Reportage: Rettungshundestaffel unterwegs
Vier Tage üben für den Ernstfall

Steiler Abhang zum Suchgebiet in der Kieskuhle: Meine Schnauzerin Luna möchte schon mal losstürmen  | Foto: BZRH
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  • Steiler Abhang zum Suchgebiet in der Kieskuhle: Meine Schnauzerin Luna möchte schon mal losstürmen
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Um ehrlich zu sein: Ich hatte es mir nicht so anstrengend vorgestellt. Als Mitglied der Rettungshundestaffel Hamburg, die in den Landkreisen Harburg, Stade und in Hamburg eingesetzt wird, verbrachte ich, WOCHENBLATT-Redakteurin Gaby Pöpleu, vier Tage beim Bundestreffen des Verbandes Zertifizierter Rettungshundestaffeln (BZRH) in Sandstedt an der Weser - zusammen mit 120 anderen Rettungshundlern aus 19 Staffeln aus ganz Deutschland.

Die Idee klang gut: Mehrere Tage lang intensives Training für den Ernstfall durch Experten, dazu Infos über das aktuelle Wolfsmanagement in Niedersachsen, Übungen in Orientierung und GPS-Ortung, und natürlich lernt man viele andere Rettungshundeleute kennen - Gelegenheit für viele "Hundegespräche" - da sind meine fünfjährige Schnauzerhündin Luna und ich dabei. Hund und Hundeführerin hatten schließlich ordentlich Spaß, wurden aber auch ganz schön gefordert.

Unsere komplett ehrenamtlich tätige Rettungshundestaffel rückt aus, wenn Menschen verschwunden sind und die Polizei uns anfordert. Deshalb kann eine gute Ausbildung aller Teams im Ernstfall lebenswichtig sein. Hochmotiviert schlug ich unser Zelt auf - zwischen einer Vielzahl an Wohnmobilen und Wohnwagen in einem extra für den BZRH abgeteilten Bereich des Campingplatzes Weserhenne, einen Steinwurf von der Weser entfernt. Revierverhalten von rund 120 Hunden - ich hätte Verständnis gehabt, wenn die anderen Campingplatzbesucher gern Abstand halten. Doch das war überraschenderweise gar nicht nötig: Selbst Luna - sonst einem "Das gehört alles mir!"-Gekläff nicht abgeneigt - war beeindruckt und hielt wie die meisten anderen die bärtige Schnauze.

"Nun komm endlich, hier liegt jemand": Luna bellt und wartet auf mich, damit sie ihre Belohnung bekommt. So sieht die versteckte Person den ankommenden Hund | Foto: BZRH
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Luna ist noch in der Ausbildung, sie wird ein Flächensuchhund. Das heißt: Sie soll später große unbewohnte Gelände - zum Beispiel Wald, Wiesen, Felder - nach Menschen absuchen, ohne Leine, aber gelenkt von und im Kontakt mit mir. Das ist manchmal eine Gratwanderung: Wie eigenständig soll der Hund suchen? Wann soll man helfen und lenken? Manch eigenständiger Hund verschwindet gern und sucht lieber selbst, andere lassen ihren Hundeführer lieber gar nicht aus den Augen. Luna neigt zu ersterem.

Dalmatiner-Mix Jadoo zum Beispiel möchte dagegen gern, dass Hundeführerin Martina Füllgrapp ein paar Schritte mit ins Dickicht kommt. Dann legt er los, "fliegt" durch sein Suchgebiet und ist glücklich, wenn er Martina eine vermisste Person, im Jargon "VP" genannt, zeigen kann. In Sandstedt ging er als "besonders gefleckter Hund" in die Annalen ein, und Martina als "gefleckte Hundeführerin": Wir wissen jetzt, Jadoo hüpft auch gern mit Schwung in Schlickflächen an der Weser, auch wenn er bis zum Hals darin verschwindet. Als er sich den gröbsten Schlamm abgeschüttelt hatte, sah Martina ähnlich gefleckt aus.

