Landkreis Harburg: Insolvenzen und wenig Personal
Ist die Pflege gesichert?
Viele Bürger machen sich schon Sorgen um die eigene Zukunft: Pflegeeinrichtungen gehen reihenweise in die Insolvenz, die Übrigen haben mit zu wenig Geld von den Krankenkassen und zu wenigen Fachkräften zu kämpfen. So manche Einrichtung muss wegen fehlender Altenpfleger Pflegeplätze unbesetzt lassen, rutschen schnell in einer Situation, in der sich der ganze Pflegebetrieb nicht mehr rechnet. Doch auch für große Einrichtungen ist es nicht leicht: Die Krankenkassen zahlen zu wenig, die Gehälter der Mitarbeiter mussten laut Tariftreuegesetz steigen. Ist die Versorgung Pflegebedürftiger im Landkreis Harburg gesichert?
Das Haus am Marktplatz in Neu Wulmstorf, das Haus Klecken, das Haus Steinbachtal in Buchholz, der Stubbenhof in Jesteburg, die Tagespflege Falkenhof - alle seit Jahren dicht. Im vergangenen Jahr ging das Doreafamilie-Pflegeheim im Jesteburger Bergweg in die Insolvenz, wurde inzwischen von einem neuen Betreiber übernommen. Der Maschener Falkenhof machte Anfang des Jahres zu. In Neu Wulmstorf musste im vergangenen Jahr mit der Einrichtung "An den Moorlanden" wegen baulicher Mängel das letzte Seniorenheim der Gemeinde schließen. Der Ambulante Hauspflegedienst AHD von Ole Bernatzki - einer der großen Anbieter im Landkreis - kämpft seit dem vergangenen Sommer mit einem Insolvenzverfahren in Eigenregie ums Überleben. Der jüngste Insolvenzfall im benachbarten Kreis Stade: Im März ging die Seniorenresidenz Wohnstift Buxtehude in die vorläufige Insolvenz, jetzt wird ein neuer Betreiber gesucht.
Gibt es noch genug Plätze für alle Pflegebedürftigen? Die reinen Zahlen sind beeindruckend: In 29 stationären Pflegeeinrichtungen könnten 2.346 Menschen versorgt werden, teilte Kreissprecherin Katja Bendig mit. Dazu kommen 14 Tagespflegeeinrichtungen für 275 Menschen. 18 Pflegebedürftige können in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung versorgt werden. Wer noch zu Hause leben kann, kann auf 35 ambulante Pflegedienste zurückgreifen. Sie können aktuell 2.568 Menschen versorgen.
Gibt es freie Plätze? Mit Stichtag 31. Dezember hat der Landkreis ermittelt, dass 2.099 Bewohner in den stationären Einrichtungen untergebracht waren. Theoretisch sind also 247 Betten frei. Tagespflege und Kurzzeitpflege waren dagegen komplett ausgelastet.
Fragt man die Pflegedienstinhaber, stellt sich die Lage allerdings nach wie vor dramatisch dar: Im vergangenen Herbst hatten sie in einer konzertierten Aktion mit Kommunalpolitikern gefordert, endlich etwas zu verändern (das WOCHENBLATT berichtete). Was ist inzwischen passiert? "Leider hat sich in meinen Augen bislang nichts getan", sagt Lars Perlowski, Inhaber des Buchholzer Pflegedienstes Pflege24 und Mitorganisator der Initiative "Pflegestop". In ihr haben sich 21 Pflegedienste aus den Landkreisen Harburg, Stade, Lüneburg und Heidekreis zusammengeschlossen, die mehr als 1.000 Beschäftigte und mehr als 5.000 Pflegebedürftige vertreten. "Die Situation in der Pflege ist eine tickende Zeitbombe. Wir bekommen täglich mehrere Anfragen, die wir ablehnen müssen. Weil wir a) wegen Personalmangel keine Kräfte haben, b) meine Mitarbeiter alle auf dem Zahnfleisch gehen, weil wir c) keine vernünftige und angemessene Finanzierung für unsere Leistungen erhalten."
Er beschreibt das Dilemma sehr konkret: "Als Pflegedienst müssen wir gerade nach dem Motto leben: Aufnehmen, was geht, damit wir uns über Wasser halten können. Meine Mitarbeiter da draußen machen einen Bombenjob, gehen aber durch die Anzahl der täglich zu versorgenden Menschen kaputt. Was soll ich als Geschäftsinhaber machen? Patienten kündigen, um Mitarbeiter zu entlasten? Aber wer zahlt dann die Gehälter und die laufenden Kosten bei weniger Einnahmen? Oder nehme ich weitere Patienten auf, damit ich schwarze Zahlen schreiben kann? Dann verliere ich am Ende meine Mitarbeiter, weil die es - verständlicherweise - nicht mehr ertragen können, so ausgebeutet zu werden. Auch dann kann ich meinen Pflegedienst schließen."
