Doppel-Interview
"Samtgemeinde ist zeitgemäß, aber ..."
Die Samtgemeinde-Bürgermeister Hans-Heinrich Höper (Jesteburg) und Olaf Muus (Hanstedt) stellen sich erstmals den Fragen eines Doppel-Interviews.
mum. Hanstedt/Jesteburg. Mit Hans-Heinrich Höper (Samtgemeinde Jesteburg) und Olaf Muus (Samtgemeinde Hanstedt) lenken zwei erfahrene Verwaltungschefs die Geschicke der jeweiligen Samtgemeinden. Für WOCHENBLATT-Redakteur Sascha Mummenhoff nahmen sich die beiden Samtgemeinde-Bürgermeister Zeit für ihr erstes gemeinsames Doppel-Interview. Unter anderem beantworten Höper und Muus die Frage, ob das Modell Samtgemeinde noch zeitgemäß ist und warum es schwierig ist, qualifizierte Mitarbeiter zu finden.
WOCHENBLATT: Herr Muus, Hand aufs Herz: Waren Sie schon bei "famila" in Jesteburg einkaufen?
Olaf Muus: Tatsächlich nicht. Schwellenängste habe ich aber nicht, sondern der Einzelhandel in der Samtgemeinde Hanstedt reicht für meine täglichen Bedürfnisse aus.
WOCHENBLATT: Herr Höper, hatten Sie eigentlich Verständnis für das Verhalten Hanstedts in Bezug auf die "famila"-Ansiedlung? Anders gefragt: Hätten Sie sich anders verhalten?
Hans-Heinrich Höper: Nein. Ja, hätte ich. Ich habe bisher keine Projekte anderer Kommunen bekämpft. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Initiative für eine Klage von der Gemeinde Hanstedt ausging oder von Betrieben in Hanstedt.
WOCHENBLATT: Gibt es etwas, um das Sie ihren Samtgemeinde-Bürgermeister-Kollegen beziehungsweise Verwaltungschef beneiden?
Muus: Neid sollte nicht die Triebfeder des eigenen Handelns sein. Aber die Chancen, die sich für die Samtgemeinde Jesteburg aus einer Reaktivierung der Bahnlinie Buchholz-Maschen für den Personennahverkehr ergeben könnten, finde ich außerordentlich spannend.
Höper: Die Verwaltung in Hanstedt hat bessere Räumlichkeiten als wir. Hanstedt ist weiter weg von den Medien. Es passiert dort genauso viel wie hier, findet aber weniger Beachtung in den Medien.
WOCHENBLATT: Ist das Modell "Samtgemeinde" eigentlich noch zeitgemäß? Was sind aus Ihrer Sicht die Vor- und Nachteile - was ist die Alternative?
Muus: Das Modell ist maßgeblich davon abhängig, dass das Zusammenspiel zwischen Samtgemeindeverwaltung und Mitgliedsgemeinden gut funktioniert und sich die verantwortlichen Akteure auch auf der menschlichen Ebene gut verstehen. Nur dann werden die ehrenamtlichen Bürgermeister und häufig in Personalunion Gemeindedirektoren die immer größeren rechtlichen Herausforderungen leisten können. Und es muss Menschen geben, die für diese Ämter überhaupt zur Verfügung stehen. Flankiert werden muss dies aber durch den Gesetzgeber, der, wenn er das Modell Samtgemeinde beibehalten will, diese Ehrenamtler entlasten muss und nicht noch immer weitere Aufgaben bei den Gemeinden abladen darf.
Höper: Wenn man 50 Jahre nach der Gebietsreform die Samtgemeinden endlich modernisieren würde, die Aufgaben anders verteilt, wären sie noch zeitgemäß. Den ehrenamtlichen Bürgermeistern wird in den Mitgliedsgemeinden zu viel abverlangt. Kommt keine Änderung, werden uns die Ehrenamtlichen wegbrechen und das wäre das Aus für die Samtgemeinden. Aktuell geht es um die Digitalisierung der Verwaltungen. Die gesetzlichen Vorgaben unterscheiden nicht zwischen der Landeshauptstadt Hannover und den kleinen Mitgliedsgemeinden von Samtgemeinden. Wie soll das gehen?
WOCHENBLATT: Sie beide machten zuletzt deutlich, dass es schwierig ist, neue Mitarbeiter zu finden. Was sind die Gründe?