Rettungshund Jadoo hat - wie viele Hunde - Spaß am Schlamm - Besitzerin Martina Füllgrapp nicht so sehr | Foto: Füllgrapp
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Gibt es etwas Schöneres, als eine bärtige Hundeschnute morgens um sieben mitten im Gesicht? Ja, auf jeden Fall! Aber was soll's: Die Staffelkollegen sind gefühlt schon eine Ewigkeit munter, haben netterweise schon Kaffee gekocht und Brötchen aus dem zentralen Verpflegungszelt geholt. In meinem Zelt knirscht der Sand schon nach einem Tag bedenklich. Also runter vom Feldbett, "Persönliche Schutzausrüstung", im Jargon kurz PSA, bestehend aus Einsatzkleidung, S3-Sicherheitsstiefeln, Helm, Brille und Handschuhen zusammengerafft, und auf geht's - ach, den Hund nicht vergessen.

Erste Herausforderung an Kondition und Trittsicherheit stellte eine 150.000 Quadratmeter große Kiesgrube dar: Obwohl das Trainingssuchgebiet nur einen Bruchteil davon umfasst, fühlen sich Hundeführer bei 25 Grad, Windstille und zeitweiligem Sonnenschein wie in der Sahara. Die Hundführer geraten übrigens deutlich häufiger außer Atem (Notiz an mich: Konditionstraining wieder aufnehmen), als die Hunde. Die man dort sehr gut beobachten kann: Schafpudel Fiete zum Beispiel rennt auf der Suche nach der Witterung zügig nach vorn, dann eine Vollbremsung: Von rechts weht menschlicher Geruch heran. Oder doch nicht? "Die Witterung fängt sich hier am Hang", klärt uns Trainer Julian Heasman auf, der beim BZRH für die Einsatzleitung zuständig ist und die Rettungshundestaffel Harz SAR leitet. Dann arbeitet Fiete "die Witterung aus": Er sucht solange weiter bis er weiß, woher der "Menschenduft" weht.

In den Trümmern mit Helm und Handschuhen unterwegs: Hundefüherin Barbara Weiß mit Rettungshund Basco | Foto: BZRH
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Viele neue Schnüffelerfahrungen machen die Hunde auf einem Speditionsgelände in Bremerhaven, und die Hundeführer lernen, genauer auf ihren Hund zu achten: Der Geruch eines versteckten Menschen verteilt sich zwischen Hochregal-Holzlagern eben anders, als im gewohnten norddeutschen Mischwald. Das bemerkt auch Luna. Nach einer Viertelstunde intensiver Suche zwischen Tonnen und Holzstapeln stoppt sie, springt auf einen Holzstapel und sieht sich ratlos um: Keine zwei Meter über ihr ist die VP versteckt, doch der Hund ist sich nicht sicher. "Geduld, lass den Hund mal denken", rät Ausbilder Jörg Küper, stellvertretender BZRH-Vorsitzender und Chef der Rettungshundestaffel Ruhrgebiet. Schließlich wackelt die VP mal mit dem Fuß, Luna bellt und sagt mir damit, dass sie jemanden gefunden hat.

Frieren im verregneten Wald im November (und im Juli im Zelt), schwitzen beim Klettern über Stock und Stein, gefühlte Gluthitze in der Kiesgrube, immer dem Vierbeiner hinterher, schlichte Verpflegung, zu wenig Schlaf, weil Einsätze meist nachts sind ... Warum opfern Rettungshundeleute fast ihre gesamte Freizeit, während Freunde und Familie gemütlich zuhause am Kaffeetisch sitzen? "Weil wir mit unseren Hunden gern etwas Sinnvolles machen wollen", sagen die meisten. Und: Weil es einfach glücklich (und ein bisschen ehrfurchtsvoll) macht, den Hunden bei ihrer Arbeit zuzusehen, die sonst niemand machen kann, auch keine Maschine oder künstliche Intelligenz.

Redakteur:

Gabriele Poepleu aus Jesteburg

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