Jesteburg: Rat diskutiert über Photovoltaik
Kampf um die Sonnenenergie
In Jesteburg ist ein Konkurrenzkampf um Flächen für Photovoltaik (PV)-Anlagen entbrannt: Beide Energiegesellschaften, die BürgerEnergie Nordheide BEN und die SeeveEnergie Genossenschaft (das WOCHENBLATT berichtete) wollen ihre Solaranlagen nicht nur auf privaten Dächern, sondern auch auf öffentlichen Dächern, Freiflächen und Parkplätzen errichten - und die sind begrenzt. Außerdem gibt es Streit darüber, wie viele größere Freiflächenanlagen erlaubt werden sollen.
Verwaltung muss neutral bleiben
Eine interfraktionelle Gruppe - unter anderem mit SeeveEnergie Genossenschaft-Mitbegründern Christoph Kröger (Grüne), Nathalie Boegel (Grüne), Aydin Yakin (CDU), Angelika Schiro (SPD), Steffen Burmeister (SPD) - möchte jetzt erreichen, dass ihre Genossenschaft von der Gemeinde bei der Vergabe der Flächen bevorzugt wird. In einem Antrag der Gruppe im Gemeinderat heißt es: "Alle Dachflächen, Parkplatzflächen, aber auch Freiflächen im Eigentum oder im Besitz der Gemeinde Jesteburg sollen zur Nutzung und Entwicklung von PV-Anlagen nur gemeinwohlorientierten Genossenschaften aus der Samtgemeinde angeboten werden."
Geht das überhaupt? Die Verwaltung muss bei konkurrierenden Unternehmungen neutral sein, Aufträge müssen öffentlich ausgeschrieben, Grundstücke neutral vergeben werden. "Da es sich bei dem Engagement in der Energie-Genossenschaft um ein Ehrenamt handelt, greift nach unserer Auffassung das Mitwirkungsverbot nicht – anders, als wenn beispielsweise ein Ratsmitglied beantragt hätte, seinem Unternehmen, mit dem er/sie Gewinne erzielen will, solle ein Auftrag erteilt werden", erklärt Gemeindesprecher Stefan Ahrens. Unabhängig davon hätten die betroffenen Ratsmitglieder nicht an der Abstimmung teilgenommen. Die Entscheidung habe man insofern allein den Ratsmitgliedern überlassen, die nicht in die Genossenschaft involviert seien.
Genossenschaft muss sich rechnen
Frank Borgstedt von der BEN ist trotzdem empört. "Wir werden hingestellt, als seien wir lediglich auf Gewinnmaximierung ausgerichtet." Aber auch eine Genossenschaft müsse sich rechnen, "sonst funktioniert das alles nicht." Borgstedt fühlt sich auch durch eine Statement auf der SeeveEnergie-Website diffamiert: "Anders als hier in der Nordheide geplante Bürgerenergiegesellschaften ist die Seeve-Energie Genossenschaft gemeinwohlorientiert und hat die Zielsetzung, die Wertschöpfung aus den Projekten vor Ort zu halten. Deswegen haben wir keine Großinvestoren im Hintergrund und sind nicht primär auf Gewinnmaximierung ausgerichtet." Borgstedt ist sauer: Auch die BEN ist - als Dachorganisation für viele Energieprojekte - als gemeinnütze GmbH organisiert, betont er. "Auch bei uns bleiben die Gewinne bei den beteiligten Bürgern in der Gemeinde." Ein großer Investor sorge lediglich dafür, dass es bald losgehen könnte.
Zweiter Streitpunkt: Wie viele große Solarparks sollen im Gemeindegebiet möglich werden? Während die SeeveEnergie auf kleinteilige Dachanlagen setzt, denkt man bei BEN größer: "Ohne die großen Anlagen reicht es einfach nicht zur Energiewende", sagt Borgstedt. Dagegen wollen die SeeveEnergie-Vertreter im Gemeinderat große Anlagen von vorne herein benachteiligen - obwohl die Bundesregierung im „Gesetz zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht“ die Ausweisung von Solarflächen, zum Beispiel entlang von Autobahnen und zweigleisigen Bahnstrecken, in diesem Jahr erleichtert hat, um die Energiewende zu schaffen. "Erst wenn 75 Prozent der im Eigentum oder Besitz der Gemeinde Jesteburg bzw. des Landkreises befindlichen Dachflächen und Parkplatzflächen mit PV ausgestattet sind, wird eine Belegung von Freiflächen mit PV-Anlagen in Betracht gezogen", heißt es im interfraktionellen Antrag.
Ansturm auf Freiflächen
"Es gibt in der Gemeinde Jesteburg einen Ansturm auf die Freiflächen. Bürger, die im Besitz von großen Freiflächen sind, werden mit lukrativen Angeboten gelockt, um ihre Flächen für PV- und Solarparks zu verpachten", erklärt CDU-Ratsherr Aydin Yakin, "Es besteht die Gefahr, dass wir zukünftig weniger landwirtschaftliche Betriebe und Flächen in Jesteburg haben, weil Energiekonzerne viel Geld für das Pachten der Flächen anbieten." Ein übermäßiger Ausbau von Solarparks würden die Landschaft verändern und ihr Erscheinungsbild nachhaltig beeinträchtigen. "Solarparks nehmen viel Platz ein und würden die natürliche Schönheit und den Charme Jesteburgs stören", fürchtet Yakin. "Es ist daher wichtig, eine Balance zwischen sauberer Energieerzeugung und der Erhaltung unserer lebenswerten Gemeinde zu finden."
Bei den übrigen Gemeinderatsmitgliedern war allerdings noch Beratungsedarf vorhanden: Alle Anträge zum Thema wurden zurück in den Fachausschuss überwiesen, wo BEN und SeeveEnergie ihre Konzepte noch einmal erläutern sollen.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.