Bendestorf: Angehörige verzweifeln
Pflegekasse zahlt erst nach zähem Kampf
Maren Müller war lange verzweifelt: Mehrere Monate musste die Krankenschwester auf das Pflegegeld für ihre seit 2019 pflegebedürftige Mutter warten, die mit Pflegegrad fünf vollstationär in einem Pflegeheim untergebracht ist.
Erst nach zähem Kampf durch die Tochter überwies der neue Abrechnungsdienstleister HMM Deutschland GmbH immerhin 30 Prozent des Pflegegeldes - zwei Monate zu spät. Jetzt kann Maren Müller die anderen 70 Prozent endlich bei der Krankenkasse der Mutter zur Erstattung einreichen.
Vorausgegangen war ein zähes Ringen mit der Firma HMM: Jede Pause in ihrem anstrengenden Job nutze die Krankenschwester, um endlich die HMM zu erreichen "Man hing ewig in einer Warteschleife fest, wurde dann nur fadenscheinig vertröstet." Es folgten E-Mails, Briefe an die HMM-Geschäftsführung, die nie beantwortet wurden. Sie wandte sich an Kommunalpolitiker mit der Bitte um Hilfe. Schließlich nahm sich Müller sogar einen Anwalt.
Pflegeversicherung zum Jahresende abgegeben
Eigentlich ist Maren Müllers Mutter bei der KVB Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten versichert. Zum Jahresbeginn hatte diese die Betreuung der Pflegeversicherung an die HMM abgegeben. Seitdem geht gar nichts mehr. 30 Prozent des Pflegegeldes muss die HMM eigentlich zahlen, anschließend 70 Prozent die KVB. "Warum diese Aufteilung vorgenommen wurde, erschließt sich mir überhaupt nicht", erzählt Maren Müller. Für sie bedeutet das nur eine weitere Umständlichkeit: Erst wenn die Erstattungsmitteilung von der HMM vorliegt, kann sie das restliche Geld beantragen.
Das läge an der Aufteilung in einen "Pflegeversicherungsanteil" und einen "Beihilfeanteil", erklärt die HMM in einer Mitteilung an die Redaktion. Mehr als 2.000 Euro waren bis vor kurzem noch bei der HMM offen gewesen. "Ich finde es einfach schlimm, was da passiert und finde es menschenverachtend. Ich hatte schlaflose Nächte, da ich nicht wusste, wie ich die nächste Rechnung des Seniorenheims bezahlen soll", so Müller.
"Wir sind Ihr Partner für beste Versorgungs-, Abrechnungs- und Zahlungslösungen im Gesundheitswesen", wirbt die HMM auf ihrer Internetsite. Sie bietet automatisierte Abrechnungslösungen für Krankenkassen- und Versicherungen, für Leistungserbringer und Medizinproduktehersteller an. Über 40 Krankenkassen nutzen angeblich die Leistungen von HMM. Auf der Website finden sich allerdings nur 26, darunter z.B. die Barmer, ansonsten eher kleinere Kassen.
Warum gab es diese Verzögerungen bei den Zahlungen? "Leider haben sich im Rahmen der Migrationsphasen Arbeitsrückstände gebildet, die wir zügig abarbeiten. Diese Phase der Anpassung und Neuorganisation ist für alle Beteiligten eine große Herausforderung, die wir weiter mit einem klaren Fokus auf langfristige Verbesserungen und Effizienzsteigerungen angehen." Will sagen: Die Übernahme war schwierig, wir arbeiten dran.
"Telefon-Support kapazitativ verdoppelt"
Immerhin bedauert man bei der HMM, "dass diese Übergangsphase mit Unannehmlichkeiten verbunden ist." Gerade in den vergangenen beiden Wochen habe man "den Sachbearbeiter- und Telefon-Support kapazitativ verdoppelt", um besser erreichbar zu sein und schneller arbeiten zu können.