Grundsätzlich habe sich nichts getan, findet auch Ole Bernatzki, Inhaber des AHD Ole Bernatzki. "Die Pflege ist immer noch chronisch unterfinanziert. Eine unzureichende Anhebung der Wegepauschale, wie jüngst geschehen, kann ich nicht als Erfolg oder Existenzsicherung von Pflegediensten verbuchen. Da haben die Lokführer deutlich mehr erreicht. Die Politik hat die Kranken- und Altenpflege vergessen, weil es ihr keine Wählerstimmen bringt."
Nikolaus Lemberg von der Interessengemeinschaft InGe e.V. - sie unterhält ambulante Pflegedienste in Winsen und Salzhausen - sieht zwar Mini-Verbesserungen: Die Kassen hätten mit einem neuen Vergütungsangebot einen Teil der fehlenden Refinanzierung der vergangenen Jahre nachgeholt. Das mache aber konkret nur zirka zehn Prozentpunkte von damals fehlenden 20 bis 25 Prozentpunkten aus. In seiner Einrichtung sei diese Erhöhung in die nächste Gehaltssteigerung gemäß Tariftreueregelung geflossen, nach der die Personalkosten um elf Prozent gestiegen seien. "Es bleibt also rechnerisch bei der gravierenden Unterfinanzierung der häuslichen Krankenpflege und entsprechenden Versorgungslücken." Und: "Die Grundprobleme, wie im Herbst geschildert, hat weder die Selbstverwaltung noch die Landes- oder Bundespolitik seit dem Herbst angepackt." Die politischen Vertreter der Veranstaltung im Herbst in Hittfeld "haben sich nicht mehr gemeldet".
Was haben die bei der Oktober-Veranstaltung vertretenen Politiker unterdessen erreicht? Jan Bauer (CDU) hatte eine Art Recht auf Pflege vorgeschlagen, ähnlich dem Recht auf einen Kindergartenplatz. Er hat sich mit Landtagskollegen aus anderen Bundesländern und Vertretern des Bundestages ausgetauscht: "Eine gesetzliche Verankerung des Pflegeanspruches müsste über den Bund erfolgen." Weil es aktuell an vielen Ecken in der Pflege mangele, "bin ich derzeit mit dem Verein 'Wir pflegen', der die pflegenden Angehörigen in Niedersachsen vertritt, im Gespräch, um pflegende Angehörigen zu unterstützen."
Svenja Stadler (SPD) berichtet, dass auf Bundesebene sehr viel in Bewegung sei, um die vorhandenen Strukturen in der Pflege zu stützen und zu stärken, zum Beispiel sollen weitere Gesetze erlassen werden, um die Pflegeausbildung zu stärken und die Tätigkeiten von beruflich Pflegenden zu erweitern. "Ganz sicher gehört auch die Fachkräfteanwerbung aus Drittstaaten zu einer der Stellschrauben", so Stadler.
Viele Bürger machen sich schon Sorgen um die eigene Zukunft: Pflegeeinrichtungen gehen reihenweise in die Insolvenz, die Übrigen haben mit zu wenig Geld von den Krankenkassen und zu wenigen Fachkräften zu kämpfen. So manche Einrichtung muss wegen fehlender Altenpfleger Pflegeplätze unbesetzt lassen, rutschen schnell in einer Situation, in der sich der ganze Pflegebetrieb nicht mehr rechnet. Doch auch für große Einrichtungen ist es nicht leicht: Die Krankenkassen zahlen zu wenig, die Gehälter der Mitarbeiter mussten laut Tariftreuegesetz steigen. Ist die Versorgung Pflegebedürftiger im Landkreis Harburg gesichert?
Das Haus am Marktplatz in Neu Wulmstorf, das Haus Klecken, das Haus Steinbachtal in Buchholz, der Stubbenhof in Jesteburg, die Tagespflege Falkenhof - alle seit Jahren dicht. Im vergangenen Jahr ging das Doreafamilie-Pflegeheim im Jesteburger Bergweg in die Insolvenz, wurde inzwischen von einem neuen Betreiber übernommen. Der Maschener Falkenhof machte Anfang des Jahres zu. In Neu Wulmstorf musste im vergangenen Jahr mit der Einrichtung "An den Moorlanden" wegen baulicher Mängel das letzte Seniorenheim der Gemeinde schließen. Der Ambulante Hauspflegedienst AHD von Ole Bernatzki - einer der großen Anbieter im Landkreis - kämpft seit dem vergangenen Sommer mit einem Insolvenzverfahren in Eigenregie ums Überleben. Der jüngste Insolvenzfall im benachbarten Kreis Stade: Im März ging die Seniorenresidenz Wohnstift Buxtehude in die vorläufige Insolvenz, jetzt wird ein neuer Betreiber gesucht.
Gibt es noch genug Plätze für alle Pflegebedürftigen? Die reinen Zahlen sind beeindruckend: In 29 stationären Pflegeeinrichtungen könnten 2.346 Menschen versorgt werden, teilte Kreissprecherin Katja Bendig mit. Dazu kommen 14 Tagespflegeeinrichtungen für 275 Menschen. 18 Pflegebedürftige können in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung versorgt werden. Wer noch zu Hause leben kann, kann auf 35 ambulante Pflegedienste zurückgreifen. Sie können aktuell 2.568 Menschen versorgen.
