Grenzt die Post Flüchtlinge aus?

Pastor Martin Engelhardt ist entsetzt, wie die Deutsche Post dem Flüchtling umgegangen ist
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  • hochgeladen von Sascha Mummenhoff

„Diese Dienstleistung bieten wir für Flüchtlinge nicht mehr an, weil sie zu zeitaufwendig ist“, soll eine Post-Mitarbeiterin gegenüber Pastor Martin Engelhardt gesagt haben. Er begleitete einen jungen Syrer in die Filiale, wo dieser 500 Euro via Western Union-Transaktion abrufen wollte. Eine Anweisung gebe es nicht. Stattdessen sei ein Software-Problem schuld daran, dass Flüchtlinge kein Geld bekommen haben, teilt Western Union mit.

mum. Jesteburg. „Ich bin entsetzt, wie die Post mit Flüchtlingen umgeht“, sagt Pastor Martin Engelhardt. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies mit unserem Grundgesetz vereinbar ist.“ Der Jesteburger betreut Flüchtlinge, die in seinem Heimatdorf untergebracht sind. Mit einem seiner Schützlinge erlebte er jetzt eine Odyssee, die ihm noch immer die Zornesröte ins Gesicht treibt.
Nachdem einem 19-jähriger Syrer das Bleiberecht zugesprochen worden war, hatte sich der Flüchtling erfolgreich auf die Suche nach einer Wohnung gemacht. Jedoch benötigte er Geld für die Kaution. Verwandte aus Stuttgart hatten daraufhin angeboten, ihm 500 Euro via Western Union (siehe Kasten) zu schicken. Doch als der Syrer das Geld in der Postfiliale in Jesteburg abholen wollte, wurde er weggeschickt. Das Geld sei nicht abrufbar, hieß es. Schließlich ging Pastor Engelhardt mit dem Syrer zur Post. Auch ihm wurde gesagt, dass das Geld nicht zur Verfügung stehen würde. Dann teilte man ihm in der Filiale mit, dass die Post die Mitarbeiter angewiesen habe, keine Western Union-Transaktionen für Flüchtlinge durchzuführen. „Die Frau sagte, dass der Aufwand zu groß sei“, erinnert sich Engelhardt. Der Flüchtling sollte sich direkt an eine der Western Union-Filialen in Hamburg wenden. Engelhardt fuhr daraufhin mit dem Syrer nach Harburg und erhielt dort das Geld problemlos. „Die Flüchtlinge sind auf Western Union angewiesen“, so Engelhardt. „Viele schicken Geld in ihre Heimat oder erhalten finanzielle Unterstützung von Freunden und Verwandten.“
Immerhin - trotz der Verzögerung - hat der Flüchtling die Wohnung bekommen. Der Vermieter hatte Geduld.
Ralf Palm, zuständig für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Postbank, überrascht der Vorfall. „Western Union wird selbstverständlich bei uns für Flüchtlinge angeboten, die sich mit einem gültigen Ausweis legitimieren“, so der Sprecher. Aufgrund der Einspielung eines Software-Releases hätte sein Unternehmen kurzzeitig bestimmte Ausweisgruppen systemseitig nicht erfassen können. Es sei zu einem systemseitigen Abbruch der Transaktion gekommen. Das Problem sei aber unmittelbar nach der
WOCHENBLATT-Anfrage behoben worden. Die Aussage der Mitarbeiterin, Flüchtlingen würden prinzipiell Western Union-Dienstleistungen verweigert werden, irritiert auch den Sprecher. „Wir gehen auf den Filial-Partner zu und besprechen die Angelegenheit.“

Western Union: Geldtransfer ohne Konto

Der Sender benötigt für die Transaktion kein Bankkonto und keine Kreditkarte, sondern Bargeld in Euro. Prinzipiell kann der Sender einen Betrag in beliebiger Höhe verschicken. Um den gesetzlichen Bestimmungen zu entsprechen, muss der Sender ein gültiges Ausweisdokument vorlegen. Der Sender füllt ein Sendeformular in einem Standort von Western Union aus, gibt es mit dem Geld am Schalter ab und zeigt sein Ausweisdokument vor. Die Gebühren variieren je nach Bestimmungsort und Höhe des verschickten Betrags. Der Sender erhält bei der Überweisung eine sogenannte Money Transfer Control Number (MTCN). Wenige Sekunden später steht das Geld dem Empfänger weltweit zur Auszahlung bereit. Zur Auszahlung muss der Empfänger ebenfalls einen gültigen Identitätsnachweis, den Namen des Senders sowie die Höhe des Betrages angeben und bekommt dann sofort den Betrag ausgezahlt. Im Juli 2011 war Western Union an 455.000 Vertriebsstandorten weltweit anzutreffen.
Die Postbank arbeitet in ihren eigenen Filialen sowie in den Partnerfilialen der Deutschen Post (mit Postbank Finanzdienstleistungsangebot) mit Western Union zusammen. Kunden, die Geld über Western Union versenden möchten, füllen in der Filiale ein Formular aus und zahlen den entsprechenden Betrag am Schalter ein. Die Postbank leitet den Auftrag über ihre IT-Systeme an Western Union weiter. „Ab diesem Zeitpunkt übernimmt Western Union alle weiteren Transaktionstätigkeiten“, sagt Postsprecher Ralf Palm.

Redakteur:

Sascha Mummenhoff aus Jesteburg

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