Braucht Jesteburg eine "Akademie für Kunst"?
Jesteburgs Kunstpfad geht in die nächste Runde: Ausschuss soll 233.000-Euro-Konzept absegnen.
mum. Jesteburg. Neulich auf dem Jesteburger Wochenmarkt. Zwei Bürger diskutieren über das Angebot. Dabei schweift ihr Blick über den Dorfbrunnen in Richtung Seeve. "Sollte da nicht so ein riesiges Kunst-Dings hin?" fragt der ältere Mann. "Ja - aber das ist doch vom Tisch. Und auch die Schmierereien auf den Straßen sind bald völlig verschwunden - vom Regen weggespült", antwortet der andere Mann. "Mal sehen, was sich die als Nächstes einfallen lassen, um unseren Ort wieder als Kunst-Metropole zu platzieren."
Kaum ein anderes Projekt in Jesteburg wurde so leidenschaftlich diskutiert wie der Kunstpfad. Die einen glauben, er sei wichtig für den Ort, für die anderen steht er für die Verschwendung von Steuermitteln. Getreu dem Zitat: "In der Kunst und in der Politik ist gut gemeint das Gegenteil von gut", überbieten sich politisch Verantwortliche und Kunstpfad-Beteiligte darin, das Projekt in den Abgrund zu stoßen. Dabei ist die Idee grundsätzlich gut. Der 4,2 Kilometer lange Weg soll das Kunsthaus in der Dorfmitte mit der Kunststätte Bossard in Lüllau verbinden. Doch welche Kunst findet sich entlang der Strecke? Die Objekte und vor allem die Umsetzung stießen in Jesteburg auf wenig Gegenliebe. Dies gipfelte darin, dass mit Isa Maschewski die überforderte Kuratorin die Brocken hinwarf (das WOCHENBLATT berichtete). Maschewski versäumte es, die Bürger abzuholen. Zudem unterliefen ihr handwerkliche Pannen in Planung und Umsetzung. Die Folge: Jesteburg hat mehrere zehntausend Euro in den Sand gesetzt, ohne dafür etwas Vorzeigbares in der Hand zu haben. Allein die beiden bemalten Straßen haben nach Angaben der Gemeinde 15.000 Euro gekostet.
Hoffnung keimte zuletzt auf, als sich mit Dr. Gudula Mayr (Leiterin der Kunststätte Bossard) und Heidi Seekamp zwei engagierte und im Dorf wertgeschätzte Bürgerinnen an die Vollendung des Projektes wagten. Sie seien davon überzeugt, dass der Kunstpfad eine Bereicherung für Jesteburg ist - sowohl für die Jesteburger selbst als auch für auswärtige Gäste. Während Vorgängerin Maschewski "ihr Ding" ohne Dialog mit den Bürgern durchzuziehen versuchte, setzen Mayr und Seekamp auf den Dialog. Unter anderem organisierten sie gut besuchte Veranstaltungen und versuchten, die Jesteburger mitzunehmen. Doch nun scheint auch das Damen-Duo den Bogen zu überspannen. Ihr Konzept, das am Mittwoch, 11. September, ab 19 Uhr im Ausschuss für Wirtschaft, Tourismus und Kultur im Sitzungsraum der Seniorenbegegnungsstätte am Sandbarg diskutiert werden soll, sieht in den kommenden fünf Jahren Ausgaben in Höhe von bis zu 183.000 Euro vor. Allein die "Vorbereitungsphase" soll bis zu 80.000 Euro kosten - im Wesentlichen geht das Geld für Honorare und Tagungen drauf. Selbst wenn es den Verantwortlichen gelingen sollte, Mittel einzuwerben, geht es um viel Steuergeld.
Mayr und Seekamp schlagen dem Ausschuss vor, Thomas Kaestle (Publizist, Vermittler und Kurator aus Hannover) mit der Ausarbeitung eines Konzepts für eine Art "Akademie für Kunst in öffentlichen Räumen" zu beauftragen. "Dabei handelt es sich um einen einjährigen, öffentlichen Rechercheprozess mit Exkursionen, Vorträgen und Workshops", heißt es in der Vorlage. "Einerseits soll dies als Grundlage für das kuratorische Konzept des Kunstpfads dienen, andererseits sollen die Jesteburger einbezogen und die Öffentlichkeitsarbeit gestärkt werden." Im ersten Schritt soll Jesteburg an Kaestle 3.000 Euro für ein ausführliches Konzept zahlen. Später rechnen die beiden Frauen mit einem Eigenanteil von insgesamt bis zu 20.000 Euro für die beiden folgenden Jahre.
"Kein konzeptioneller Zusammenhang"
Thomas Kaestle stellt seiner Vorgängerin Isa Maschewski kein gutes Zeugnis aus. Und letztlich damit auch der Politik, die sie haben ohne Kontrolle "werkeln" lassen. In seinem Konzept heißt es über die bisherige Arbeit der zurückgetretenen Kuratorin: "Zurzeit besteht der Kunst- und Naturpfad aus einer Arbeit im Kunstverein, die jedoch möglicherweise ihren Standort wechseln soll, einer nicht für ihren Aufstellungsort entworfenen Installation an der Schule, deren materieller Zustand bedenklich ist, zwei Straßenmalereien, die so verblichen sind, dass nur die vollständige Entfernung oder eine Restaurierung in Frage kommt, einer Informationstafel zu Fischteichen und einem Objekt bei der Kunststätte Bossard, das als ehemaliger Bestandteil einer Retrospektive vom Künstler dauerhaft überlassen wurde. Ein konzeptioneller Zusammenhang der einzelnen Orte und künstlerischen Arbeiten erschließt sich dem Betrachter nicht."
Der Gemeinde Jesteburg war die Arbeit von Maschewski ein Honorar in Höhe von 12.500 Euro wert.
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Redakteur:Sascha Mummenhoff aus Jesteburg |
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