Durch Zufall erfuhr Maren Müller, dass sie mit dem HMM-Problem nicht allein dasteht: Auch die Mutter ihrer Kollegin Manuela Böttger aus Meckelfeld wartet auf viel Geld. Deren Mutter braucht seit sechs Jahren Pflege, ist offiziell in Pflegegrad Drei eingestuft: Sie braucht unter anderem Hilfe bei der Körperpflege, beim Anziehen, bei der Zubereitung der Mahlzeiten, im Haushalt und natürlich auch beim Erledigen allen Schriftverkehrs.
Bisher kümmerte sich die - ebenfalls als Krankenschwester voll berufstätige - Tochter mithilfe der Familie um ihre Mutter, die Tür an Tür mit ihr wohnt. Doch es geht nicht ohne die zeitweise Unterstützung einer professionellen Pflegekraft. Diese sogenannte "Verhinderungspflege" ist - wie auch das Pflegegeld für die Mutter von Maren Müller - gesetzlich festgelegt und von der Pflegekasse genehmigt und wird einmal im halben Jahr abgerechnet - theoretisch. "Ich warte sehr dringend seit Monaten auf die halbjährlich fälligen 1.612 Euro. Ich muss ja die Pflegekraft bezahlen", sagt Böttger. Auch sie wirkt verzweifelt. "Ich weiß nicht, wie ich das alles neben der Arbeit noch schaffen soll: Ewig in Warteschleifen am Telefon, dauernd E-Mails schreiben, die nie beantwortet werden ..." Im Gegensatz zu Maren Müller hat sie bis heute noch keinen Cent gesehen.
Maren Müller hat eine Vermutung, warum die HMM so zögerlich zahlt. Ihre Mutter ist - wie auch die Mutter von Manuela Böttger - Witwe eines Bahnbeamten und daher bei der KVB Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten versichert. Und hier liegt wohl auch das Problem, mutmaßt Müller. "Da es heutzutage keine Bahnbeamten mehr gibt, sind das nur noch wenige, ältere Menschen, die sich selbst meist nicht mehr kümmern können" - eine "Rest-Abwicklung". Man setze wahrscheinlich darauf, dass die Betroffenen sich nicht mehr gegen diese Verzögerungspraxis wehren können.
Warum hat die Krankenkasse KVB den Bereich Pflegeversicherung überhaupt an die HMM gegeben? "Das habe wirtschaftliche Gründe, hat man mir mitgeteilt", berichtet Maren Müller. Tatsächlich ist es etwas komplizierter: Die KVB ist eigentlich nur für die Krankenversorgung der Bahnbeamte zuständig. Die Pflegeversicherung betreute sie nur im Auftrag der Gemeinschaft der Privatversicherten (GPV). "Unsere Versicherten sind ältere Menschen, die nicht digital unterwegs sind, sondern zum Teil handschriftliche Briefe schreiben. Das kostet viel Zeit und ist ein größerer Aufwand. Seit fünf Jahren hat die Vergütung der GPV für diese Leistung schon nicht mehr gepasst", erklärt Dr. Achim Gässler, KVB-Hauptgeschäftführer. "Deshalb haben wir den Vertrag mit der GPV 2021 fristgerecht zum 31.12.2024 gekündigt"
Offenbar ein billiges Sparmodell
Schließlich musste die GPV eine andere Organisation finden, die die Pflegeversicherung betreut. Nach einer Ausschreibung erhielt die HMM den Zuschlag - offenbar mit einem günstigen Sparmodell, das die besonderen Bedürfnisse der rund 140.000 früheren Bahnbeamten nicht berücksichtigt. "Wir haben Hunderte von Beschwerden, können aber gar nichts machen, weil wir nur noch die Krankenversicherung betreuen", sagt Gässler. "Da gibt es tragische Geschichten, zum Teil sind unseren eigenen Mitarbeiter betroffen."
"Ich hoffe, dass das jetzt nicht jeden Monat so läuft wie bisher", sagt Maren Müller. "Das halte ich nicht durch. Dann werde ich bald selbst zum Pflegefall." Ausgeschlossen scheint das leider nicht: KVB und GPV hätten "Änderungen im Prozess" vornehmen müssen, die "unausweichlich zu einer Verlängerung in der Prozesslaufzeit für die Versicherten führten und auch weiterhin noch führen werden", verortet die HMM die Schuld bei den anderen Beteiligten.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.