Muus: Aktuell kann der öffentliche Dienst in bestimmten Bereichen (speziell Planung und Technik) finanziell nicht mit der freien Wirtschaft mithalten. Gerade bei den kleineren Kommunen ist das Aufgabenspektrum bunter, was eigentlich ein Vorteil sein könnte, zurzeit aber offensichtlich eher ein Nachteil ist, da dies auch bedeuten kann, dass Mitarbeiter in den Abendstunden mal zu einer Sitzung oder einer Veranstaltung müssen und häufig sehr dicht am und mit Menschen arbeitem. In den Lebensentwürfen vieler jungen Menschen scheint dies zurzeit kein attraktives Modell.
Höper: Nur zwei Schlagworte: die schlechtere Bezahlung im öffentlichen Dienst gegenüber der Wirtschaft und die veränderte Einstellung zu Beruf und Familie. Stichwort: Work-Life-Balance. Bei einer kleinen Kommune müssen die Beschäftigten auch in den Abendstunden bei Sitzungen oder Veranstaltungen ran. Ein solches Arbeitszeitmodell ist bei vielen jungen Bewerbern nicht mehr gefragt.
WOCHENBLATT: Welche Stellen sind bei Ihnen gerade unbesetzt?
Muus: Aktuell sind alle Stellen wieder besetzt, zum Teil waren aber mehrere Ausschreibungsrunden erforderlich.
Höper: Aktuell ist eine wichtige Stelle im Standesamt nicht besetzt. Können wir die Lücke nicht schließen, müssen wir die Dienstleistungen erheblich reduzieren. Aus unserer Organisationsuntersuchung ergeben sich noch zusätzliche Stellen, die noch nicht besetzt werden können, weil uns Räume fehlen.
WOCHENBLATT: Stichwort Arbeitszeit: In Seevetal beginnen die Fachausschüsse bereits um 17 Uhr. Warum beginnen in Hanstedt und Jesteburg die Sitzungen erst um 19 Uhr?
Muus: Dies war gerade Wunsch der Kommunalpolitiker, die aus Hamburg heraus pendeln müssen. Die Sitzungen dauern selten länger als 21 Uhr, so dass eine Änderung aktuell kein Thema ist.
Höper: Wenn Sitzungen abends allerdings bis 23 Uhr dauern, hat das Auswirkungen auf das Personal. Es müssen zwischen dem Arbeitsende und dem Arbeitsbeginn Ruhezeiten eingehalten werden. Am nächsten Morgen stehen aber wieder die Bürger im Rathaus und möchten bedient werden.
WOCHENBLATT: Was war für Sie das herausragende Ereignis im vergangenen Jahr - in Ihrer Samtgemeinde?
Muus: Glücklicherweise gab es sogar zwei: die Wiedereröffnung des Waldbades und die Eröffnung des Heide-Himmels. Das Waldbad deswegen, da es ein super-anspruchsvolles Projekt war und es uns gelungen ist, dies, trotz der schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen, umzusetzen. Der Heide-Himmel, weil wir als kleine Verwaltung gemeinsam mit den beteiligten Räten gezeigt haben, dass wir ein privates Millionenprojekt, das aufgrund der Fördermittel unter immensem Zeitdruck stand, planerisch auf den Punkt genau fertig bekommen.
Höper: Dass es meiner Mannschaft im Rathaus trotz der vielen Ausfälle gelungen ist, die Dienstleistungen für die Bürger bereitzustellen.
WOCHENBLATT: Worauf freuen Sie sich in diesem Jahr?
Muus: Auf einen hoffentlich weiter menschlich fairen Umgang miteinander - auch wenn am Horizont schon die Kommunalwahlen 2021 sichtbar werden.
Höper: Auf viele nette Begegnungen.
WOCHENBLATT: Vor allem das Thema Kinderbetreuung stellt für die Gemeinden eine große Herausforderung dar. Wie bewerten Sie die Situation? Sind Sie gut aufgestellt?
Muus: Wir sind gut aufgestellt und tun sehr viel dafür, dass die Eltern von den tatsächlichen Problemen kaum etwas merken. Die Finanzen der Samtgemeinde sind aber massiv belastet, die Ausgaben steigen fortwährend und die Einnahmen halten nicht im mindesten Schritt. Und am Horizont droht mit dem Rechtsanspruch Ganztagsbetreuung im Grundschulbereich in 2025 schon die nächste Initiative auf Bundes- bzw. Landesebene, die von den Kommunen finanziell gestemmt werden muss.
Höper: Wir sind zwar aktuell gut aufgestellt, aber es geht ja weiter. Finanziell ist es ein Desaster. Die Kosten haben sich für die Gemeinden in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Die Einnahmen aber nicht. Die Haushalte sind nicht ausgeglichen. Personal ist kaum zu bekommen. Wir als Kommunen dürfen aber nicht selbst ausbilden. Wenn das Land nicht bald etwas ändert, wird die Situation vor Ort eskalieren.
