichte diskutieren.
Redakteur:Anke Settekorn aus Jesteburg |
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