Gibt es freie Plätze? Mit Stichtag 31. Dezember hat der Landkreis ermittelt, dass 2.099 Bewohner in den stationären Einrichtungen untergebracht waren. Theoretisch sind also 247 Betten frei. Tagespflege und Kurzzeitpflege waren dagegen komplett ausgelastet.
Fragt man die Pflegedienstinhaber, stellt sich die Lage allerdings nach wie vor dramatisch dar: Im vergangenen Herbst hatten sie in einer konzertierten Aktion mit Kommunalpolitikern gefordert, endlich etwas zu verändern (das WOCHENBLATT berichtete). Was ist inzwischen passiert? "Leider hat sich in meinen Augen bislang nichts getan", sagt Lars Perlowski, Inhaber des Buchholzer Pflegedienstes Pflege24 und Mitorganisator der Initiative "Pflegestop". In ihr haben sich 21 Pflegedienste aus den Landkreisen Harburg, Stade, Lüneburg und Heidekreis zusammengeschlossen, die mehr als 1.000 Beschäftigte und mehr als 5.000 Pflegebedürftige vertreten. "Die Situation in der Pflege ist eine tickende Zeitbombe. Wir bekommen täglich mehrere Anfragen, die wir ablehnen müssen. Weil wir a) wegen Personalmangel keine Kräfte haben, b) meine Mitarbeiter alle auf dem Zahnfleisch gehen, weil wir c) keine vernünftige und angemessene Finanzierung für unsere Leistungen erhalten."
Er beschreibt das Dilemma sehr konkret: "Als Pflegedienst müssen wir gerade nach dem Motto leben: Aufnehmen, was geht, damit wir uns über Wasser halten können. Meine Mitarbeiter da draußen machen einen Bombenjob, gehen aber durch die Anzahl der täglich zu versorgenden Menschen kaputt. Was soll ich als Geschäftsinhaber machen? Patienten kündigen, um Mitarbeiter zu entlasten? Aber wer zahlt dann die Gehälter und die laufenden Kosten bei weniger Einnahmen? Oder nehme ich weitere Patienten auf, damit ich schwarze Zahlen schreiben kann? Dann verliere ich am Ende meine Mitarbeiter, weil die es - verständlicherweise - nicht mehr ertragen können, so ausgebeutet zu werden. Auch dann kann ich meinen Pflegedienst schließen."
Grundsätzlich habe sich nichts getan, findet auch Ole Bernatzki, Inhaber des AHD Ole Bernatzki. "Die Pflege ist immer noch chronisch unterfinanziert. Eine unzureichende Anhebung der Wegepauschale, wie jüngst geschehen, kann ich nicht als Erfolg oder Existenzsicherung von Pflegediensten verbuchen. Da haben die Lokführer deutlich mehr erreicht. Die Politik hat die Kranken- und Altenpflege vergessen, weil es ihr keine Wählerstimmen bringt."
Nikolaus Lemberg von der Interessengemeinschaft InGe e.V. - sie unterhält ambulante Pflegedienste in Winsen und Salzhausen - sieht zwar Mini-Verbesserungen: Die Kassen hätten mit einem neuen Vergütungsangebot einen Teil der fehlenden Refinanzierung der vergangenen Jahre nachgeholt. Das mache aber konkret nur zirka zehn Prozentpunkte von damals fehlenden 20 bis 25 Prozentpunkten aus. In seiner Einrichtung sei diese Erhöhung in die nächste Gehaltssteigerung gemäß Tariftreueregelung geflossen, nach der die Personalkosten um elf Prozent gestiegen seien. "Es bleibt also rechnerisch bei der gravierenden Unterfinanzierung der häuslichen Krankenpflege und entsprechenden Versorgungslücken." Und: "Die Grundprobleme, wie im Herbst geschildert, hat weder die Selbstverwaltung noch die Landes- oder Bundespolitik seit dem Herbst angepackt." Die politischen Vertreter der Veranstaltung im Herbst in Hittfeld "haben sich nicht mehr gemeldet".
Tasächlich blieben auch Anfragen des WOCHENBLATT bis Redaktionsschluss unbeantwortet: Weder Jan Bauer (CDU), er hatte noch im Herbst eine Art Recht auf Pflege ähnlich dem Recht auf einen Kindgartenplatz vorgeschlagen, noch Svenja Stadler (SPD), sie hatte bei der Herbstveranstaltung angemahnt, das Große und Ganze nicht aus dem Blick zu verlieren und Partikularinteressen hintanzustellen - mochten vom Fortschritt ihrer Anstrengungen in Sachen Pflege berichten. Stadler verwies auf Gespräche, die sie gerade mit der Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung Claudia Moll geführt habe. Demnach werde aktuell etwas erarbeitet, das aber noch nicht veröffentlicht werden könne.
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