Jesteburg: 30 Jahre Kleiderkammer
Gute Kleidung und gute Gespräche
Zuerst trafen sie sich im Keller des Neuen Rathauses: Einige Frauen aus Jesteburg, darunter Bärbel Behneke und Mariam Wehbi, gründeten vor 30 Jahren in Jesteburg eine Kleiderkammer für alle, die nicht genug Geld für neue Kleidung haben. In einigen Dörfern der Gegend, zum Beispiel in Hanstedt, gab es das schon, Menschen aus Jesteburg sollten nicht mehr so weite Wege haben.
Die Gründung der Kleiderkammer
Mariam Wehbi war damals 17 Jahre alt, schwanger und gerade aus dem Libanon geflohen. "Ich sprach noch kein Deutsch, und damals gab es auch kaum Kurse dafür." Kleiderkammergründerin Margarethe Ziegert "schnackte" die junge Frau mit zur Kleiderkammer. "Ich habe mich jede Woche auf den Dienstag gefreut", erinnert sich Wehbi noch heute, "Da traf ich freundliche Menschen, konnte mein Deutsch verbessern und neue Menschen kennenlernen." Inzwischen hat Wehbi vier Kinder und hat die Leitung der Kleiderkammer übernommen. "Man hat mir damals geholfen, und ich möchte auch helfen." Was ihr wichtig ist: "Man muss alle Besucher mit Liebe ansprechen."
Kontakt zu Bedürftigen aufnehmen
Auch Bärbel Behneke ist schon 30 Jahre dabei. Sie erinnert sich noch an den großen Ansturm und großes Gedrängel, das es früher regelmäßig dienstags um 16.30 Uhr vor der Tür der Kleiderkammer gab. "Jetzt haben wir ein Nummernsystem, es dürfen immer nur fünf Personen gleichzeitig reinkommen, damit man in Ruhe aussuchen kann." Was ihr wichtig ist: "Wir versuchen immer, Kontakt zu den Menschen aufzunehmen. Ein freundlicher Gruß zeigt Neuankömmlingen, wie wir es hier so halten mit der Höflichkeit."
Etwas zurückgeben
Was hält einen Menschen 30 Jahre bei der Stange, regelmäßig alle zwei Wochen dienstags mehrere Stunden Freizeit zu opfern? Die ehemalige Bürokauffrau und Kinderheimmitarbeiterin hat hier eine Berufung gefunden. "Ich helfe einfach gern", sagt sie. Und es stehen eigene Erfahrungen dahinter: "Ich bin auch Flüchtlingskind und arm gewesen. Mein Vater kam nach dem Krieg aus Westpreußen hierher. Und man bekommt hier viel zurück." So habe sie neulich für einen jungen Mann den so sehr gewünschten weißen Hoody und ein grünes T-Shirt gefunden. Der junge Mann habe sich so sehr gefreut. "Er sagte in gebrochenem Deutsch zu mir 'Du bist eine nette Frau' - das war toll!" Dass Leute der Kleiderkammer wegen unpassendem, rassistischem oder aggressivem Verhalten verwiesen werden müssen, komme nur sehr selten vor.
Jesteburger sind großartige Kleiderspender
Auch diese Woche haben sich um halb fünf rund 20 Personen vor der Tür der Kleiderkammer eingefunden. "Das ist ungefähr die Zahl Menschen, wöchentlich kommen", sagt Wehbi. Was hat sich in den 30 Jahren verändert? Es kommen heute viel mehr Bedürftige, darunter viel mehr jüngere Menschen und Familien, sagt Behnke, "Früher waren mehr Rentner da, das ist heute die Ausnahme." Was sich kaum verändert hat: Die Jesteburger seien schon immer großzügige Kleidungsspender gewesen und seien es noch heute, wo die Kleidung viel schneller ausgetauscht werde. "Manchmal sind wirklich tolle Sachen dabei." Aktuell sei - wie häufig - Fußballausstattung besonders gefragt. Und Mikrowellen und Wasserkocher.
Und: Noch immer schämen sich viele Menschen, die zur Kleiderkammer gehen. Deshalb sei es auch wichtig, dass das Ganze anonym ablaufen kann, wenn man das möchte: Niemand brauche sich registrieren zu lassen oder seinen Namen anzugeben. Wie die Kunden kommen auch die elf ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und ein Mitarbeiter aus aller Herren Länder. "Wir sind ein internationales Team", sagt Mariam Wehbi stolz, "Hier wird Deutsch, Englisch, Französisch, Ukrainisch, verschiedenen Dialekte Arabisch, und Aserbaidschanisch gesprochen.
Kleiderkammer zog in ehemaliges Schulgebäude ein
Inzwischen ist die Kleiderkammer in das ehemalige Schulgebäude oberhalb des neuen Rathauses umgezogen, zu erreichen vom oberen Parkplatz am Sandbarg. Es gibt zwei Räume: einen mit einem großen Tisch - zusammengebaut aus einem alten Sitzungstisch aus dem Rathaus und zwei Schultischen - zum Sortieren und Zusammenlegen der Kleidung, und einen großen Raum voller Regale mit Kleidung, Schuhen und Hausrat.
"Was viele nicht wissen: Wir nehmen gern auch Hausrat und gut erhaltene Bettwäsche", sagt Bärbel Behneke. Für Möbel ist kein Platz und keine Transportmöglichkeit vorhanden. Aber Mariam Wehbi vermittelt telefonisch gut erhaltene Möbel und große Hausgeräte wie Wasch- oder Spülmaschinen an Bedürftige: "Ich finde immer jemanden, der das brauchen kann. Und der Transport kann dann meist auch irgendwie organisiert werden." Kleiderspenden werden zu den Öffnungszeiten dienstags 16.30 bis 19 Uhr und nach Terminvereinbarung unter Tel. 0152-09720315 angenommen, wo man auch Möbel und Elektrogroßgeräte zur Vermittlung anbieten kann.
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