Innenministerin Daniela Behrens:
Kommunen dürfen mehr Schulden machen

Die niedersächsische Kommunalaufsicht drückt gerade in Sachen Finanzen ein Auge zu. Innenministerin Daniela Behrens wies jetzt noch einmal auf die aktuell gängige Praxis hin: Kommunen, die wegen akuter Finanznot beispielsweise das örtliche Krankenhaus unterstützen müssen, etwa weil die Krankenhausreform noch nicht greift, dürfen mehr Schulden machen, ohne dass die Aufsicht die Überschuldungsnotbremse zieht. Das ist möglich, weil das - eigentlich strenge - niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) Sonderregelungen zur Bewältigung der Corona-Krise und des Ukrainekrieges enthält, die noch immer genutzt werden können. Neue Erleichterungen für die Kommunen gibt es aber nicht.

In den vergangenen Jahren kam es in verschiedenen Städten und Gemeinden und auch beim Landkreis Harburg zu großen Finanzkrisen: Landkreise und Kommunen müssen vom Bund verordnete Aufgaben erfüllen - unter anderem Kitaplätze für alle Kinder zur Verfügung stellen, die Ganztagsbetreuung von Schulkindern ermöglichen und viele Geflüchtete unterbringen -, für die sie aber nur unzureichende finanzielle Ausstattung erhalten. Dies ist zum Beispiel in Jesteburg, Buchholz und Landkreis Harburg der Fall. So muss der Kreis seine beiden Krankenhäuser in Buchholz und Winsen finanziell unterstützen, die notwendig sind, sich derzeit aber kaum wirtschaftlich betreiben lassen. Die Krankenhausreform, die dies ändern sollte, wird jedoch wohl erst 2027 greifen (das WOCHENBLATT berichtete).

Deshalb gibt es Erleichterungen, die allerdings nicht neu seien, so Svenja Mischel, Sprecherin des niedersächsischen Innenministeriums. Ministerin Behrens habe aktuell lediglich noch einmal darauf hingewiesen. "Auf Grundlage dieser Regelungen (im NKomVG in Paragraf 182 Abs. 4 und 5, Anm. d. Red.) stellen sämtliche Fehlbeträge der Haushaltsjahre 2022 bis 2025 Fehlbeträge als Folge des Krieges in der Ukraine dar." Die Kommunen müssten das nur gesondert in ihrer Bilanz ausweisen. Dafür könnten Kredite aufgenommen werden, deren Rückzahlung über bis zu 30 Jahre gestreckt werden kann.

Außerdem könnten - so Mischel - überschuldete Kommunen beschließen, dass trotz Überschuldung kein Haushaltssicherungskonzept aufgestellt werden muss, auch wenn "wegen der Folgen des Krieges in der Ukraine der Haushaltsausgleich nicht erreicht, eine Überschuldung nicht abgebaut oder eine drohende Überschuldung nicht abgewendet werden kann". Die Kommunalaufsicht würde trotzdem nicht einschreiten.

Und: Kreditaufnahmen für Investitionen in kommunale Pflichtaufgaben (Schulen, Kindertagesstätten, Unterbringung von Geflüchteten, Krankenhäuser usw.) würden grundsätzlich von der Kommunalaufsicht des Innenministeriums genehmigt, auch wenn damit die Schuldenlast der Kommunen extrem steige.

Tatsächlich sind viele Gemeinden und Städte wegen der Pflichtaufgaben derzeit hoch verschuldet. Dann sind sie angehalten, bei freiwilligen Leistungen wie Büchereien, Schwimmbädern und Theatern zu sparen. Die Schließung dieser Einrichtungen kann in vielen Gemeinden nur durch neue Schulden vermieden werden, die aber wegen generell niedriger Einnahmen und struktureller Probleme oft nicht in absehbarer Zeit zurückgezahlt werden können.

Kommentar: Schulden statt Zuschuss?

Die niedersächsischen Kommunen dürfen sich höher verschulden, als es ihnen eigentlich guttut. Das ist zwar nicht neu und läuft verschiedentlich seit Corona und Ukrainekrieg so, gewinnt aber angesichts andauernd leerer Kassen bei kommunalen Krankenhäusern erneut an Brisanz: Statt einer Reform, die es den Krankenhäusern ermöglicht, umgehend wirtschaftlich zu agieren, ist zum Beispiel der Landkreis Harburg - und nicht nur der - dazu gezwungen, seine Kliniken noch über Jahre massiv zu unterstützen, und weiter hohe Schuldenberge anzuhäufen.
Denn die Krankenhäuser sind ja nicht das einzige Problem für die Kommunen: Flüchtlingsunterbringung, Schul- und Kindergartenneubau für Ganztag und Betreuungsanspruch sind teuer und werden nicht komplett refinanziert. Immer mehr Schulden können keine Lösung sein: Wenn den Kommunen die ständigen Einnahmen fehlen, zum Beispiel weil sie wenig Unternehmen und wenig Einkommenssteueraufkommen auf ihrem Gebiet haben, wird das in die finanzielle Katastrophe führen - erst recht, wenn keine Aufsichtsbehörde mehr einschreitet und rechtzeitig die Notbremse zieht.

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Redakteur:

Gabriele Poepleu aus Jesteburg

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