Ehre für den Dorfchronisten
Wilhelm Marquardt ist Bendestorfs Ehrenbürger
bim. Bendestorf. Ein Vierteljahrhundert leitete er das Gymnasium Hittfeld, das er selbst aufbaute. Doch sein Name ist untrennbar mit seinem Heimatort Bendestorf verbunden: Wilhelm Marquardt holte als Kirchenvorsteher mit einer Mitstreiterin die Pfarrstelle nach Bendestorf und veröffentlichte im September 2011 eine vielbeachtete Dorfchronik. Jetzt verlieh Bürgermeister Bernd Beiersdorf dem 86-Jährigen das Ehrenbürgerrecht der Gemeinde Bendestorf.
Wilhelm Marquardt stammt gebürtig aus Immenbeck. "Ich bin eins von 54 Enkelkindern meiner Großeltern", berichtet er augenzwinkernd von seiner großen Familie. Er selbst hat sechs Geschwister. Wilhelm Marquardt besuchte das Halepaghengymnasium in Buxtehude und studierte in Hamburg Englisch, Philosophie und Sport auf Lehramt. Der Sport spielte auch sonst eine tragende Rolle in seinem Leben. Nachdem er zuletzt für den Buxtehuder SV gekickt hatte, entdeckte er in der Uni-Mannschaft das Volleyballspiel für sich - und lernte dabei auch Ende der 1950er Jahre seine Frau Elke kennen, die Französisch und Sport auf Lehramt studierte. "Wir haben den ersten Volleyballverein an der Uni Hamburg gegründet", erinnern sich die beiden, die später im Hamburger Schuldienst arbeiteten und in Othmarschen lebten.
Viele Jahre verbrachten sie ihre Urlaube als Camper in England und Frankreich und gehörten dort Anfang der 1970er Jahre zu den ersten Deutschen, die das Surfen für sich entdeckten.
"Als wir 1971 aus dem Urlaub zurückkehrten, sollte ich mich beim damaligen Oberkreisdirektor Dr. Andreas Dehn in Winsen melden", erinnert sich Wilhelm Marquardt. Er und seine Familie waren 1969/70 nach Bendestorf gezogen. Dehn, der Kontakte zum Schulsenator nach Hamburg hatte, erklärte dem überraschten Wilhelm Marquardt: "Wir brauchen Sie." "Hamburg weigerte sich von einem Jahr auf das andere, Schüler aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein aufzunehmen. Es herrschte Lehrermangel", berichtet der 86-Jährige. Er sollte das Gymnasium in Hittfeld gründen. "Ich stand da alleine, musste das Kollegium erst zusammenstellen. Einige Eltern halfen über bundesweite Inserate." Im ersten Schuljahr 1972 wurden in Hittfeld dann gleich sechs fünfte Klassen mit Schülern aus dem ganzen Landkreis unterrichtet.
"Eine Schule als Schulleiter gründen zu dürfen und bis zum silbernen Jubiläum zu führen, war für mich ein Glücksfall", sagt Wilhelm Marquardt. Die vier Kinder der Marquardts - Jan-Willem (57), Christoph (55), Kathrin (50) und Hinnerk (45) - besuchten ebenfalls das Gymnasium in Hittfeld - zwischenzeitlich zum Leidwesen des Ältesten. Als der Klassensprecher werden wollte, verschworen sich seine Mitschüler. "Sie sagten: 'Den nehmen wir nicht, sonst haben die Marquardts alle wichtigen Posten in der Schule'", denkt Wilhelm Marquardt schmunzelnd zurück.
Über 20 Jahre lang engagierte er sich zudem im Bendestorfer Kirchenvorstand. Ab 1976 bemühte er sich als Kirchenvorsteher gemeinsam mit Kirchenvorsteherin Barbara Schuhmacher um die Eigenständigkeit der Kirchengemeinde und um eine Pfarrstelle. "Das war ein harter Kampf", gibt Wilhelm Marquardt zu. "Jede noch so kleine Schule braucht einen Schulleiter, so wie jede Kirchengemeinde eine Pfarrstelle braucht", ist er überzeugt.
Durch seinen Vater Wilhelm Marquardt, der um die 20 Dorfchroniken, darunter auch die erste Bendestorfer zur Tausend-Jahr-Feier 1970, geschrieben hat, kam Wilhelm Marquardt zur Heimatforschung. "Damals sagte mein Vater schon: Wenn du pensioniert bist, musst du die Chronik nochmal bearbeiten." Und das tat der 86-Jährige ab 2002 im Auftrag des Gemeinderates. Er nahm die von seinem Vater zusammengestellten Daten als Grundlage, forschte in verschiedenen Archiven bis nach Hannover und Marburg, zog Geografen, Geologen und Genealogen zurate und führte Interviews. Die Vergangenheit des Nordheidedorfes setzte Wilhelm Marquardt jeweils in Verbindung zum zeithistorischen Kontext, sodass ein fundiertes, 430 Seiten starkes Nachschlagewerk entstand, das unterhaltsam ist wie ein Lesebuch ist und gleichzeitig wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht wird. Fast zehn Jahre lang hat er an der Chronik gearbeitet. Vorgestellt wurde das Werk im Rahmen des Dorffestes im September 2011.
Seither hat Wilhelm Marquardt zwei weitere Bücher geschrieben: Im Jahr 2016 "Mit 17 als Gefechtsläufer in der Schlacht an der Somme" aus Tagebuchaufzeichnungen seines Vaters. Und ganz aktuell "Gegen das Vergessen - Heinz Strelow" über den Sohn von Meta Strelow, die in Bendestorf ein Geschäft für Kunstgegenstände hatte, und der im Dritten Reich als Widerstandskämpfer hingerichtet wurde.
Um seine Verdienste für Bendestorf angemessen zu würdigen, entschied der Rat im Februar, Wilhelm Marquardt zum Ehrenbürger zu ernennen. Er ist nach dem Holocaust-Überlebenden Ivar Buterfas-Frankenthal der fünfte Ehrenbürger der Gemeinde.
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