Jesteburg
"Das ist ein Armutszeugnis": Politik äußert sich zur Abberufung der Ersten Samtgemeinderätin
as. Jesteburg. Seit Donnerstag ist Petra Buzina, seit Juni 2020 Jesteburgs Erste Samtgemeinderätin, nicht mehr im Amt. Mit 25 von 29 Stimmen, deutlich mehr als die erforderliche Dreiviertel-Mehrheit, hat der Jesteburger Samtgemeinderat die Wahlbeamtin und ranghöchste Rathausmitarbeiterin nach Samtgemeinde-Bürgermeisterin Claudia von Ascheraden am Donnerstagin einer Sondersitzung abberufen. Gegen diesen Schritt stimmten lediglich Andreas Maack (FWG) sowie Tobias Reddig, Falk Siede und Hansjörg Siede (alle UWG Jes!).
Der Grund für die Abberufung: Petra Buzina soll sich in ihrer Position als kommissarische Verwaltungsleitung mit einigen langjährigen Mitarbeitern "angelegt" haben. Eine weitere Zusammenarbeit sei erschwert. Wie berichtet, hat die Abberufung gravierende finanzielle Konsequenzen für die Samtgemeinde, denn Petra Buzina erhält für die verbleibenden sechs Jahre und neun Monate weiterhin 71,75 Prozent der Bezüge. Ausgehend von derBesoldungsgruppe A15 sind das etwa 61.500 Euro pro Jahr, hinzu kommen weitereAusgaben für Versorgungskasse und Pensionsrücklagen. Findet Petra Buzina einen neuen Job, entfällt die Zahlung.
Etliche Rathausmitarbeiter verfolgten die Abstimmung vor Ort. "Der Schwebezustand war am Ende nur noch schwer auszuhalten. Eine Interimsfachbereichsleitung, Unsicherheiten, ob und wann Frau Buzina eventuell wiederkommt … das alles hat zu einer gewissen angespannten Situation der Mitarbeiter beigetragen, die sich mit der klaren Ratsentscheidung nun aufgelöst hat", sagt Verwaltungschefin Claudia von Ascheraden. "Ich werde gemeinsam mit meinen Fachbereichsleitungen und dem Personalrat die Struktur der Verwaltung neu überdenken und in Zusammenarbeit mit der Politik eine Organisationsform finden, die eine perfekte Zusammenarbeit von Politik und Verwaltung gewährleistet, in der sich die Mitarbeitenden wiederfinden und die uns in die Lage versetzt, für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet zu sein und effektive Lösungen zu finden."
Der Rat habe sich diesen Entscheidungsprozess sicher nicht gewünscht und dessen Ergebnis vor dem Hintergrund der persönlichen und finanziellen Konsequenzen keineswegs leicht gemacht, so der Ratsvorsitzende und stv. Samtgemeinde-Bürgermeister Dr. Hans-Heinrich Aldag (CDU). "Eine Abberufung darf nur die Ultima Ratio sein, vor der in diesem Fall ein mehr als siebenmonatiger Diskussions- und Abwägungsprozess unter Hinzuziehung auch fachanwaltlicher Beratung stand." Petra Buzina sei 2020 in einem ganztägigen, intensiven Assessment-Verfahren, an dem auch Verwaltungs- und Personalratsvertreter beteiligt waren, eindeutig empfohlen worden. "Sinnvoll wäre es sicher, wenn der Rat sich demnächst bereits im Vorfeld noch intensiver über den Aufgabenumfang eines Allgemeinen Vertreters der Samtgemeinde verständigen würde", so Aldag.
"Die Entscheidung ist uns unglaublich schwer gefallen", sagt auch die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Samtgemeinderat, Nathalie Boegel. "Am Ende hat sich aber bei uns allen die Überzeugung durchgesetzt, dass dieser Schritt der Abberufung - so sehr wir es auch bedauern - notwendig sein wird."
Die UWG Jes! hatte vor der Abberufung beantragt, dass die finanziellen Folgen dieser Entscheidung in der Sitzungsvorlage bereitgestellt werden sollen, oder die Abberufung vertagt wird, scheiterte jedoch. Dementsprechend deutlich ist ihre Kritik: „Ein Beispiel für Führungsstärke und umsichtiges Handeln war dieses Abwahlverfahren sicher nicht. Den mehrfachen schriftlichen Bitten der UWG Jes!, die möglichen finanziellen Auswirkungen in der offiziellen Beschlussvorlage aufzuführen, kam die Verwaltungsleitung nicht nach. Deshalb beantragten wir, vor dem Abwahlverfahren diese Informationen entsprechend zu ergänzen. Leider stimmten außer den Ratsmitgliedern der UWG Jes! alle dagegen.Wer später behauptet, er hätte von den immensen Kosten, die damit für die Gemeinde verbunden sind,nichts gewusst, kann sich nun zumindest formal auf dieser anscheinend gewollten 'Wissenslücke' ausruhen“, sagt Fraktionsvorsitzender Gerhard Matthies.
Die Abberufung der vor zwei Jahren einstimmig gewählten Petra Buzinas sei ein Armutszeugnis für den Rat. "Frau Buzina sollte laut Stellenbeschreibung 'eine aktive Rolle im Veränderungsmanagement der Samtgemeinde' übernehmen und 'als Impulsgeberin und Motivatorin die Entwicklung der Samtgemeinde mit Ideen und Tatkraft weiter vorantreiben'", teilt die UWG Jes! mit. Petra Buzina habe diese Aufgabe ernst genommen. Sie habe die Effizienz der Zusammenarbeit zwischen ehrenamtlichen Ratsmitgliedern und der Verwaltung hinterfragt und verwaltungsintern Konsequenzen aus der Organisationsanalyse gezogen, die eine externe Unternehmensberatung im Auftrag des Rates durchgeführt habe. Vielleicht habe sie die Widerstände und mögliche Befindlichkeiten unterschätzt.
„Meine Zusammenarbeit mit Frau Buzina war stets sachlich und kompetent. Es überrascht mich, dass fast 50 Prozent der heutigen Samtgemeinderatsmitglieder zwar nie mit Frau Buzina zusammengearbeitet haben, sich aber in der Lage sahen, ihr das Vertrauen zu entziehen", sagt UWG-Jes!-Vorsitzender Hansjörg Siede. "Wir haben uns gewünscht, dass unsere Samtgemeindebürgermeisterin und Frau Buzina die dringend notwendigen Veränderungsprozesse gemeinsam umsetzen. Doch der Samtgemeinderat hat sich für einen radikalen und sehr kostspieligen Abbruch der Zusammenarbeit entschieden. Die daraus resultierenden Kosten müssen jetzt von den Mitgliedsgemeinden getragen werden." Aus seiner Sicht sei es den Bürgern nicht zu vermitteln, wieso auf der einen Seite die Steuern erhöht werden müssen, um die laufenden Ausgaben abdecken zu können und auf der anderen Seite für viele Jahre finanzielle Verbindlichkeiten eingegangen werden, die sich voraussichtlich im hohen sechsstelligen Bereich bewegen werden.
Petra Buzina wollte sich gegenüber dem WOCHENBLATT nicht zu ihrer Abberufung äußern.
Redakteur:Anke Settekorn aus Jesteburg |
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