Jahresrückblick 2019
Stehen Sie echt nur auf Verbrechen?
WOCHENBLATT-Redakteur Sascha Mummenhoff schaut auf seine Top-10-Geschichten zurück.
Interessiert Sie wirklich mein persönlicher Jahresrückblick? Sämtliche TV-Sender, Radio-Stationen und Zeitungen filtern doch bereits die Ereignisse des Jahres nach der Bedeutung, die das jeweilige Medium für angemessen hält. Und nun auch noch ich?
Dank "modernster Technik", kann ich Sie, liebe Leser, selbst entscheiden lassen, welche meiner Themen Sie 2019 spannend fanden - zumindest, wenn man die Aufrufzahlen unserer Online-Ausgabe (www.kreiszeitung-wochenblatt.de) zugrunde legt. Allerdings wirft das kein gutes Licht auf Sie, denn offensichtlich stehen Sie auf Verbrechen, Tod und Blaulicht. Unter den Top 10 meiner am häufigsten geklickten Artikel geht es acht Mal um Polizeieinsätze.
Auf dem ersten Platz lag mit 19.350 Lesern die Entschärfung einer Fliegerbombe in Buchholz im Mai ("Fliegerbombe gefunden"). Auf dem zweiten Platz folgt mit 15.418 Klicks eine großangelegte Razzia gegen die Drogenszene in Buchholz im Februar ("Schlag gegen die Buchholzer Drogen-Szene"). Auf den dritten Platz schafft es die Sparkasse Harburg-Buxtehude ("Schließfächer in Buchholz ausgeräumt", 14.527 Klicks). Tatsächlich darf das Ausräumen von mehr als 70 Schließfächern in einem Rückblick nicht fehlen. Häufig berichten mir Leser noch heute, dass sie Sympathie für die Diebe hegen. Immerhin schafften sie es, ein vermeintlich top-sicheres System zu knacken. Und mindestens einen ganzen Tag lang in der Buchholzer Filiale - mit gut gefüllten Taschen - ein- und auszugehen, ohne dass das jemandem seltsam vorkam. Selbst ein Geschädigter vertraute mir an, dass er die Aktion nicht schlecht fand. Es hätte nur nicht unbedingt sein Schließfach sein müssen.
Auf Platz 5 ("Wir stehen alle unter Schock", 6.306 Klicks) findet sich ein Bericht, der mich sehr berührt hat. Im Juni verstarb der erst 22 Jahre alte Harissi "Hartmut" Mavuidi aus Hanstedt. Er war in einem See im Maschener Moor ertrunken - vermutlich erlitt er einen plötzlichen Herzstillstand, als er ins Wasser sprang. Erst zwei Tage wurde seine Leiche entdeckt.
Das Unglück ging mir aus unterschiedlichen Gründen nah. Vielleicht, weil ich selbst Söhne in diesem Alter habe und mir nicht vorstellen möchte, wie die Eltern unter dem Schicksalsschlag leiden. Mavuidi stand kurz vor der Abschlussprüfung für seine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten im Hittfelder Rathaus. In der Sportszene des Landkreises war der 22-Jährige gut bekannt. Er spielte unter anderem für den MTV Hanstedt, Buchholzer FC und beim VfL Jesteburg. An einem wundervollen Sommertag nutzten zahlreiche seiner Weggefährten ein Benefizspiel zwischen Hanstedt und Buchholz 08, um Abschied zu nehmen. Fast 500 Zuschauer waren gegkommen. Viele Vereine hatten das Training ausfallen lassen, um Mavuidi die letzte Ehre zu erweisen. Das war Gänsehaut pur. Ich wünsche mir für die Familie, dass sie an diesem Tag gespürt haben, dass sie mit ihrer Trauer nicht allein sind. Allerdings: Wird sie das trösten?
Nahe Freunde der Familie berichten, dass es das Schicksal nicht gut mit der Familie meint. Vater Peter erkrankte vor einigen Jahren an Krebs - seitdem ist er auf einen Rollstuhl angewiesen. "Hartmut" hat zwei jüngere Schwestern. Meisi ist Autistin und arbeitet in der Werkstatt der Lebenshilfe in Tostedt. Gracy, die jüngste Schwester, besucht die Oberschule in Hanstedt. Die Familie ist auf Sozialhilfe angewiesen. Wer mag, der findet in unserem Online-Archiv auch den Hinweis auf ein Spendenkonto.
Ebenfalls unter den Top 10 befindet sich ein weiterer Todesfall: Am 16. Oktober verstarb der Jesteburger Krimi-Autor Jörg Böhm nach langer schwerer Krankheit im Alter von nur 40 Jahren ("Er hat unser aller Herzen gewonnen", 1.982 Klicks). Weitere Top-10-Berichte handeln von der Eröffnung des "famila"-Marktes in Jesteburg ("Das ist kein Supermarkt von der Stange", 2.778 Klicks) und dem geplanten Bau eines Autohofs an der A7 bei Egestorf ("Neue Autohof-Pläne an der Autobahn 7", 3.133 Klicks).
Irgendwie beruhigt es mich, dass Sie, liebe Leser, auch kritische Berichterstattung würdigen. "Personalrochaden im Kreishaus" (immerhin noch 1.944 Klicks) schafft es zumindest auf Platz 11. Dabei zeigt der Bericht, wie schlecht das Kreisveterinäramt im Landkreis Harburg aufgestellt war - lange bevor der Skandal um grausame Tierversuche in der Tierversuchsanstalt LPT in Mienenbüttel öffentlich wurde. Die ursprünglichen - sehr umfangreichen - Recherchen zu dem Bericht stammen von meinem geschätzten Kollegen Mitja Schrader, dessen Art, Themen anzugehen, unserer Zeitung gut zu Gesicht gestanden haben.
Sollten Sie einen meiner Berichte verpasst haben, ist das kein Problem. Sie sind noch alle online abrufbar. Wer weiß, vielleicht verschiebt sich das Ranking ja noch zu Gunsten einer Geschichte, bei der es um ein politisches Thema ging. Oder wie wäre es mit der Quidditch-Premiere im Landkreis Harburg ("Nicht nur für Zauberer", kam für mich sehr überraschend nur auf 250 Klicks).
Ganz gleich, was Sie gern lesen. Ich danke Ihnen, dass Sie sich für das WOCHENBLATT - und vielleicht auch meine Artikel - interessieren. Ich wünsche Ihnen von Herzen alles Gute und vor allem Gesundheit für 2020.
Sascha Mummenhoff
Redakteur:Sascha Mummenhoff aus Jesteburg |
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