"Kiffen - was soll's!?"

"Bereits 13-jährige Teenager kiffen im Landkreis Harburg", weiß  Bernd Borchert, Jugend-Sozialarbeiter bei der "Reso-Fabrik". Zudem steigt die Zahl derer, die zum Joint greifen, deutlich. | Foto: Meitsch
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Samtgemeinde Hanstedt lädt zu einem Elternabend zum Thema Hasch-Konsum ein.

mum. Hanstedt. "Wenn ich sehe, wie unbekümmert der Konsum von Haschisch oder Marihuana inzwischen gesehen wird, macht mir das Angst", sagt Bernd Borchert, Jugend-Sozialarbeiter bei der "Reso-Fabrik". Der Verein macht seit 1995 im Auftrag des Landkreises Harburg Jugendsozialarbeit. Ziel ist unter anderem die Integration junger Menschen im Alter von zehn bis 21 Jahren mit und ohne Migrationshintergrund in Gesellschaft und Beruf. Fast täglich beobachtet Borchert bei seiner Arbeit als Diplom-Pädagoge und Streetworker, wie sehr der Drogenkonsum zugenommen hat. "Das ist ja auch kein Wunder, wenn etwa im Fernsehen wie selbstverständlich gekifft wird und im Bundestag eine Hasch-Legalisierung immer wahrscheinlicher wird." Borchert allerdings warnt vor den Konsequenzen: Laut Statistik begannen Jugendliche 2011 mit 16 Jahren das Kiffen. Heute sind es schon 13-Jährige, die zur Droge greifen. Paradox daran ist, dass sich die Anzahl der jugendlichen Raucher (zwischen zehn und 15 Jahren) halbiert hat. Auch der Konsum von Alkohol hat abgenommen. "Hier zeigt sich die gute Präventionsarbeit", so Borchert. "Rauchen und Trinken ist nicht mehr cool." Das gelte leider nicht für das Kiffen. Schon die Gesetzgebung wirft Fragen auf: Jeder Besitz von Cannabis, wenn auch noch so gering, ist nach dem Betäubungsmittelgesetz strafbar - das gilt auch für den Eigenbedarf. Der Konsum ist aber erlaubt.
Um dem Trend entgegenzuwirken, findet am kommenden Mittwoch ein Info-Abend für Eltern in Hanstedt statt (siehe Kasten rechts). "Wir wollen Informationen geben, vielleicht den Eltern die Augen öffnen", so Borchert. Ihm sei wichtig, dass es nicht darum gehe, irgendjemand zu verraten oder zu stigmatisieren. "Es ist wichtig, die Eltern abzuholen, denn für viele von ihnen ist der Konsum kein Problem." Hätten sie doch selbst in der Jugend gekifft. "Doch das Zeug von heute ist viel stärker als vor ein paar Jahren", warnt Borchert.
Zwar steigt die Anzahl der Konsumenten, doch Auswirkung auf die Kriminalität habe das nicht. Darauf weist Carsten Bünger, Beauftragter für Jugendsachen bei der Polizeiinspektion Harburg, hin. Haschisch werde "unter Freunden" verkauft oder besser weitergegeben. Und das nahezu überall. "Man muss nur mit offenen Augen durch die Stadt gehen", so Bünger. Ältere Jugendliche würden ihre Drogen an jüngere Schüler weitergeben. "Dabei geht es nicht darum, Geld zu verdienen." Sie wiederum bekommen Haschisch oder Marihuana von denjenigen, die damit professionell Geld verdienen. Erst vor zwei Wochen nahm die Polizei im Zuge einer großen Razzia so einen Händler in Buchholz hoch (das WOCHENBLATT berichtete).
Ein Gramm sei laut Borchert bereits für bis zu zehn Euro zu haben. "Das reicht für zwei bis drei Joints. Kiffer benötigen an einem Samstagabend etwa diese Menge." Für Jugendliche wird das schnell zu einem Problem. Sie wissen nicht, wie sie das zusätzlich benötigte Taschengeld erklären sollen. "Dann muss Ersatz für das kaputte Telefon her, das in Wirklichkeit verkauft wurde", so Borchert. "Wenn die Not besonders groß ist, wird das Geld zu Hause gestohlen."
Borchert möchte die Eltern sensibilisieren. "Es gibt viele Anzeichen, die Rückschlüsse auf Drogenkonsum zulassen." Gesteigerter Appetit mitten in der Nacht müsse nicht immer mit Wachstum zu tun haben.
Am meisten Sorge bereitet Borchert die Spirale des Konsums. Anfangs sei es nur der eine Joint, dann würden es immer regelmäßiger mehr werden. Der Streetworker kenne genügend Jugendliche, die morgens vor der Schule kiffen. "In der Regel macht sich bei ihnen eine große Lustlosigkeit breit", sagt Borchert. Das Training werde geschwänzt und die Schulnoten würden immer schlechter werden. "Zum Glück bekommen viele die Kurve, wenn das nächste Zeugnis missrät", so Borchert. Aber das gelte längst nicht für alle.

