Neuauflage des Kunstpfads
Mitreden, aber keine Mitbestimmung
SPD und Grüne stimmen für Neuauflage des Kunstpfads / Gesamtkosten in Höhe von 233.000 Euro?
Es sind nur knapp vier Kilometer, doch die haben es in sich. Seit Jahren möchte Jesteburg das Kunsthaus im Dorf mit der Kunststätte Bossard in Lüllau verbinden. An die 100.000 Euro wurden bereits versenkt. Doch das schreckt die Politik nicht davon ab, den nächsten Versuch zu starten. Diesmal könnten es bis zu 230.000 Euro werden. Dafür gibt es aber Workshops und Ausflüge, um die Bürger von dem Projekt zu überzeugen. Allein die "Vermittlungsphase" soll bis zu 80.000 Euro kosten. Zehn Künstler und zwei Landschaftsarchitekten sollen auf Kosten der Steuerzahler und von Sponsoren Jesteburg erkunden.
mum. Jesteburg. Mal Hand aufs Herz: Wie viele Jesteburger mag es geben, die alle zwei Wochen zu einer Kunstpfad-Veranstaltung gehen würden? 20? Vielleicht sogar 50? Geht es nach den Wünschen von Hans-Jürgen Börner, Angelika Schiro (beide SPD) und Karl-Heinz Glaeser (Grüne), dann werden allein für die Begeisterung der Jesteburger für den Kunstpfad 83.000 Euro locker gemacht. Ein Kunstwerk ist damit noch nicht entstanden. Lediglich Hans-Jörg Siede (UWG Jes!) erteilte dem Konzept, das vorige Woche im Ausschuss für Wirtschaft, Tourismus und Kultur vorgestellt wurde, eine deutliche Absage. Bernd Jost (CDU) enthielt sich.
Wie berichtet, lebt der Traum vom Kunstpfad wieder auf. Dr. Gudula Mayr (Leiterin der Kunststätte Bossard) und Heidi Seekamp haben dazu eigens eine Kunst-Kommission ins Leben gerufen. Diese bat den Diplom-Kulturwissenschaftler Thomas Kaestle (Hannover), ein Konzept zu erarbeiten. Kaestle möchte mit einem "zweiphasigen Projekt die Neukonzeption und Fertigstellung auf eine breitere gesellschaftliche Basis stellen und dabei Akzeptanz, Interesse und Identifikation fördern". In einer ersten - etwa einjährigen Phase - soll eine für alle Bürger kostenfrei zugängliche "Akademie für Kunst in öffentlichen Räumen" einen gemeinsam Rechercheprozess mit Künstlern ermöglichen. "Die Bürger setzen sich mit möglichen Außenperspektiven auseinander, während die Künstler lokale Themen, Zusammenhänge und Befindlichkeiten kennen lernen", heißt es in dem Konzept. In einer zweiten, etwa dreijährigen Phase, sollen ausgewählte Künstler dann konkrete Projekte mit Orts- und Kontextbezug für einen kuratorisch neu konzipierten Kunstpfad entwickeln und umsetzen.
Kaestle stellt sich vor, dass in der Findungsphase zehn Künstler und zwei Landschaftsarchitekten nach Jesteburg kommen und sich mit dem Ort vertraut machen. Zudem seien sechs Vorträge, vier Ausflüge und zwei Tagungen geplant. Das Ziel: Die Jesteburger sollen quasi mit Kunst überflutet werden. Kaestle spricht von einem "umfassenden Vermittlungsprogramm" - alle zwei Wochen eine Kunstpfad-Veranstaltung. Die Bürger sollen zwar mitreden, dürfen aber nicht mitbestimmen: "Wesentlicher Aspekt bei der Beteiligung von Bürgern ist nicht das Schaffen demokratischer Entscheidungsstrukturen", heißt es in Kaestles Konzept. "Fachentscheidungen müssen Experten überlassen bleiben."
