Jesteburg: Was tun bei Geldmangel?
Ein Plädoyer für mehr Wachstum
Die Kassen sind leer, doch es stehen dringende Projekte in Jesteburg an, Stichworte: neuer Kindergarten, Ganztagsbetreuung in den Schulen und Kindergärten, Flüchtlingsunterbringung, Straßensanierung. "Da hilft nur Wachstum", meint Volker Knubbe, Gemeinde- und Samtgemeinderatmitglied und Vorsitzender des Finanzausschusses der Gemeinde. "Das ist entscheidend", sagt er. "Und Windkraft."
Während die denkbaren Flächen für Windräder dünn gesät und umstritten sind (eines befindet sich in Lüllau, das WOCHENBLATT berichtete), steht für Knubbe der Zuzug nach Jesteburg im Mittelpunkt: Es gebe noch immer einige wenige Stimmen, die der Meinung seien, dass Jesteburg genau so bleiben solle, wie es ist - ohne Zuzug in neue Baugebiete, höchstens in nachverdichtete bestehende Wohngebiete, so Knubbe. "Jesteburg ist, so wie es ist, eben ein schönes Dorf. Bevor ich in die Politik einstieg, dachte ich auch noch so", gibt er zu. "Das hat sich aber schnell geändert.
2021 zog Knubbe als parteiloses Mitglied der SPD-Fraktion in den Gemeinde- und Samtgemeinderat ein, ist seit Juli Vorsitzender des Jesteburger Finanzausschusses. "Nur durch Wachstum können höhere Steuereinnahmen generiert werden", sagt Knubbe. Um diese Aussage auf fachlich fundierte Füße zu stellen, organisierte der Reiseverkehrskaufmann im Dezember eine Weiterbildung für die Mitglieder des Finanzausschusses.
Bis zu 3.000 Neubürger könnte sich Knubbe in Jesteburg vorstellen. Sie könnten dazu beitragen, über den Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer und die Grundsteuer die Finanzen zu sanieren. Wo könnten die wohnen? Man müsste neue Baugebiete ausweisen, so Knubbe. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, neue Baugebiete auszuweisen, als vor Jahren die Bauzinsen noch niedrig und die Bau- und Energiekosten noch nicht gar so sehr gestiegen waren? "Das stimmt", sagt Volker Knubbe, "Doch wird müssen das jetzt trotzdem in Angriff nehmen. Obwohl interessierte Investoren der Gemeinde derzeit wohl nicht gerade die Türen einrennen, da sich das Bauen für Unternehmer kaum noch lohnt.
Wo könnte in größerem Maßstab gebaut werden? Verbrannte Erde findet man am geplanten Baugebiet am Seevekamp-Süd: Dort hatte Bauunternehmer Steffen Lücking aus Langenrehm eine große Fläche als Baugebiet erworben und auch mehrfach umgeplant, da Anwohner und politische Gremien nicht zufrieden mit seinen Ideen waren und das Projekt schließlich stoppten.
Jetzt will Lücking die Gemeinde verklagen, die sich nicht an einen rechtskräftigen städtebaulichen Rahmenvertrag zwischen ihm und der Gemeinde gehalten habe. Denn zuvor hatte Lücking der Gemeinde mit einem Grundstück für den Kreisverkehrsbau geholfen. Lücking: "Die Schadenersatzklage wird der Gemeinde noch in diesem Jahr zugehen."
Sein bitteres Fazit: "Was hätte Jesteburg nur gewonnen, wenn man vor sechs Jahren ehrlich und konstruktiv mitgearbeitet hätte: 16 bezahlbare Wohnungen, 16 Sozialwohnungen, 70 private Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften (...) und eine Kita auf einer kostenlos zur Verfügung gestellten Fläche" hätten in einer historischen Niedrigzinsphase errichtet werden können. 2,73 Millionen habe er für das Projekt investiert, habe den Kreisverkehrsplatz mit 300.000 Euro mitfinanziert. Jetzt sei Schluss, in Jesteburg werde er nicht mehr bauen.
Auch am Sandbarg waren Bauprojekte in der Vergangenheit heftig umstritten (das WOCHENBLATT berichtete). Hier könnten noch rund 90.000 Quadratmeter bebaut werden. Darüber hatte man kürzlich wieder gesprochen, nachdem die Fläche nördlich der Bahnlinie für Parkplätze und Infrastruktur für einen Bahnhof wieder ins Gespräch geraten war: Nach Auskunft der Bahn könnte der frühere Jesteburger Bahnhof wieder reaktiviert werden, allerdings frühestens 2027. "Ich könnte mir eine Bebauung dort durchaus vorstellen", so Knubbe.
Am schnellsten ließe sich wohl die Bebauung des ehemaligen Reitplatzgeländes gegenüber Famila realisieren, möglicherweise auch auf dem benachbarten sogenannten Zirkusplatz, auf dem derzeit noch verpackte Wohncontainer lagern, die bald in Bendestorf gebraucht werden. Auf einem Teil der Reitplatzfläche stehen allerdings noch für Jahre Wohncontainer für Geflüchtete. Die müssten erst auf eine an den Friedhof grenzende Fläche Am Allerbeek umziehen. Für eine Reitplatz-Bebauung mit Wohnungen und "moderatem Gewerbe" ließen sich laut Knubbe im Rat wohl politische Mehrheiten finden.
Die gäbe es wohl auch für eine Innenverdichtung, also für den Bau weiterer Wohneinheiten auf schon bebauten Grundstücken. Dazu müssten zwar teilweise B-Pläne geändert werden, "das könnte aber relativ schnell gemacht werden".
Das Allheilmittel ist der Zuzug neuer Familien allerdings auch nicht. "Irgendwo gibt es einen Kipppunkt, an dem Familien mehr kosten, als sie einbringen", so Knubbe. Denn Familien brauchen Infrastruktur, z. B. Kindergärten, Schulen, Freizeiteinrichtungen. Aber die möchte Knubbe in Zukunft am liebsten von Bau-Investoren übernommen wissen.
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