Die Eltern sensibilisieren
"Kiffen - was soll's!?" lautet der Titel einer Info-Veranstaltung für Eltern, zu der die Samtgemeinde Hanstedt, die "Reso-Fabrik" und die Polizeiinspektion Harburg für Mittwoch, 27. März, um 19.30 Uhr in den "Alten Geidenhof" (Buchholzer Straße 1) nach Hanstedt einladen. Der Eintritt ist frei.
Das Angebot richtet sich an Eltern aus dem gesamten Landkreis. "Es wird keine Präsentation geben", sagt Bernd Borchert von der "Reso-Fabrik". "Wir wollen mit den Eltern ins Gespräch kommen." Für diejenigen, die ihre Fragen nicht offen stellen wollen, wird ein Briefkasten aufgestellt. Die Fragen daraus werden anonym vorgelesen und beantwortet.
Wie ist die rechtliche Lage beim Thema Kiffen? Wieso ist der Konsum von Cannabis für Kinder und Jugendliche riskant und welche Herausforderungen stellen sich uns als Eltern, wenn Kinder und Jugendliche mit Drogen in Kontakt kommen? - Fragen wie diese sollen beantwortet werden. 

Wegen Cannabis ohne Führerschein
Das passiert, wenn ein Jugendlicher mit geringen Mengen Cannabis erwischt wird:
• Die Polizei erstattet Anzeige und registriert den Tatbestand im Computer. Damit ist man als Betäubungsmittelkonsument gespeichert.
• Nur der Staatsanwalt kann das Ermittlungsverfahren einstellen. Dies ist beim ersten Mal häufig der Fall. Dann ist es allerdings oft verbunden mit Auflagen, etwa Leisten von Sozialstunden oder der Besuch eines Drogenpräventionskurses.
• Eine Kopie der Anzeige geht an das Jugendamt. Die dortigen Mitarbeiter werden sich in der Regel mit den Eltern in Verbindung setzen.
• Die Eltern werden informiert.

Cannabis-Konsum kann dazu führen, dass junge Erwachsene auf den Führerschein verzichten müssen. Wenn die Polizei Jugendliche beim Kontakt mit Drogen (Erwerb, Besitz, Konsum, Weitergabe und Handel) erwischt, folgt außer einer Anzeige in jedem Fall eine Mitteilung an die Führerscheinstelle. Diese beantragt dann - egal ob der Führerschein erst noch gemacht werden soll oder bereits vorliegt - ein fachärztliches Gutachten oder so genanntes Drogenscreening. Sollte sich bei dieser Urin- und/oder Haarprobe ein Drogenkonsum bestätigen, wird eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU oder auch "Idiotentest") angeordnet. Solange keine dauerhafte Drogenfreiheit nachgewiesen werden kann, darf der Führerschein nicht erworben werden beziehungsweise bleibt eingezogen.
• Mehr Informationen gibt es auf der Homepage der Aktion "Keine Macht den Drogen" unter www.kmdd.de.

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Laden gemeinsam zu dem Elternabend "Kiffen - was soll's!?" ein: Carsten Bünger (Polizeiinspektion Harburg, li.) und 
Karsten Ansorgen (Samtgemeinde Hanstedt) | Foto: mum
Redakteur:

Sascha Mummenhoff aus Jesteburg

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