WOCHENBLATT: Herr Höper, Sie gehen in Ihre letzten zwei Jahre als Verwaltungschef. Können Sie schon ein kleines Fazit ziehen?
Höper: Es geht mir nicht darum, alles aufzuzählen, was in den letzten Jahren alles passiert ist. Wichtig waren und sind mir die Menschen, mit denen man zu tun hat, mit denen man etwas gemeinsam erreichen kann. Das hat viele Jahre Spaß gemacht. Gemeinsam wurde viel erreicht. Leider hat sich auch bei uns der Umgang miteinander verändert. Ich halte nichts von der Selbstdarstellung einzelner Parteien und Gruppen. Noch sind die Bürger beeindruckt. Wie lange noch? Irgendwann wird die Frage gestellt werden, was habt ihr für die Entwicklung des Ortes getan? Als Bürgermeister kann ich den Finger in die Wunde legen, aber nicht alleine Maßnahmen umsetzen.
WOCHENBLATT: Herr Muus, auch wenn Sie gerade erst wiedergewählt wurden, können Sie sich eine dritte Amtszeit vorstellen?
Muus: Ich bin 2011 mit dem Wunsch angetreten mindestens zwei Wahlperioden für die Samtgemeinde zu arbeiten, um wirklich etwas gestalten zu können. Am Ende meiner gerade erst begonnenen zweiten Amtszeit bin ich 60 Jahre alt. Ein gutes Alter, um sich noch einmal neu zu orientieren. Und nach dann 15 Jahren "Muus" sind neue Akzente vielleicht auch nicht so schlecht.
WOCHENBLATT: Welche Wünsche haben Sie für das neue Jahr?
Muus: Dass wir innerhalb der Samtgemeinde Hanstedt und mit den Mitgliedsgemeinden das gute Miteinander erhalten können und wir denjenigen, die Zwietracht säen wollen, gemeinsam entschieden gegenübertreten.
Höper: Mehr Respekt gegenüber anderen Menschen.
WOCHENBLATT: Welche Frage möchten Sie gern beantworten? Und geben Sie auch bitte gleich die Antwort.
Muus: Privat - steigt der HSV wieder in die 1. Liga auf? Selbstverständlich! Beruflich - gelingt es uns genügend Menschen dafür zu begeistern, bei den Kommunalwahlen 2021 auf den Listen der demokratischen Parteien und Wählergemeinschaften zu kandidieren? Ja, denn es gibt nichts Schöneres, als sich für die Zukunft seiner Region, seines Ortes einzusetzen und für den Erfolg sowie die Umsetzung der eigenen Ideen zu arbeiten.
Höper: Schaffen Sie in diesem Jahr die großen Projekte, wie die Schulen, auf dem Weg zu bringen? Wenn es ein Miteinander im Rat gibt, werden wir es gemeinsam schaffen. Denn, wo Einigkeit herrscht, ist auch Erfolg.
WOCHENBLATT: Danke für Ihre Zeit.
Steckbrief Hans-Heinrich Höper
- 1975 bis 1992: Samtgemeinde Tostedt, beginnend mit der Ausbildung bis zum Leiter der Kämmerei
- 1992 bis 2006: Samtgemeinde Hanstedt, zunächst Stellvertreter des Samtgemeindedirektors und Kämmerer. Nach der Einführung der Eingleisigkeit Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters (stellvertretender Verwaltungschef)
- seit dem 1. November 2006: Samtgemeinde Jesteburg, Samtgemeinde-Bürgermeister
- Höper ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seine Hobbys sind Sport und Aktivitäten in Vereinen
Steckbrief Olaf Muus
- 1987 bis 1993: Landkreis Harburg, Ausbildung im gehobenen Dienst (FH). Zuletzt Leiter der Außenstelle des Sozialamtes in Buchholz
- 1993 - 2011: Stadt Buchholz, zunächst Abteilungsleiter Soziales, zuletzt Fachbereichsleiter Allgemeiner Bürgerservice
- seit dem 1. November 2011: Samtgemeinde Hanstedt, Bürgermeister der Samtgemeinde Hanstedt und ehrenamtlicher Gemeindedirektor der Gemeinde Hanstedt
- Muus ist verheiratet und hat drei Kinder. Seine Hobbys sind Sport und Lesen.
Redakteur:Sascha Mummenhoff aus Jesteburg |
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