Günstig wird das nicht. Kaestle rechnet maximal mit 233.000 Euro. "Der Betrag muss möglichst hoch sein, damit auch entsprechende Fremdmittel eingeworben werden können", sagt der mögliche Kurator. "Mehr als 10.000 Euro im Jahr wird die Gemeinde für die Akademie nicht ausgeben", ist Börner sicher. Er setzt auf Sponsoren und Fördermittel. Dass auch Fördermittel in der Regel von Steuerzahlern stammen, lässt Börner unerwähnt. Ebenso, dass Jesteburg bereits einige zehntausend Euro in den bereits bestehenden Pfad versenkt hat. Siede spricht sogar von 100.000 Euro. Er schlug vor, dass die Kunststätte Bossard und der Kunsthaus-Verein zumindest die Erarbeitung des Konzeptes gemeinsam aus eigenen Mitteln finanzieren. Dieser Vorschlag wurde von SPD, CDU und den Grünen abgelehnt. Sie sprachen sich dafür aus, dass Kaestle im ersten Schritt 3.000 Euro für sein Konzept bekommt.
"Erneut wird versucht, Bossard und das Kunsthaus durch einen Kunstpfad miteinander zu verbinden. Natürlich gefördert mit öffentlichen Geldern. Für uns ist das kaum noch nachvollziehbar", macht Siede die Position der UWG Jes! deutlich. "Den erneuten Versuch, öffentliche Gelder von bis zu einer Viertelmillion Euro in einen Kunstpfad zu investieren, lehnen wir vehement ab. Wir sind überzeugt, dass Jesteburg auch ohne einen Kunstpfad genug Kultur bietet." Jesteburg würden ganz andere Themen unter den Fingernägeln brennen. Zudem sieht Siede in dem Konzept nur eine Wiederholung der Pläne von Isa Maschewski. "Wieder sind es externe Künstler, die sich hier austoben sollen. Nur dieses Mal geben wir 80.000 Euro aus, um eine Handvoll Bürger einzubeziehen."
Bei der Entscheidung des Ausschusses handelt es sich lediglich um eine Empfehlung für den Gemeinderat. Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen.
• Braucht Jesteburg einen Kunstpfad? Und was darf die Gemeinde dafür ausgeben? Sagen Sie uns Ihre Meinung - am besten via E-Mail an sascha.mummenhoff@kreiszeitung.net. Bitte den Namen nicht vergessen. Danke.
Auf ein Wort:
Öffentlichkeitsarbeit sieht anders aus
Öffentliche Mittel möchte Diplom-Kulturwissenschaftler Thomas Kaestle für sein Kunstpfad-Projekt einwerben. Mit der Öffentlichkeit selbst hat er offensichtlich Schwierigkeiten. Auf die WOCHENBLATT-Ankündigung des Ausschusses, in der sein Konzept kritisch vorgestellt wurde, reagierte er mit einem Beschwerde-Anruf. Das WOCHENBLATT hätte gegen das Urheberrecht verstoßen. Ein seltsames Vorgehen, zumal sein Konzept wenig später öffentlich im Ausschuss diskutiert werden sollte. Erst durch die Berichterstattung wurden viele Jesteburger auf die anstehende Diskussion aufmerksam. Letztlich waren die Informationen auch für jeden auf der Jesteburg-Homepage abrufbar. Das änderte sich allerdings nach dem WOCHENBLATT-Bericht. "Auf Wunsch von Herrn Kaestle haben wir das Dokument wieder entfernt", so die zuständige Rathaus-Mitarbeiterin Claudia von Ascheraden. Kaestle habe darauf hingewiesen, dass es sich um eine urheberrechtlich geschützte Konzeptskizze handele.
Schade, bereits Kaestles grandios gescheiterte Vorgängerin Isa Maschewski hatte keine Lust auf kritische Presse. Laut einem Hamburger Magazin wurde sie zum "Feindbild von Populisten". Auch eine Form, mit Kritik umzugehen.
Nun scheint Kaestle in ihre Fußstapfen zu treten. Vielleicht schmeckt ihm auch nur nicht, dass die Gesamtkosten von 233.000 Euro öffentlich gemacht wurden? Auf jeden Fall passt sein Gebaren so gar nicht zu jemandem, der laut eigenen Angaben als freier Journalist für die Hannoversche Allgmeine Zeitung und das Redaktionsnetzwerk Deutschland arbeitet. Oder ist das Zurückhalten von Unterlagen inzwischen in der Kunstszene en vogue?
Sascha Mummenhoff
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Redakteur:Sascha Mummenhoff aus Jesteburg |
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