"Bahnfahren muss bezahlbar sein!"

WOCHENBLATT-Verleger Martin Schrader (re.) übergab die Fragen der Leser an Ministerpräsident Stephan Weil | Foto: Meitsch
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Diese Reaktion war überraschend: Anlässlich des Besuchs von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil beim WOCHENBLATT-Verlag in Buchholz Ende November 2018 wurde die Redaktion von Fragen der Leser überschüttet. Weil versprach, so viele Fragen wie möglich zu beantworten und nahm sich einen Stapel mit. Einige Antworten liegen nun vor. Unter anderem geht Weil auf die Situation der Pendler im Landkreis ein. Zudem beantwortet er die Frage, wie die Landesregierung dem Ärztemangel entgegentreten möchte.

(mum). Gut Ding braucht Weil - pardon, natürlich Weile. Eigentlich wollte das WOCHENBLATT bereits im Januar die Fragen seiner Leser an Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) im Zuge einer Serie veröffentlichen. Doch irgendwie stockte die Kommunikation mit der niedersächsischen Staatskanzlei, so dass die Antworten erst diese Woche vorlagen - nach fast sieben Wochen.
Nichtsdestotrotz war der Besuch des Ministerpräsidenten beim WOCHENBLATT-Verlag Ende vergangenen Jahres ein großer Erfolg. Fast 100 E-Mails mit Fragen gingen nach einem Aufruf bei der Redaktion ein (das WOCHENBLATT berichtete). Einige beantwortete Weil sofort im gut einstündigen Gespräch mit Verleger Martin Schrader, Christoph Kunst (Geschäftsführer der Neue Buxtehuder Verlagsgesellschaft) und den Redakteuren Mitja Schrader und Sascha Mummenhoff (nachzulesen unter www.kreiszeitung-wochenblatt.de; Stichwort "Stephan Weil"). An dieser Stelle steht der Ministerpräsident weiteren WOCHENBLATT-Lesern Rede und Antwort. Dafür unseren ehrlichen Dank.

Karl-Heinz Lemm aus Tostedt: Was können Sie für eine ausreichende medizinische Versorgung auf dem Land und den Kommunen tun? Es gibt zu wenige Ärzte und die sind überlastet. Lange Wartezeiten sind die Konsequenz. Manche Ärzte nehmen keine neuen Patienten mehr auf.
Stephan Weil: Lieber Herr Lemm, ja, dieses Problem besteht in fast allen ländlichen Räumen und ich nehme dieses Thema ausgesprochen ernst. Die Landesregierung unterstützt die Kassenärztliche Vereinigung dabei, mehr Ärztinnen und Ärzte für diese Bereiche zu gewinnen. Bis jetzt ist Folgendes geschehen: Studierende der Humanmedizin, die ihre Wahlstation im Praktischen Jahr in einer zugelassenen niedersächsischen Hausarztpraxis absolvieren, können hierfür eine finanzielle Unterstützung von bis zu 2.400 Euro aus Landesmitteln beantragen. Es gibt ein Stipendienprogramm der Landesregierung, mit dem Medizinstudierende frühzeitig für eine spätere Tätigkeit im ländlichen Raum Niedersachsens motiviert und verpflichtet werden sollen. Sie erhalten im dritten bis sechsten Jahr der Ausbildung, also für maximal 48 Monate, pro Monat 400 Euro. Das Stipendienprogramm ist gut angelaufen, es gibt aber immer noch freie Plätze. Im Rahmen des Projektes "Gesundheitsregionen Niedersachsen" werden innovative Ansätze gefördert, die eine bedarfsgerechte und möglichst wohnortnahe Gesundheitsversorgung zum Ziel haben. Und schließlich hat die Landesregierung eine deutliche Anhebung der Zahl der Medizinstudienplätze um bis zu 200 neue Studienplätze für Humanmedizin beschlossen. Die ersten davon werden in diesem Jahr eingerichtet. Wir werden noch in diesem Jahr bewerten, ob unsere bisherigen Anstrengungen und die Maßnahmen der KVN genügen oder wir neue Instrumente benötigen, wie etwa die so genannte Landarztquote bei der Vergabe von Studienplätzen. Davon werden Sie sicher noch hören.

Anke Gaulke: Ich hätte gern von Herrn Weil gewusst, ob er ein Konzept dafür hat, dass mehr Studienplätze für Lehrer zur Verfügung gestellt werden. Der Lehrkräftemangel kann ja nicht kurzfristig gelöst werden. Irgendwann müsste man doch mal anfangen, mehr Lehrer auszubilden. Und nicht nur immer Quereinsteigern Möglichkeiten bieten. Warum werden nicht mehr Studienplätze für Lehramtsstudenten geschaffen?
Weil: Liebe Frau Gaulke, die Situation in der Ausbildung für Lehrkräfte ist unterschiedlich: Während sich mehr junge Leute für die Arbeit als Gymnasiallehrkraft interessieren, sind es im Grundschulbereich zu wenige. Dies liegt aber nicht daran, dass es zu wenig Studienplätze gibt, sondern an der zu geringen Auslastung der vorhandenen Plätze. Für Interessierte, die über die Hochschulreife verfügen, gibt es also durchaus Chancen. Es sind auch genügend Ausbildungsplätze und Stellen im Vorbereitungsdienst vorhanden, sie können aber leider nicht alle besetzt werden. Um die Unterrichtsversorgung kurz- und mittelfristig zu stabilisieren, greifen wir deswegen auch auf Quereinsteiger zurück. Unabhängig davon arbeitet die Landesregierung derzeit auch an einem Konzept zur langfristigen Fachkräftesicherung bei den Lehrkräften und die Vorschläge dazu werden noch in diesem Jahr auf den Tisch kommen.

Ursula und Dietmar Petersen aus Tostedt: Der Autoverkehr soll reduziert werden. Dazu müssten die Bahn-Fahrpreise - etwa nach Hamburg - stark reduziert werden. Was planen Sie, auf diesem Gebiet zu unternehmen?
Weil: Liebes Ehepaar Petersen, Ihr Hinweis ist völlig zutreffend. Bahnfahren muss bezahlbar sein, damit Menschen das Auto stehen lassen können. Es gibt aber gerade für das Hamburger Umland gute Nachrichten: Zum nächsten Fahrplanwechsel am 15. Dezember 2019 wird in den niedersächsischen Landkreisen Uelzen, Heidekreis, Rotenburg (Wümme) und Cuxhaven auf Schienenstrecken im Regionalverkehr der HVV-Tarif eingeführt. Dann können auch die Bahnpendler im weiteren südlichen Hamburger Umland die preisgünstigen Wochen-, Monats- und Jahreskarten des HVV nutzen. Darüber hinaus werden auf Teilabschnitten auch Einzelkarten (Bartarif) zum HVV-Tarif angeboten. Das ist immerhin schon mal ein erster Schritt und ich hoffe, weitere werden folgen.

Carsten Stein aus Buchholz: Ein Gutteil der Berufstätigen im Landkreis Harburg pendelt täglich nach Hamburg. Problem: Die Einfallstraßen nach Hamburg sind verstopft, Metronom, Erixx und das Schienennetz in einem schlechten Zustand: Die Züge sind überfüllt, schadhaft oder fallen aus. So kann die Verkehrswende nicht klappen. Was gedenkt Herr Weil zu tun, um den öffentlichen Nahverkehr in der Nordheide-Region zu stärken?
Weil: Lieber Herr Stein, am Beispiel des nach Hamburg zulaufenden Bahnverkehrs wird in der Tat deutlich, vor welchen Herausforderungen der Schienensektor steht. Um der wachsenden Nachfrage im Personenverkehr Rechnung zu tragen, ist das Angebot im ÖPNV in den zurückliegenden Jahren erheblich ausgeweitet worden. Die verfügbare Infrastruktur ist jedoch im Hamburger Hauptbahnhof und auf den Zulaufstrecken maximal ausgelastet. Und leider sind auch infolge der hohen Beanspruchung der in die Jahre gekommenen Infrastruktur vermehrt Instandhaltungsmaßnahmen notwendig. Immer wieder treten Störungen auf, die den normalen Betrieb beeinträchtigen. Für den Erhalt und den Ausbau der Infrastruktur sind der Bund und die Deutsche Bahn AG zuständig. Die Planungen des Bundes zum Ausbau des Bahnknotens Hamburg werden vom Land Niedersachsen sehr unterstützt. Auch der Radverkehr ist ein wichtiger Baustein für eine zukunftsfähige Mobilität. Wir haben in Niedersachsen einen Radverkehrsanteil von 15 Prozent. Das heißt, dass 15 Prozent aller Wege mit dem Rad zurückgelegt werden. Das ist der Spitzenwert unter allen Flächenländern in Deutschland. Mehr noch: Das ist der Wert, der sonst nur in Metropolen wie Berlin und Hamburg erreicht wird. Für den kommunalen Straßenbau und den Öffentlichen Personennahverkehr stellt die Landesregierung statt bislang 123,5 Millionen Euro jetzt 150 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung, das sind über 20 Prozent mehr als bisher. Davon entfallen auf den Straßenbau - dazu gehört auch der Radwegebau - 75 Millionen Euro jährlich. Darunter sind auch viele Radwege gerade in der Metropolregion Hamburg.

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Ministerpräsident Stephan Weil gut gelaunt bei seinem Besuch beim WOCHENBLATT 
in Buchholz. Bereits dort beantwortete er viele Fragen der Leser | Foto: Meitsch
Redakteur:

Sascha Mummenhoff aus Jesteburg

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